DFB:Keller attackiert die "Schlangengrube"

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Erhebt schwere Vorwürfe: Der frühere DFB-Präsident Fritz Keller (links) greift seinen Gegenspieler Rainer Koch massiv an. (Foto: O.Behrendt/Contrast/imago)

Der ehemalige DFB-Präsident äußert sich in einem Interview mit heftigen Worten zu den Zuständen beim DFB, den er einen "Selbstbedienungsladen" nennt. Zentrum seines Angriffs ist der ehemalige Vize- und jetzige Interimschef Rainer Koch.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, München

Es war wohl wieder nur ein Zufall: Am vergangenen Freitag traf sich das Präsidium des Deutschen Fußball-Bundes, in der Sitzung sollte sich Interimschef Rainer Koch wegen neuer Enthüllungen in der Affäre um den Medienberater Kurt Diekmann rechtfertigen. Dann wurde, Stunden vor dem Treffen, publik, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt das Verfahren gegen Koch im Zuge ihrer DFB-Steuerermittlungen eingestellt hat. Zwar hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Aber so konnte sich der 62-Jährige passgenau als frisch entlastet darstellen. Nur war der Entscheid der Staatsanwaltschaft schon anderthalb Wochen vor der Sitzung ergangen.

Die Steuer-Thematik bei der Staatsanwaltschaft ist für Koch persönlich erledigt (während sie für drei andere Beschuldigte sowie den DFB weitergeht). Viele andere Sachverhalte sind es nicht. Insbesondere die heiklen Fragen in der Diekmann-Affäre beschäftigen die Präsidiumsmitglieder weiter. Am Freitag musste sich Koch dem Vernehmen nach harter Angriffe erwehren. Beunruhigte Amtsträger wie sein Co-Interimschef Peter Peters wollen die Hintergründe dieser abenteuerlichen Causa, in der selbst in- und externe Prüfer nicht nachvollziehen können, wofür der Kommunikationsagent 360 000 Euro erhielt, endlich genau erklärt haben. Jetzt folgt das nächste Kapitel: Der frühere DFB-Präsident Fritz Keller erhebt schwere Vorwürfe gegen Koch und dessen Mitstreiter.

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Die Steuer-Causa rund um den Verband und die Einnahmen aus Länderspielen ist damit allerdings noch nicht vorbei. Die Ermittlungen gegen drei Beschuldigte dauern an.

Keller hatte im Mai als Verbandsboss abdanken müssen, weil er in einem zehrenden Machtkampf mit Koch, dem inzwischen zurückgetretenen Generalsekretär Friedrich Curtius sowie Schatzmeister Stephan Osnabrügge seinen unter anderem für Rechtsfragen zuständigen Vize Koch als "Freisler" bezeichnet hatte - in Anlehnung an einen hohen Richter der Nazi-Justiz. Sechs Monate später und kurz vor der Kür eines neuen DFB-Chefs greift er in einem Interview mit der Sport Bild seine früheren Gegenspieler massiv an.

Koch gehe "jeglicher moralischer Kompass" ab, sagt Keller

Der Verband sei ein "Selbstbedienungsladen". Ex-Generalsekretär Curtius und Schatzmeister Osnabrügge fehlten "sowohl die fachlichen als auch die menschlichen Qualifikationen". Curtius habe gar keine Veränderungen gewollt, der Arbeitsrechtler Osnabrügge entscheide auch mal gegen den Rat interner und externer Fachleute. Checks-and-Balances-Kontrollen würden einfach ausgehebelt - durch diskrete Absprachen und abgestimmtes Vorgehen. "So gefährdet man die Reputation des DFB, auch die Anerkennung als gemeinnützigen Verband und die damit verbundenen steuerrechtlichen Vorteile. Am Ende ist das Geld, das dem Amateurfußball verloren geht", sagt der Unternehmer Keller.

Am meisten schießt sich Keller jedoch auf Koch ein. Dieser sei jemand, "dem nach meinem Befinden jeglicher moralischer Kompass abgeht". Er habe aus dem DFB einen "Closed Shop" und eine "Schlangengrube" gemacht, schmiede seit Jahren Intrigen und setze Mitarbeiter unter Druck. Der DFB nehme massiv und langfristig Schaden. Es werde Zeit, "dass das ein Ende hat". Beim Neuanfang des DFB, der auf dem Bundestag im März erfolgen soll, dürfe Koch gar keine Rolle mehr spielen - in keiner wichtigen Funktion. Auch deshalb ist Keller "fassungslos, dass sich einige Landesfürsten immer noch von ihm so instrumentalisieren lassen".

Zur Untermauerung dieser grundsätzlichen Vorwürfe trägt der Ex-Präsident diverse konkrete Beispiele vor. Keller ist fest überzeugt, dass Koch "die Schmutzkampagnen gegen Vorgänger von mir und mich über den vom DFB bezahlten Medienberater Kurt Diekmann mindestens mitinitiiert" habe.

Der DFB sagt dazu, er nehme Kellers Aussage "mit Irritation zur Kenntnis"

Ein weiteres frappierendes Beispiel liefert die Causa von Kellers früherem Büroleiter Samy Hamama, der im Zuge des Machtkampfes entlassen worden war, weil er angeblich gegen Befugnisse verstoßen habe, als er sich intern in Kellers Auftrag bestimmte Materialien zum mysteriösen Diekmann-Vertrag besorgen wollte. Das mündete in eine arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung. Laut Keller sei Hamama vor dem Rauswurf signalisiert worden, "dass seine Karriere keinen Schaden nehme, wenn er Belastendes gegen mich liefert. Als Hamama dies ablehnte, wurde ihm nur Stunden später fristlos gekündigt." Dies habe Hamama auch vor der Staatsanwaltschaft ausgesagt.

Gestürzte Präsidenten können schon mal tüchtig auspacken gegen frühere Widersacher. Aber in dieser Wucht und Klarheit gab es das noch nicht. Konkret zu Kellers Vorwürfen rund um Diekmann und Hamama sagt der DFB auf Anfrage nichts. Der Verband sagt allgemein, er nehme "die Anschuldigungen von Fritz Keller und seine Sicht auf die Vergangenheit mit Irritation zur Kenntnis". Bei vielen Aussagen in dem Interview handele es sich um "Tatsachenbehauptungen, die durch keinerlei Fakten gedeckt und damit haltlos sind, im Übrigen um Wertungen, die wir nicht teilen".

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Koch selbst lässt sich wie üblich offiziell nicht ein, dafür steigen seine Paladine wie sein bayerischer Vize Reinhold Baier mit routinierter Augenwischerei auf die Rampe. Dass just Keller den Zeigefinger erhebe, der sich schon mehrfach im Ton vergriffen habe, intoniert Baier. Als ginge es um Stilfragen und nicht darum, wie der Verband runtergewirtschaftet wird.

Die neue Attacke verstärkt den generellen Druck, der wegen der Diekmann-Affäre auf Koch & Co. lastet. Denn seit Kurzem ist die Glaubwürdigkeit des Verbandes in der Causa weiter erodiert. Der DFB behauptete stets, dass Diekmann erst im Frühjahr 2019 eigeninitiativ auf den DFB zugekommen und zwischen April 2019 und Oktober 2020 für den Verband tätig gewesen sei; im Kern, um die Arbeit der Firma Esecon zu Unregelmäßigkeiten in der Partnerschaft mit dem Vermarkter Infront kommunikativ zu begleiten. Nun zeigen SZ-Recherchen, dass schon im Februar 2019 Diekmann in die Beantwortung von Medienanfragen zu heiklen DFB-Interna involviert war - und dass der DFB auf einer internen Liste des Agenten über ausstehende Zahlungen vermerkt wurde.

Die abenteuerliche Konstruktion eines voll haftenden Frühstücksdirektors wird bald wieder abgeschafft

Das ist brisant, weil bis April 2019 Reinhard Grindel der DFB-Präsident war - und von Diekmanns Umtrieben im DFB-Umfeld nicht die leiseste Ahnung hatte. Der Agent wiederum arbeitete zu jener Zeit mit dem Spiegel zusammen, er brüstete sich Magazin-Journalisten gegenüber damit, zu Grindels Sturz beigetragen zu haben. Wenn Diekmann also vor April 2019 verdeckt für DFB-Spitzenleute gearbeitet hat - wie sonst kam er an interne Fragenkataloge? -, würde das den Verdacht nähren, dass die Hintergründe anders waren als bisher behauptet.

Auch die Vorwürfe Kellers lassen sich nicht einfach mit dem Hinweis vom Tisch wischen, der sei doch nur als Präsident ohne Richtlinienkompetenz akquiriert worden. Letzteres trifft zwar teilweise zu, es wird aber aufgehoben durch den Umstand, dass Keller zugleich eine juristisch volle Mithaftung aufgebürdet worden war. Allein dieses merkwürdige Konstrukt stärkt den Eindruck, dass ein ahnungsloser Externer reingeholt wurde, den man an der kurzen Leine führen wollte. Nach dem Motto: Halte dich raus, mach keinen Ärger und keine Alleingänge - es könnte am Ende auch dein Schaden sein.

Diese abenteuerliche Konstruktion eines persönlich voll haftenden Frühstücksdirektors an der DFB-Spitze wird gerade wieder abgeschafft. Denn ansonsten würde der DFB im März 2022 gar keinen Kandidaten für das Amt mehr finden. Aber die Pflicht, all diese Merkwürdigkeiten aufzuklären, sehen Koch & Co offenkundig noch immer nicht.

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