DFB gegen Löw/Bierhoff:Stabile Eiszeit

Lesezeit: 3 min

Auch nach kurzem Dialog bleibt das Verhältnis zwischen DFB-Chef Zwanziger und Trainer Löw angespannt. Der Prügelknabe aus Sicht des DFB heißt Bierhoff.

Thomas Kistner

Belebend war der gemeinsame Wochenendausflug nach Polen für die Spitzenkräfte von Deutschem Fußball-Bund und Nationalteam nur insofern, als das frostige Innenverhältnis nun in aktuelle Fernsehbilder gekleidet werden konnte. Bewegt hat sich die Kältefront nicht, Eiszeit herrscht zwischen den DFB-Granden, Verbandschef Theo Zwanziger und Generalsekretär Wolfgang Niersbach, sowie den leitenden Angestellten, Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff.

Nur zu zweit zu haben: Joachim Löw (hinten) und Oliver Bierhoff. (Foto: Foto: AP)

Ändern dürfte sich daran wenig in den nächsten Monaten, die zur WM in Südafrika hinführen. Löw will vor dem die Welt berührenden Ereignis "auf keinen Fall noch mal verhandeln" und sieht eine Zukunft über die WM hinaus beim DFB nur an Bierhoffs Seite. Auf den hat sich indes die DFB-Spitze samt beigeordnetem Medientross eingeschossen.

Ein Prügelknabe muss her beim finalen Freistil-Ringen um Fußball-Deutschlands liebstes Kind, die Nationalelf. Die Gemengelage beim Zwangsausflug zur EM-Auslosung stellte sich so dar: Während in Warschau von DFB-Seite weiter der Eindruck befördert wurde, man habe sich erstens mit so dreisten Forderungen von Löw, Bierhoff und Co, konfrontiert gesehen, dass sich jedes klärende Wort dazu erübrigt hätte, und zweitens festgestellt, das Ganze sei sowieso nur ein Bierhoffsches Ego-Projekt, dem der brave Jogi und seine Trainergesellen Flick und Köpke auf den Leim gingen, zeigte der Bundestrainer mit bemerkenswerter Leidenschaft, dass zumindest letzteres nicht zutrifft.

Vor jeder Kamera legte er dar, dass Bierhoffs Vorgehen beim Vertragspoker in Absprache und vollem Einklang mit dem Trainertrio stattgefunden habe - und er verknüpfte sein Angestelltenschicksal beim DFB mit der Personalie Bierhoff. Was eingedenk der DFB-Version, dass Bierhoff ihn nur für seine Zwecke gebrauche, zwei Schlüsse anbietet:

Entweder sie ist falsch, und Bierhoff hat doch für alle agiert, die sich dabei im Vollbesitz ihrer Geisteskräfte befanden - oder es hat eine Gehirnwäsche stattgefunden, die weiter anhält und schlimmste Befürchtungen für die WM nähren muss. Löw nämlich erläuterte am Sonntag: "Bierhoff war jahrelang mein Partner, er hat immer hervorragende Arbeit geleistet und mich und unser Team im DFB-Präsidium immer gut vertreten" - sie stehen weiter fest zusammen.

Die Schwarzweiß-Nummer mit dem lieben Jogi und dem bösen Olli funktioniert nicht so recht, da wartet eine harte Nuss auf Zwanziger und seinen General. Auch sonst gibt es mancherlei Klärungsbedarf in dieser Causa, aus der sich gerade die Verbandsleute nicht mit Diskretionsverweisen manövrieren können. Unbeantwortet ist die Schlüsselfrage zum Verständnis des Zerwürfnisses: Wie sind vertrauliche Inhalte aus den Vertragsgesprächen samt dem unpopulären Teil der Forderungen von Löw und Co. immer wieder bei Bild gelandet?

Lesen Sie weiter auf Seite 2

Stimmen zur EM-Auslosung
:"Das weckt Patriotismus"

Österreichs Held von Cordoba wittert eine Chance für seine Nachfolger, Vogts freut sich über Geld für die Jugend und van Buyten scherzt.

Stimmen zur EM-Auslosung

Es kommt vor, dass aus kleinen Zirkeln Dinge durchsickern, wenn es jedoch so flott und fortgesetzt passiert, riecht das nach gesteuerter Medienkampagne. Löw hat das besonders verschnupft, weshalb der DFB der undichten Stelle ernsthaft nachspüren sollte. Auch Zwanziger ist ja öffentlich empört: "Vom DFB hat niemand etwas rausgegeben, Niersbach nicht, ich selbst nicht, es hat auch niemand mit meiner Billigung getan."

Im Löw/Bierhoff-Lager jedoch ist der Informant kaum zu suchen: Warum sollte sich die Gruppe mit unvorteilhaften Details aus dem eigenen Forderungskatalog erst öffentlich unter Druck setzen und dann von jenen Medien attackieren lassen, die sie zuvor selbst mit den pikanten Details versorgten? "Übernahmeversuch gescheitert", urteilte Bild-Kolumnist und DFB-Präsidiumsmitglied Franz Beckenbauer stellvertretend für das gegnerische Lager.

"Ich bin stark verärgert über den Ablauf der letzten Woche", sagte Löw am Sonntag und schloss den Schmerz mit ein, den ihm nach sechsjähriger Verbandsarbeit das 48-Stunden-Ultimatum des DFB-Seite bereitet: "Ich bin Bundestrainer und leitender Angestellter." Im Kurzdialog mit Zwanziger war es hauptsächlich um den angeblichen "Handschlagvertrag" vom 15. Dezember gegangen, den es laut Löw nie gab.

Zwanziger habe ihm große Irritation mitgeteilt, weil durch die Klarstellung des Bundestrainers der öffentliche Eindruck entstand, er habe "Unwahrheiten verbreitet oder sei daran beteiligt gewesen - das war von mir nie beabsichtigt", sagte Löw. Die unterschiedliche Gesprächsinterpretation bleibt aber auch hier. Zwar sieht Zwanziger Löw weiter als "ersten Ansprechpartner" nach der WM, doch Löw bleibt skeptisch, "ob wir dann noch gefragt werden und auch zu Gesprächen bereit sind."

Die Normalität, zu der beide Seiten übergehen wollen, kann es eingedenk des eisigen Verhältnisses nicht geben. Auch öffentlich ist manches noch zu klären, wie der Vorwurf an Löw/Bierhoff, sie hätten sich beim Vertragspoker als Raffzähne gebärdet und für alle vier Beteiligte einen Bonus in Höhe jeweils eines Jahresgehalts gefordert.

Nach SZ-Informationen stand ein - ausdrücklich verhandelbarer - Komplettbetrag im unteren einstelligen Millionenbereich zur Debatte. Daraus lässt sich ein Betrag von um die drei Millionen ermitteln, der nicht die Summe der Jahreseinkünfte des Quartetts wiedergibt, sondern eher die Hälfte. Refinanzierungsangebote gab es auch, denkbar sind Lösungen aus der Vermarktung oder ein, zwei zusätzliche Länderspiele; zwei Millionen pro Match wird als TV-Einnahme angesetzt.

© SZ vom 08.02.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: