DFB-Pokalsieger:Modell Wolfsburg ist auf Dauer angelegt

Lesezeit: 2 Min.

Wolfsburg jubelt über den DFB-Pokalsieg - folgen bald weitere Titel? (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der VfL Wolfsburg hat Dortmund in die Falle gelockt und mit den eigenen Waffen geschlagen. Daran wird man sich gewöhnen müssen: Der neue DFB-Pokalsieger wird nicht so schnell wieder vom Markt verschwinden.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Mancher mag es geahnt, aber nicht unbedingt geglaubt haben. Zwar gab es Indizien während der laufenden Ligasaison, zum Beispiel diesen orkanartigen 4:1-Sieg zum Rückrunden-Auftakt in der Wolfsburger Arena, aber daran waren die Roten aus München noch beteiligt, wenn auch in einer ungewohnten Demutsrolle.

Nun aber ist es amtlich, geadelt als 90-minütiges Live-Spektakel durch einen Platz in der Samstagabend-Unterhaltung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens: Es gibt guten Fußball jenseits des FC Bayern! Es kann in Deutschland hochwertig gekickt werden, ohne dass zwangsläufig der Rekordmeister mitwirken muss.

Nicht nur in Duellen von hoher Spannung. Solche finden öfter statt, schon an diesem Montag wieder, wenn der Hamburger SV in der Relegation in Karlsruhe (Hinspiel 1:1) gegen seine Verbannung aus der Bundesliga kämpft. Sondern in Duellen, die sogar international ein Qualitätssiegel bekommen würden. Nun war das Pokalfinale kein Rasenschach, kein Abziehbild exzessiver Trainer-Grübeleien, es war Hin und Her, Samstagabend, gefällige Kost, aber geprägt von einer Intensität, wie sie sonst für die Champions-League-Abende reserviert ist.

VfL in der Einzelkritik
:De Bruyne überwindet die Schönspielerei

Kevin De Bruyne grätscht, rennt - und schießt ein schnörkelloses Tor. Luiz Gustavo wacht nach drei Jahren aus einem bösen Traum auf. Und Naldo hämmert die Freistöße wie immer aufs Tor. Der VfL Wolfsburg in der Einzelkritik.

Von Carsten Eberts, Berlin

Hat der BVB die Bühne frei gemacht?

Ausgerechnet in einer solchen Dramaturgie ging der Sieben-Jahres-Zyklus des Jürgen Klopp beim BVB zu Ende. Jenes Heißdüsen-Lehrmeisters, der auch den Höhepunkt seines Wirkens im Berliner Olympiastadion erlebt hatte, als er im Cupfinale 2012 den FC Bayern spektakulär 5:2 überfallen ließ.

Es ist nun eine sehr spezielle Ironie, dass dieser Klopp, der Großmeister des Überfall-Fußballs, in seinem letzten Spiel selbst Opfer einer solchen Strategie wurde. Dass er sich aus der Außenseiter- in die klassische Bayern-Rolle gedrängt sah, das Spiel gestalten zu müssen, dass dies mit Feinfüßlern wie Gündogan, Kagawa, Reus und Mkhitaryan zunächst ansehnlich zu gelingen schien - ehe Borussia dann doch in der Falle saß. Hineingelockt vom Belgier Kevin De Bruyne und einer höchst dynamischen Konterbande.

Pokalsieger VfL Wolfsburg
:Sieg für Malanda, Sieg für die Herzen

30 000 mitgereiste Fans, emotionales Gedenken an den verstorbenen Mitspieler: Der Wolfsburger Pokalsieg wird in Erinnerung bleiben. Der VfL erspielt sich Sympathien, die mit bloßer Anti-Kommerz-Rhetorik nicht so schnell wegzuwischen sind.

Von Carsten Eberts

Man wird sich an solche optische Täuschungen gewöhnen müssen. Das neue Modell aus der Autowerkstadt ist auf Dauer angelegt. Es wird nicht so schnell wieder vom Markt verschwinden wie jenes nach dem ersten Wolfsburger Titelgewinn, der Überraschungs-Meisterschaft 2009 mit Trainer Felix Magath und dem Torjäger-Duo Grafite und Edin Dzeko.

VW nutzt den Fußball zunehmend als Vehikel für den globalen Autoverkauf und hat jüngst das Siegel auf diese Politik bekommen. So, wie der Fußball in Wolfsburg instrumentalisiert werde, stellte die Europäische Fußball-Union Uefa fest, entspreche dies den (rätselhaften) Regularien des 'Financial Fairplay'. Kern der Uefa-Prüfung war die Frage, ob die Sponsorengelder, mit denen VW seine Konterbande alimentiert, in einem akzeptablen Verhältnis zum Werbewert des Klubs für das Autohaus stehen.

Wolfsburger Sieg im DFB-Pokal
:Erst beeindruckt, dann beeindruckend

Magische Momente überall: Der VfL Wolfsburg gerät gegen Borussia Dortmund früh in Rückstand, dreht das Spiel und gewinnt zum ersten Mal den DFB-Pokal. Die Spieler widmen den Sieg ihrem verstorbenen Freund Junior Malanda.

Von René Hofmann

Worin der Unterschied zu gewöhnlichen Rivalen wie Bremen oder Mönchengladbach liegt? Ganz einfach: In Wolfsburg genießen sie den Luxus, dass sie sich mehr Fehler leisten können. Vertun sie sich dort bei einem Zehn-Millionen-Transfer, schreiben sie das über die Konzernbilanz ab, irgendwo. Während andere Klubs mit höherem Folklore-Faktor solche Risiken gar nicht erst eingehen.

Und so hinterlässt dieses attraktive Cup-Finale auch Fragen: Eine davon ist, ob Jürgen Klopp und der BVB die Bühne frei gemacht haben für den nächsten, noch liquideren Herausforderer des FC Bayern.

© SZ vom 01.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: