Zweite Liga dominiert DFB-Pokal:Auf dem Höhepunkt ihres Daseins

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Reif fürs Nationalteam? Zumindest taugt der HSV-Stürmer Robert Glatzel als Beleg für die Klasse der zweiten Liga. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

In ihrer 50. Spielzeit ist die zweite Bundesliga so attraktiv wie vielleicht noch nie. Und der DFB-Pokal ist die Bühne, auf der die Klubs ihre Qualität beweisen können.

Von Philipp Selldorf, Köln

"Meilenweit" übertreffe der Stolz auf den Auftritt seines Teams den Schmerz über den Rauswurf aus dem DFB-Pokal, sagte Viktoria Kölns Trainer Olaf Janßen nach dem 0:2 gegen Eintracht Frankfurt. Man kann nun darüber streiten, warum er zur Verdeutlichung seiner Anerkennung statt der hierzulande gebräuchlichen Kilometer die angloamerikanische Maßeinheit Meile wählte, aber das wäre sehr kleinkariert. In Wahrheit zählt bloß, dass er fundierte Gründe für seinen Stolz hatte.

Viktoria hatte die Eintracht nicht mit wildem Pokalkampf in Schwierigkeiten gebracht, sondern ihr eine taktische Auseinandersetzung aufgezwungen. Das Drittligateam besaß in der zweiten Hälfte die spielerischen Vorteile und ließ die Akteure des Favoriten planvoll ins Leere rennen. Frankfurts Coach Dino Toppmöller stellte dazu mit Grüßen nach Saarbrücken fest, nicht nur diese Partie belege "die Qualität mancher Drittligisten".

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Der FC Bayern scheitert zum dritten Mal in vier Jahren in der zweiten Pokalrunde. Wer trägt die Hauptschuld daran: Trainer Tuchel, weil er falsch aufgestellt hat? Die Spieler? Oder doch der Klub mit seiner Personalpolitik?

Von Martin Schneider

Die Zeiten, in denen Handwerker und Theologiestudenten Pokalgeschichte geschrieben haben, liegen eine Weile zurück. Nur selten verirren sich noch Feierabendfußballer in den Wettbewerb. Berufsfußballer spielen gegen Berufsfußballer, die Klasse der Profis regelt den Unterschied, und gemäß den Gesetzen der Marktwirtschaft sind die besten Spieler in der ersten Liga anzutreffen. Oder?

Wie es aussieht, befindet sich die zweite Bundesliga in ihrer fünfzigsten Spielzeit auf dem Höhepunkt ihres Daseins. Ihre Besetzung ist attraktiv wie wohl nie zuvor: Sie vereint angejahrte Rekordmeister, notorische Chaosklubs, legendäre Provinzadressen und heruntergewirtschaftete Großstadt-Diven - Vereine, die schwierige Zeiten hinter sich haben oder weiterhin durchmachen. Trotzdem ist die zweite Liga kein Boulevardtheater für abgetakelte Altstars.

An Schauplätzen wie Kiel und Saarbrücken wird in schöner Regelmäßigkeit der Allmachtsanspruch des FC Bayern widerlegt

Ihre Zuschauerzahlen sind an vielen Orten deutlich höher als in der ersten Liga, und dass im Verhältnis von acht zu sechs mehr Zweit- als Erstligisten im Achtelfinale des DFB-Pokals stehen, ist ganz sicher kein Zufall. Unter anderem lässt sich das daran erkennen, dass jetzt die Zweitligisten Kaiserslautern, Paderborn und Hertha gegen ihre klassenhöheren Gegner Köln, Freiburg und Mainz jeweils 3:0 in Führung lagen - und am Ende auch als Sieger davongingen.

Die segensreiche Institution DFB-Pokal kann nicht oft genug dafür gelobt werden, dass sie solche sportlichen Vergleiche ermöglicht. Abgesehen davon, dass der Wettbewerb neuerdings in schöner Regelmäßigkeit an Schauplätzen wie Kiel und Saarbrücken den Allmachtsanspruch des FC Bayern widerlegt und damit eine ganze Fußballnation Erleichterung von der Münchner Tyrannei spüren lässt.

Dass sich die Ligen sportlich nähergekommen sind, dafür gibt es einige Indizien. Als neulich der TV-Experte Markus Babbel die Forderung erhob, Robert Glatzel, die 29 Jahre alte Sturmspitze des Hamburger SV, in die Nationalelf zu beordern, glaubte man zunächst an eine exzentrische Anwandlung. Doch wer das Glück hatte, am vorigen Samstag live das 3:3 zwischen Kaiserslautern und dem HSV zu erleben, wird sich sofort einreihen in die Glatzel-Unterstützer-Gruppe. Wie überhaupt der HSV mit seinem hochwertigen Kombinationsspiel regelmäßig Glanzmomente produziert, die man in der ersten Liga oft vergeblich sucht. Dass derselbe HSV typischerweise nur um ein paar Fingerspitzen vom Pokal-Aus in Bielefeld verschont blieb, zeugt von seinem besonderen Unterhaltungswert.

Neulich nach dem Scheitern des DFL-Investorenmodells haben Spitzenfunktionäre in München, Dortmund und Frankfurt der zweiten Liga wegen Ungehorsams die Sezession in Aussicht gestellt. Dann werde sie allein zurechtkommen müssen. Dieses Manöver drückte nicht nur Arroganz und eine im Übrigen inhaltsleere Drohung aus - es enthielt auch eine grundlegende Fehleinschätzung zum Rang und zur Bedeutung der zweiten Liga.

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