DFB-Erfolg in Rumänien:Haaland ist halt Norweger

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Wieder nicht drin: Ilkay Gündogan und Serge Gnabry hadern mit einer verpassten Torchance. (Foto: Stefan Constantin/dpa)

Beim überzeugenden 1:0 des DFB-Teams gegen Rumänien hadern die Akteure mit der Chancenverwertung. Doch weil Löw ein klassischer Neuner fehlt, muss er auch bei der EM andere Lösungen finden.

Von Martin Schneider

Man wäre dann ja doch gerne beim rumänischen Trainer-, Scouting- oder Analyseteam dabei gewesen, wie sie sich das Spiel der Deutschen gegen Island angeguckt haben. Vielleicht ist einer aufgestanden, hat auf den Fernseher gedeutet und gesagt: "Den da, die Nummer 6, den müssen wir zustellen!" Vielleicht ist auch keiner aufgestanden und allen war klar, was zu tun sein wird. So schwierig war es nun auch nicht, zu registrieren, dass vieles, manchmal auch alles beim DFB-Team über Joshua Kimmich ging.

Jedenfalls wählten die Rumänen dann im Spiel am Sonntagabend das klassischste aller klassischen Mittel der Fußballverteidigung - sie stellten Kimmich einen Gegenspieler auf die Füße. Florin Tanase hatte die Aufgabe, überall zu sein, wo Kimmich war. Und er machte das nicht schlecht. "Es war nicht ganz einfach. Ich hätte mir gewünscht, dass ich ein paar mehr Spielanteile haben kann", sagte Kimmich später am RTL-Mikrofon.

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Kimmichs Bewacher erschwerte das deutsche Spiel merklich - aber es verhinderte es nicht. Unterm Strich stand am Ende ein 1:0-Auswärtssieg beim wahrscheinlich stärksten Gegner dieser WM-Quali-Gruppe. Sechs Punkte, wieder kein Gegentor - aber alle Probleme der deutschen Nationalmannschaft haben sich mit der Rücktrittsankündigung von Joachim Löw dann doch nicht urplötzlich aufgelöst. Das Stürmerloch gibt es ja schon eine ganze Weile und gegen Rumänien sah man wieder sehr schön, welchen Aufwand eine Mannschaft betreiben muss, der eine klassische "Neun" fehlt.

Die Akteure an den verschiedenen Mikrofonen waren sich dann auch sehr einig, die Chancenverwertung als Hauptübel von Bukarest zu benennen. "Wir müssen es einfach früher entscheiden", sagte Kimmich. "Ich denke, dass wir früher den Deckel draufmachen müssen", meinte Manuel Neuer. "Wir haben uns das Leben selbst schwer gemacht", sagte Bundestrainer Joachim Löw.

Der stellte die gleiche Elf wie gegen Island auf, ließ Timo Werner also wieder draußen und vertraute darauf, dass die offensive Dreierreihe Sané-Gnabry-Havertz in Abstimmung mit Ilkay Gündogan und Goretzka die "verschiedenen Ebenen" bespielt, wie Löws es später auf der Pressekonferenz erklärte. Das klappte auch oft, beim Führungstor etwa, als Antonio Rüdiger einen langen Ball auf Havertz schlug, der quer zu Gnabry legte. Der Bayern-Spieler, dort ja bekanntlich Außenbahnflitzer, arbeitet damit weiter an seiner erstaunlichen Torquote im DFB-Trikot - er steht nun bei 15 Treffern in 19 Spielen.

Es lag dann aber vor allem am Beginn der zweiten Halbzeit, weswegen Löw nachher das Spiel als "besser als gegen Island" bezeichnete. Goretzka, Gnabry, Gündogan und wieder Gnabry vergaben exzellente Gelegenheiten zum 2:0 beziehungsweise scheiterten am hervorragenden rumänischen Torhüter Nita. "Da müssen wir vielleicht noch konzentrierter, vielleicht noch eiskalter sein", sagte Löw zu den Szenen. Die alte Fußballregel, wonach man hinten bestraft wird, wenn man vorne seine Chancen nicht versenkt, blieb dem DFB-Team dann erspart - Rumänien vergab seine beiden Chancen zum Ausgleich in der 87. und der 90. Minute.

Trotz des drohenden Ausgleichs war aber der Analyse des Bundestrainers zuzustimmen, wonach man kaum Chancen zugelassen habe. "Wir waren gut in der Balleroberung, haben hoch attackiert und uns aus der Abwehr ohne lange Bälle lösen können", sagte Löw. Und nannte das einen "Fortschritt zu einigen Spielen im vergangenen Jahr". Tatsächlich hatte seine Mannschaft ein Länderspiel ohne Gegentor im ganzen abgelaufenen Jahr 2020 nicht hingekriegt - teilweise waren auch neben dem 0:6 in Spanien wilde Auftritte dabei wie in Köln beim 3:3 gegen die Schweiz.

Das Abwehrproblem ist also zu lösen, das Stürmerproblem erst mal nicht. In der Bundesliga sieht man in dieser Saison eine wahre Wiedergeburt der starken Neuner, allerdings mit dem Schönheitsfehler, dass Robert Lewandowski, Erling Haaland, Wout Weghorst und André Silva aus Polen, Norwegen, den Niederlanden und Portugal kommen und sich das bis zum EM-Sommer auch nicht ändern wird.

Die Mannschaft braucht also weiter den spielerischen Ansatz und auch die "tiefen Läufe", die Löw bei nahezu jeder Analyse anspricht, um zu Chancen und Toren zu kommen. Vor allem gegen Weltmeister Frankreich im ersten EM-Gruppenspiel könnte das eine Herausforderung werden. Didier Deschamps' Team spielt gern aus einer stabilen Abwehr heraus steile Bälle auf den verboten schnellen Kylian Mbappé.

Aber dem Bundestrainer merkt man gerade einen finalen Pragmatismus an. Er coacht nicht mehr für eine sehr weit entfernte Zukunft, er coacht im Hier und Jetzt, lässt zweimal die gleiche Startelf auflaufen, wechselt nur sehr spät und gibt dem Team damit Sicherheit. Ein Team, dass jetzt übrigens auf dem Platz auch mehr miteinander spricht als in der Vergangenheit, wie Kai Havertz zu später Bukarester Stunde noch zugab.

Was war noch? Vor dem Spiel präsentierten die Nationalspieler die Rückennummern auf der Brust und wollten so auf die 30 Artikel in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen hinweisen. Also wieder ein Hinweis ans WM-Gastgeberland Katar - auch wenn es wahrscheinlich kaum ein Fernsehzuschauer ohne Erklärung verstand.

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