Deutscher Fußball-Bund:Der geheime Helfer des DFB

Deutscher Fußball-Bund: Medienberater Kurt Diekmann.

Medienberater Kurt Diekmann.

(Foto: Heilscher)

Wofür erhielt Medienberater Kurt Diekmann 372 000 Euro vom Fußball-Verband? Diese Frage steht seit Monaten im Zentrum des DFB-Chaos. SZ-Recherchen legen nahe: Top-Funktionäre um Interimschef Rainer Koch haben im Bezug auf dessen Wirken die Unwahrheit gesagt.

Von Johannes Aumüller, Claudio Catuogno und Thomas Kistner

Der Machtkampf an der Spitze des Deutschen Fußball-Bundes ist längst eine Art unendliche Geschichte. Ein Präsident nach dem anderen wird verschlissen, Affäre folgt auf Affäre, kaum ist ein düsteres Kapitel zu Ende, beginnt schon das nächste. Das haben unendliche Geschichten so an sich.

Jetzt muss allerdings ein zentrales Kapitel noch mal umgeschrieben werden. Der Geschichte muss ein neuer, bisher unbekannter Sachverhalt hinzugefügt werden, der vieles in einem anderen Licht erscheinen lässt, und der auch Folgen haben dürfte für Teile der aktuellen DFB-Spitze um den ewigen Vize- und heutigen Interims-Präsidenten Rainer Koch, 62.

Anfang Februar 2019 - dieses Datum ist entscheidend für die neue Version der Geschichte - erreichte den DFB eine Anfrage des Magazins Der Spiegel, die es in sich hatte. Es ging um teure Funktionärsreisen, um Beraterverträge für alte Kameraden, um ausschweifende Feierlichkeiten auf Kosten des Verbandes und um mögliche Steuerprobleme, die aus all dem resultieren könnten. Der 57 Punkte umfassende Fragenkatalog stützte sich auf ein internes Papier, welches ein früherer Finanz- und Compliance-Chef des DFB verfasst hatte, Ulrich Bergmoser. Was da an Vorwürfen zusammenkam, zeichnete ein alarmierendes Sittenbild des mit fast sieben Millionen Mitgliedern größten Sportfachverbandes der Welt.

Die Artikel, die aus den damaligen Spiegel-Recherchen entstanden, sollten im deutschen Fußball schon kurz darauf enorme Sprengkraft entwickeln. Nicht zuletzt trugen sie zum späteren Sturz des DFB-Präsidenten Reinhard Grindel bei. Mit hohen Funktionärskollegen hatte sich Grindel seinerzeit schon überworfen, am 2. April 2019 trat er schließlich zurück, letztlich, weil er sich eine teure Uhr hatte schenken lassen. Es war das spektakuläre Ende einer unglücklichen Präsidentschaft.

Diekmann bekam einen ungewöhnlich üppigen Vertrag beim DFB

Aus heutiger Sicht muss man allerdings sagen: Mindestens genauso spektakulär wie die Affäre selbst ist die Erkenntnis, durch wessen Hände die brisante Spiegel-Anfrage damals ging. Denn am 5. Februar 2019 - noch in Grindels Amtszeit also - wurde für die Antwort an das Nachrichtenmagazin beim DFB eine schillernde Person eingeschaltet: Kurt Diekmann, diskreter Medienberater und Nachrichtenhändler aus Wesel am Niederrhein.

Kurt Diekmann? Das ist jener Mann, der inzwischen im Zentrum der aktuellen DFB-Affäre steht. Sein diskretes Wirken für hohe Verbandsleute interessiert Buchprüfer, Compliance-Leute und Funktionäre, die Öffentlichkeit und sogar staatliche Ermittler. Denn im Herbst 2019 war Diekmann vom DFB mit einem ungewöhnlich üppigen Vertrag ausgestattet worden: 360 000 Euro sollte er fortan für seine Dienste erhalten. Und viele, intern wie extern, wüssten gerne: Wofür genau - das viele Geld?

Bislang unbekannte Dokumente, die der SZ vorliegen, zeigen nun Brisantes: dass Diekmann schon deutlich früher für den DFB tätig war, als dessen Spitzenfunktionäre stets behauptet haben. Außerdem offenbaren die SZ-Recherchen, dass der Berater innerhalb des DFB an völlig anderen Schauplätzen tätig war, als bisher erzählt wurde. Die DFB-Oberen, so stellt es sich nun dar, haben in der Sache sowohl der Öffentlichkeit als auch ihren eigenen Prüfgremien nicht die Wahrheit gesagt. Und sie schweigen auch jetzt - auf konkrete Fragen zu diesem Sachverhalt.

Deutscher Fußball-Bund: Aktuell Interimspräsident des DFB: Rainer Koch.

Aktuell Interimspräsident des DFB: Rainer Koch.

(Foto: Huebner/Ulrich/Jan Huebner/Imago)

Als Anfang Februar 2019 der umfangreiche Fragenkatalog des Spiegel einging, formulierte zunächst der damalige DFB-Mediendirektor Ralf Köttker einen Antwort-Entwurf. Üblicherweise wurde bei Anfragen von derartiger Brisanz so verfahren, dass ein Vorschlag von Köttker zunächst an den Präsidialausschuss ging, dem das Trio Rainer Koch (Vizepräsident), Friedrich Curtius (Generalsekretär) und Stephan Osnabrügge (Schatzmeister) angehörte, dazu Grindel als Präsident sowie ein, zwei Vertreter des Ligaverbandes DFL. Deren Änderungen oder Ergänzungen wurden dann von der DFB-Medienstelle in die finalen Antworten eingebaut.

Der SZ liegt eine Bearbeitung von Köttkers damaligem Antworten-Katalog vor, die ausgerechnet von jenem Mann stammt, der damals angeblich noch überhaupt nicht für den DFB tätig war: Kurt Diekmann. Rot markiert brachte Diekmann seine Anmerkungen zum Entwurf des Medienchefs an. Mal spitzte er eine Antwort etwas zu, mal monierte er die Verwendung eines Wortes, mal formulierte er fachkundig die Hoffnung, dass ein Sachverhalt nicht "schon durchgestochen und entsprechend ,schief' dargestellt worden ist. Darüber sollten wir reden ...". An anderer Stelle wünscht sich Diekmann Einblick in eine anwaltliche Mail - "bevor ich zu dem Satz etwas sage".

Die Anmerkungen Diekmanns zeugen von Sachkenntnis

Der Ton ist routiniert. Die Anmerkungen sind themensicher. Zeigt man das Dokument Hans-Joachim Eckert, der lange Strafrichter am Münchner Oberlandesgericht war und zudem der Chefrichter jener Fifa-Ethikkommission, die 2015 den Weltverbandschef Sepp Blatter zu Fall brachte, dann befindet Eckert: "Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier schon vorher eine Verbindung bestand. Da bringt jemand Korrekturen an, der schon länger Fachwissen zu diesen Dingen haben muss." Was auch ausschließe, dass der Vorgang als privates Gefälligkeitsgutachten dargestellt werden könne, "wenn ein Externer mit so viel Sachkenntnis in eine Beratungstätigkeit eingebunden wird, die nur den DFB betrifft und sonst niemanden".

Tatsächlich war der damalige Vorgang inhaltlich höchst sensibel. Lustreisen, mögliche Vetternwirtschaft, verprasste Gelder? 2020 hatte der DFB auf eine SZ-Nachfrage sogar eingeräumt, dass er Bergmosers alarmierenden Vermerk samt Anmerkungen bereits Anfang 2019 der Staatsanwaltschaft zur Kenntnis gebracht habe, "um eigeninitiativ Aufklärung zu schaffen". Nun also eine drohende Spiegel-Story: Wer würde in dieser Situation einen völlig Unbekannten, noch dazu einen Nachrichtenhändler, aus dem Nichts in die Problemlösung involvieren? Offenkundig ist die routinierte Medienanalyse im Februar 2019 nicht der erste Austausch mit Diekmann zu tiefsten DFB-Interna.

Deutscher Fußball-Bund: Trat als DFB-Generalsekretär zurück: Friedrich Curtius.

Trat als DFB-Generalsekretär zurück: Friedrich Curtius.

(Foto: Schüler/Imago)

Das allerdings darf rückblickend auf keinen Fall so gewesen sein! Zu jenem Zeitpunkt war Diekmann den offiziellen Verlautbarungen zufolge nämlich beim DFB noch weitgehend unbekannt - und hat keinesfalls für ihn gearbeitet. Denn seinerzeit arbeitete Diekmann ja unter anderem: für den Spiegel! Als bezahlter Informant. Wie passt das also alles zusammen?

Angaben zu seiner Geschäftsverbindung mit Kurt Diekmann hat der DFB in den vergangenen Monaten lange nur scheibchenweise und äußerst ausweichend gemacht. Diekmann sei demnach "im Frühjahr 2019" aus eigenem Antrieb auf den DFB zugegangen und habe seine Dienste angeboten, lautet die bisherige Version. Es habe dann ein Gespräch mit dem damaligen Generalsekretär Curtius gegeben, schlussendlich sei Diekmann "von April 2019 bis Oktober 2020" für den DFB tätig gewesen. Und zwar streng projektbezogen: Er war demnach "insbesondere" zuständig für die mediale Begleitung zweier Untersuchungen, mit denen damals ein weiterer externer Player beim DFB befasst war, die Forensiker-Firma Esecon. Diese sollte - Projektname "Hydra" - einerseits Unregelmäßigkeiten in der Partnerschaft des DFB mit seinem damaligen Vermarkter Infront untersuchen, und andererseits noch einmal den dubiosen Geldflüssen rund um die deutsche WM 2006 nachspüren. Zwar war die "mediale Begleitung" dieser Untersuchungen überschaubar; die Esecon-Berichte hält der DFB sogar bis heute unter Verschluss. Dennoch: In diesem Bereich sei Diekmanns Arbeit für den Verband wertvoll gewesen, wird behauptet.

Vor besonders großem Publikum beteuerte Rainer Koch diese Version im Mai 2021, bei einem Besuch im ZDF-Sportstudio: Diekmann habe bei schwierigen Verhandlungen über eine Vertragsauflösung mit Infront "die Kommunikationsarbeit mitgemacht", sagte Koch, und weil da am Ende "ein großer wirtschaftlicher Erfolg" für den DFB herausgekommen sei, verstehe er die Aufregung gar nicht. Berater? "Gibt's überall."

Doch diese Version von Diekmanns Wirken - intern wie extern von Prüfern längst infrage gestellt - ist jetzt endgültig nicht mehr zu halten. Zumal noch ein weiteres Dokument, das der SZ vorliegt, die offizielle DFB-Chronologie erschüttert.

Ende Februar 2019 fertigte Diekmann eine detaillierte Aufstellung über Außenstände seiner Agentur aus laufenden Mandaten bei diversen Geschäftspartnern. Teil dieser Auflistung ist: der DFB. Die Ausstände des Verbandes betrugen laut Diekmanns Liste 16 000 Euro. Sie finden sich, farblich entsprechend markiert, unter den Forderungen, die Ende Februar angefallen, aber noch nicht verschickt gewesen sein sollen.

Den Spiegel führt Diekmann in derselben internen Finanzliste sogar wiederholt auf, für den Februar ebenfalls mit einem vierstelligen Betrag.

Deutscher Fußball-Bund: Stephan Osnabrügge wird sein Amt als DFB-Schatzmeister niederlegen.

Stephan Osnabrügge wird sein Amt als DFB-Schatzmeister niederlegen.

(Foto: Schüler/Imago)

Das macht die Vorgänge Anfang Februar 2019 endgültig bizarr: Kurt Diekmann formuliert im Hintergrund die Antwort des DFB auf eine Anfrage des Spiegel mit, bei dem er selbst als Informationszuträger im Sold steht. Und zwar, nach Angaben des Magazins, schon seit 2016 - und noch bis Mai 2019.

Oder ergibt vielleicht doch alles auf perfide Weise Sinn? Klar ist jedenfalls, dass einer beim DFB damals keine Ahnung hatte vom diskreten Wirken des offenkundigen Doppelagenten Diekmann: der unter Druck stehende Präsident Grindel. Und ebenso klar - weil schriftlich belegt und inzwischen auch öffentlich bekannt - ist, woran Diekmann damals intensiv gearbeitet haben will: am Abschuss des Präsidenten Grindel.

Schon im Oktober 2018 hatte Diekmann eine Mail an Spiegel-Redakteure geschickt, in der er die Einleitung der "P-Demontage" verkündete und kryptisch mitteilte: "Ich kenne den genauen Ablauf- bzw. Terminplan." P-Demontage? Offenkundig war damit die Präsidenten-Demontage gemeint. Es folgten detaillierte Ausführungen, warum die Vergütungsregeln des DFB für den Präsidenten Grindel ein spannendes Thema seien: Grindel erhielt monatlich nicht nur 7200 Euro Aufwandsentschädigung und einen Verdienstausfall in gleicher Höhe, sondern einige Zeit lang auch noch 6000 Euro für den Nebenjob als Aufsichtsratschef einer DFB-Tochter. Ein bisschen viel für ein Ehrenamt, und öffentlich damals nicht bekannt.

Anfang Februar 2019 kam dann besagte Spiegel-Anfrage zum Bergmoser-Report, bei deren Bewältigung der Spiegel-Zuarbeiter Diekmann dem DFB half. Und nur Wochen später folgte eine Anfrage des Spiegel an den DFB für einen Text, in dem es unter anderem um Grindels Vergütung ging. "Chapeau! Mit dieser Grosskalibersalve habt (haben wir) die Munitionskammer des Grinch erwischt. Er war offenbar heute Abend nicht einmal intern zu einer Reaktion fähig", textete Diekmann noch vor Erscheinen des Artikels Ende März begeistert nach Hamburg. "Grinch" - sein Spitzname für Grindel.

Danach ging es rasend schnell: Am 2. April 2019 trat Grindel zurück, auch wegen seines umstrittenen Zusatzsalärs - vor allem aber, weil herauskam, dass er von einem ukrainischen Funktionär eine Luxusuhr angenommen hatte. Schon gleich darauf traf Diekmann mit verbliebenen DFB-Topleuten zusammen, wenig später erbrachte er offiziell Dienstleistungen für den Verband. Der Vertrag selbst folgte aber erst sechs Monate später, der wurde dann auf den Mai 2019 zurückdatiert, also auf einen Zeitpunkt nach Grindels Sturz.

Und auch nicht zu leugnen ist dies: Profiteure des Grindel-Rücktritts waren Koch, Osnabrügge und Curtius, die nun im DFB den Ton angaben - und bald schon in dem leutseligen badischen Großwinzer Fritz Keller einen neuen Präsidenten fanden, bei passend umgestalteter Satzung: mit voller persönlicher Haftung, aber ohne Richtlinienkompetenz.

Berater gibt's überall - einen wie Diekmann aber wohl nur beim DFB.

Man muss noch einmal in die Chronologie der jüngeren Ereignisse eintauchen, um zu verstehen, wieso dieser Beratervertrag den DFB derart erschüttern konnte. Denn auch den nächsten Präsidenten hat der DFB ja schon wieder verloren, Fritz Keller, 64, zuvor lange beim SC Freiburg in der Verantwortung, trat im Mai 2021 zurück. Der Auslöser hier: Keller hatte Koch, den Juristen und DFB-Vize Recht, in einer Sitzung als "Freisler" bezeichnet - in Anlehnung an einen berüchtigten Nazi-Richter. Dass so ein Vergleich selbst im größten Furor unentschuldbar ist, erkannte auch Keller. Woher seine Wut kam, ist trotzdem interessant: Es ging um den Umgang von Koch und Co. mit dem Diekmann-Vertrag.

Auch Ex-Präsident Fritz Keller schöpfte Verdacht

Denn vor einem guten Jahr war es nun seinerseits Fritz Keller gewesen, Grindels Nachfolger, der einen dunklen Verdacht geschöpft hatte: Diekmann sei an einer Kampagne gegen seine Person beteiligt, argwöhnte Keller, obwohl der Agent zu diesem Zeitpunkt offiziell beim Verband im Salär stand. Keller begann, sich für die Details zu interessieren - und stieß auf Widerstände. Wohingegen seine Widersacher es so darstellten, als sei Keller doch in alle Vorgänge rund um den Diekmann-Vertrag involviert gewesen.

Tatsächlich war es ja so gewesen: Die Zusammenarbeit mit dem Berater war, viele Monate vor Kellers Kür im Herbst 2019, von Curtius, Osnabrügge und Koch eingefädelt worden - jedoch hatte das Trio mit der Vertragsunterzeichnung bis Oktober 2019 gewartet, bis kurz nach Kellers Inthronisierung. Der Kontrakt wurde dann zurückdatiert, auf den 1. Mai 2019. Auch im ZDF-Sportstudio sagte Koch: Fritz Keller sei "bei der Vertragsunterzeichnung dabei" gewesen. Keller hingegen besteht darauf, er sei an jenem Tag nur kurz zur Vorstellung hinzugebeten worden, ahnungslos, wer dieser Mann gewesen sei - und ohne konkrete Informationen zu der Zusammenarbeit.

Keller drängte auf Einsicht in das Vertragswerk

Als Keller dann immer misstrauischer wurde und Anfang 2021 intern auf Einsicht in das Vertragswerk drängte, sah er sich vom Rest der DFB-Spitze derart hingehalten, dass er sogar ein Rechtsgutachten erstellen ließ. Erstaunlich: Immerhin war Fritz Keller als Präsident auch persönlich haftender Vorstand. Und den lässt man beim DFB nicht in die Verträge gucken?

Fortan eskalierten die Ereignisse rund um den Diekmann-Vertrag so sehr, dass dem DFB nicht nur der Präsident Keller abhanden ging, sondern gleich zwei Prüfstäbe eingesetzt werden mussten, um die Sache zu klären: interne Revisoren und externe Buchprüfer, letztere von der Firma Ebner Stolz. Beide Experten-Stäbe stellten den verantwortlichen DFB-Oberen Ende April ein verheerendes Zwischenzeugnis aus: Es sei ihnen schlicht nicht möglich, Diekmanns vertraglich vereinbarte Dienstleistungen zu erkennen, die laut Vertrag mit 360 000, am Ende mit 372 000 Euro äußerst teuer bezahlt worden sind. Die Prüfer hielten sogar vielsagend fest, dass sie zwar kein Mandat für eine Unterschlagungs-Untersuchung hätten - trotzdem sprachen sie den Verdacht einer möglichen Verschleierung an. Und warfen die Frage auf, ob die am Vertragswerk Beteiligten über eine Selbstanzeige nachdenken sollten, ehe Strafermittler sich von sich aus über das Thema beugen würden. Der Zwischenbericht verursachte eine solche Aufregung, dass sich die Prüfer kurz darauf beklagten, sie fühlten sich von der DFB-Spitze unter Druck gesetzt.

Seit September liegt nun der Schlussbericht der Prüfer vor. Beziehungsweise: Er liegt beim Verband in der Schublade, Thema erledigt. Der verbandseigene Compliance-Beauftragte habe schon bestätigt, dass sich aus dem Bericht "keine Handlungsnotwendigkeiten für den DFB ergeben", teilte der Verband auf SZ-Anfrage Anfang Oktober mit.

Dabei wird nach SZ-Informationen in dem Papier zwar tatsächlich auf ähnlich harsche Empfehlungen wie im Zwischenbericht verzichtet. Die Kernaussage aber bleibt unverändert: Die Prüfer monieren weiterhin, dass sie nicht nachvollziehen können, was genau Diekmanns Dienstleistungen für das sechsstellige Honorar gewesen sind. Mangels belastbarer Akten, Telefon- und sonstiger Notizen oder "ergänzender Nachweise" könne die Überprüfung der Dienstleistungen "durch den Prüfausschuss nicht beurteilt werden", heißt es; die Auskünfte des Schatzmeisters Osnabrügge sollen den Prüfern ebenfalls keine erhellenden Erkenntnisse geliefert haben.

All das festigt den Verdacht, dass der Nachrichtenhändler Kurt Diekmann eben nicht für das angeheuert worden war, was die DFB-Spitze um Curtius (der seit Juni nicht mehr im Amt ist), Osnabrügge (der sein Amt im März aufgibt) und Interimschef Rainer Koch (der um seine Funktionärszukunft ringt) bisher vorgetragen haben. Zumal, wenn man die Sache im Lichte der neuen Erkenntnisse betrachtet, dass Diekmann schon deutlich früher im DFB wirkte, und zwar in sensibelsten Themenfeldern. Dazu passend halten die Prüfer im Schlussbericht zum Diekmann-Kontrakt sogar fest, ihr Eindruck sei, dass "das Erreichen der Summe von 360 000 ein wichtiger Bestandteil der Vertragsabwicklung" gewesen sei.

