DFB-Pokal:Seltsamer Sinneswandel bei Türkgücü

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Hat die Partie zwischen Schweinfurt und Schalke gerichtlich verhindert: der Münchner Verein Türkgücü München. (Foto: Markus Fischer/imago images)

Der Münchner Klub hat die Partie zwischen Schweinfurt und Schalke gerichtlich verhindert, weil er sich selbst als legitimen Pokalteilnehmer sieht. Das war nicht immer so.

Von Christoph Leischwitz, München

Es handelt sich um eine ziemlich langlebige einstweilige Verfügung, die Türkgücü München beim Landgericht erwirkt hat, sie wird mindestens drei Tage alt werden. Und die Frage, die sich auch gut 24 Stunden nach der Absetzung des Pokalspiels von Schalke 04 gegen den FC Schweinfurt viele stellen ist: War es Absicht, dass diese Verfügung am Freitagnachmittag nicht mehr gestoppt werden konnte, weil auch bei Gericht das Wochenende anstand? Und hatte Türkgücü überhaupt geplant, an diesem Wochenende gleich in die Bresche zu springen? Immerhin spielte der Drittligist am Samstagnachmittag ein Testspiel in der Schweiz, das Türkgücü 3:1 gegen St. Gallen gewann.

Nein, der Zeitpunkt sei keine Absicht gewesen, sagt zumindest Türkgücüs Geschäftsführer Max Kothny. Man habe erst die Meldung des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) abwarten müssen, mit der die am Pokal teilnehmenden Mannschaften an den DFB gesendet werden. Erst danach habe man tätig werden können. Man sehe sich selbst als legitimen Pokalteilnehmer.

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Kurz vor dem Auftakt im Pokal greift das Münchner Landgericht ein: Drittligist Türkgücü soll den Platz des 1. FC Schweinfurt 05 einnehmen und gegen S04 spielen - aber nicht an diesem Wochenende.

Der BFV hatte kurzfristig noch die Spielordnung geändert, strich einen Zusatz, der besagte, dass die beste Amateurmannschaft im DFB-Pokal spielt, wenn zum Zeitpunkt der Pokal-Meldefrist die Regionalliga ihren Spielbetrieb aufnimmt. Diesen Vorgang sehe er als "Schuldeingeständnis" des Verbandes an, sagt Kothny, 23. Es zeige, dass man der rechtmäßige Teilnehmer ist. Das hat aber Türkgücü selbst offenbar nicht immer so gesehen. Denn nach SZ-Informationen war der Verein lange Zeit davon ausgegangen, nicht im DFB-Pokal zu spielen. Mehr noch: Türkgücü hatte Schweinfurt mindestens einmal schon als Pokalteilnehmer akzeptiert.

Der Verband war davon ausgegangen, dass sich alle drei Vereine mit der Lösung zufriedengeben

Die Vorgeschichte: Die Regionalliga Bayern ist die einzige vierte Liga, die den Spielbetrieb der Saison 2019/20 nur unter-, aber nicht abgebrochen hat, und in Kürze wieder aufnimmt. Zum Zeitpunkt der Unterbrechung führte Türkgücü die Liga mit neun Punkten Vorsprung an. Jedoch nahte nun der Zeitpunkt, zu dem ein bayerischer Aufsteiger sowie zwei Pokalteilnehmer an den DFB gemeldet werden mussten. Diese Meldung erfolgte formal erst am vergangenen Wochenende, weil der BFV noch den Sieger des Toto-Pokals (1860 München) abwarten musste.

Dass Türkgücü in die dritte Liga aufsteigt, Schweinfurt einen Startplatz für den DFB-Pokal erhält und obendrein die SpVgg Bayreuth im kommenden Kalenderjahr noch eine Möglichkeit erhält, sich für die Aufstiegsspiele zur dritten Liga zu qualifizieren - das alles war im Sommer über mehrere Wochen hinweg mit diesen drei Vereinen sehr oft besprochen worden. Der Verband war erstens davon ausgegangen, dass sich alle drei Klubs mit dieser Lösung zufriedengeben. Zweitens hielt man die Lösung, von einer renommierten Anwaltskanzlei begleitet, rechtlich auch für einwandfrei umzusetzen. Dann war auch monatelang von Türkgücü zu diesem Thema nichts zu hören gewesen.

Was daran liegen könnte, dass Türkgücüs Präsident Hasan Kivran im Sommer dem Plan auch schon einmal zugestimmt hatte. Denn nach SZ-Informationen kam es am 31. Juli in einem Münchner Café zu einem Treffen zwischen Kivran und BFV-Präsident Rainer Koch, in dem Kivran unmissverständlich sein Okay zu den Plänen gegeben haben soll, Schweinfurt in Pokal antreten zu lassen. Koch wollte demnach mit diesem Treffen sichergehen, dass es nicht zu juristischen Auseinandersetzungen in letzter Minute kommen würde.

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Der Verband hatte also auch durchaus mit so einem Schritt gerechnet - dem Vernehmen nach geht man in der BFV-Zentrale sehr wohl davon aus, dass der Zeitpunkt der einstweiligen Verfügung genau so gewollt war. Eine rechtliche Absicherung wurde aber am Freitag vom Landesgericht nicht berücksichtigt. In diesem Zusammenhang ist die Stellungnahme des BFV am späten Freitagabend zu sehen, in der es heißt: "Das Gericht hat sich nicht mit den notwendigen Anforderungen an die Durchführung eines Spielbetriebs auseinandergesetzt." Dem werde man im Widerspruchsverfahren am Oberlandesgericht entgegentreten.

Rechtlich wird die einstweilige Verfügung für langfristigen Zoff sorgen

Schon Mitte August war eine Beschwerde von Türkgücü beim Verbandssportgericht eingegangen, wonach der Verein nicht ans Tabellenende der Regionalliga gesetzt werden möchte. Was aber notwendig gewesen war, denn Türkgücü war ja für die dritte Liga gemeldet, und der Verein kann ja schlecht in zwei Ligen spielen. Kurz nach dieser Beschwerde hatte Türkgücüs Pressesprecher Roman Plesche auf die SZ-Anfrage, ob man rechtliche Schritte erwäge, noch geantwortet: "Wahrscheinlich nicht." Ende August wiederholte er, dass es "nie eine Vereinbarung" gegeben habe über den Pokal-Verzicht.

Dass aber der Verein lange Zeit davon ausgegangen war, nicht im DFB-Pokal spielen zu können, ist auch aus dem Umfeld der Spieler zu hören. Im Mai hatte der Spielerrat der Mannschaft von der Vereinsspitze ausgerichtet, dass mehrere Akteure auf Gehalt verzichten sollten - dies sei unbedingt nötig, um die dritte Liga finanziell stemmen zu können (die SZ berichtete). Nach SZ-Informationen war die Forderung auf Gehaltsverzicht auch mit der Tatsache verknüpft worden, dass man nicht im Pokal antreten werde und so eingeplante Einnahmen wegfallen. Im Juni hatte Kivran gegenüber Spielern bekräftigt, dass man "zu 99 Prozent" nicht im Pokal spielen werde.

Rechtlich wird die einstweilige Verfügung für langfristigen Zoff sorgen und viele Fragen aufwerfen, etwa jene, wer eigentlich für die entstandenen Kosten wegen eines ausgefallenen Pokalspiels aufkommen muss. Doch insbesondere Türkgücüs Präsidenten geht es nicht allein um eine Teilnahme am DFB-Pokal, ein anderes Ziel ist mindestens genauso wichtig: so viel Aufmerksamkeit zu erringen wie möglich - was mit dem Gang vors Gericht zweifelsfrei gelungen ist.

In Schweinfurt übrigens zeigte man sich "schockiert" von der Absetzung des Spiels auf Schalke

Im vergangenen Februar hatte Kivran der SZ ein Interview gegeben, in dem er die Stadt München dafür kritisierte, dass man "nicht gewollt" sei - er spiele mit dem Gedanken, den Verein nach Nordrhein-Westfalen zu verlagern. Auch damit hatte er viel Aufmerksamkeit gewiss. Später war allerdings zu erfahren, dass Kivran zu diesem Zeitpunkt schon vom Verband mitgeteilt bekommen hatte, dass so ein Schritt formal gar nicht möglich ist.

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Formal bleibt für Türkgücüs juristische Intervention nur der Vorwurf übrig, dass der BFV kurzfristig seine Spielordnung geändert habe. An sich ein legitimer Vorgang, für den es nur eines Vorstandsbeschlusses bedarf. Kothny kritisiert, dass folgender Satz "über Nacht" gestrichen wurde: "Sollte zum Zeitpunkt der DFB-Pokal-Meldefrist der Spielbetrieb in der Regionalliga Bayern fortgesetzt worden sein, spielt die zu dem Datum beste Amateurmannschaft im DFB-Pokal." Allerdings war Türkgücü zu besagtem Zeitpunkt schon ans Tabellenende gesetzt. Zweitens heißt es seit jeher in Paragraph 19 der Spielordnung, dass das "zum Zeitpunkt des Datums des Ablaufs der offiziellen Meldefrist" für die dritte Liga gemeldete Team "mit diesem Tag" aus der Regionalliga ausscheidet. Mit anderen Worten: Die Spielordnung legt nahe, dass Türkgücü nur eines haben kann: Als beste Amateurmannschaft im DFB-Pokal antreten - oder sich aus der Wertung der Regionalliga nehmen zu lassen und in die dritte Liga aufzusteigen.

In Schweinfurt übrigens zeigte man sich "schockiert" von der Absetzung des heiß ersehnten Spiels auf Schalke. Zugleich hielt man sich aber mit Kritik zurück und merkte an, dass es sich jetzt um eine "Sache der Juristen" handele. Zumindest mit diesem Satz haben sie schon einmal Recht.

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