Die Frage wird also immer drängender: Wofür wurde Kurt Diekmann bezahlt?

Rainer Koch hatte sich im Frühjahr noch vehement gegen den Verdacht gewehrt, Diekmann sei tatsächlich gar nicht für die Infront-Begleitung, sondern für andere, in den Vorjahren erbrachte Dienstleistungen "nachvergütet" worden: "Dies ist grob wahrheitswidrig und verleumderisch." Im Februar 2019 allerdings, dem neuen Startdatum in dieser unendlichen Geschichte - war das Thema Infront noch gar nicht absehbar.

Deutscher Fußball-Bund: Sowohl Fritz Keller (links) als auch Reinhard Grindel mussten jüngst als DFB-Präsident zurücktreten.

Sowohl Fritz Keller (links) als auch Reinhard Grindel mussten jüngst als DFB-Präsident zurücktreten.

(Foto: Elmar Kremser/Sven Simon/Imago)

Am Donnerstag erklärte der DFB auf Anfrage erneut, das Diekmann-Thema sei "ordnungsgemäß abgewickelt". Sonst: Nichts. Kein Wort zu all den Fragen über die Abläufe in jenem (von den Prüfern gar nicht untersuchten) Zeitraum Anfang 2019, keines zu Diekmanns Mitwirken am Fragenkatalog, keines zur Frage, warum ein externer Medienberater für so intime Sachverhalte herangezogen werden musste - und wann er dafür bezahlt worden sei. Und wie erklärt sich der DFB ausstehende Forderungen von 16 000 Euro bei einem Berater, der doch erst Monate später begann, insgesamt 372 000 Euro vom gemeinnützigen Verband einzustreichen? Der DFB dementiert keinen dieser Sachverhalte, er teilt nur mit: "Bitte haben Sie Verständnis, dass wir zu weiteren Stellungnahmen keinen Anlass sehen."

Auch Diekmann dementiert nicht. Er lässt via Anwalt mitteilen, dass er sich grundsätzlich nicht "zu geschäftlichen Vorgängen, Vertragspartnern, Abläufen und Forderungen" äußere. Daraus sei aber "ausdrücklich nicht" zu schließen, dass die Sachverhalte bestätigt oder bestritten werden. "Sie können hieraus lediglich schließen, dass Ihre Anfrage nicht kommentiert wird." Und die Auflistung von DFB-Außenständen? Da gehe es "erkennbar um vertrauliche Geschäftsunterlagen, (...) die auf legalem Wege nicht den Geschäftsbereich meiner Mandantschaft verlassen haben können". Dazu muss man wissen, dass Diekmann und der DFB Anfragen zu vertraulichen Mails und Dokumenten bis Sommer mit dem Hinweis unbeantwortet ließen, dass diese nur aus gehacktem Material stammen könnten. Dann aber kamen akribische Untersuchungen an Diekmanns Computer durch die Staatsanwaltschaft Duisburg und IT-Experten des Landeskriminalamtes zu dem Schluss, dass definitiv kein Hacking vorliege.

Peter Peters, zweiter Interimschef, will nun alle offenen Fragen geklärt wissen - ohne Ausflüchte

Kurt Diekmann, 74, einst Journalist, später Sprecher im Duisburger Haniel-Konzern, zwischendurch SPD-Kandidat für den niedersächsischen Landtag. Er bleibt ein Phantom. Seine Homepage ist für einen Kommunikationsberater äußerst sparsam gestaltet. Fotos von öffentlichen Auftritten Diekmanns gibt es kaum.

Fakt ist allerdings: Gute Drähte zu DFB-Topleuten, die gab es schon seit Jahren. Rainer Koch kennt den Medienagenten laut eigener Auskunft seit 2011. 2012 flog Koch sogar zu einem Treffen in Hannover, das Diekmann damals mit dem Hinweis angeleiert hatte, dass ihm und seinen Partnern Informationen zur Korruption im Weltfußball vorlägen, samt der Verwicklung deutscher Prominenz. (Angeblich, hieß es vom DFB später, wurde in Hannover dann nur über viel Belangloseres geredet). Nachweisbare Kontakte gab es auch im Herbst 2015, als, wiederum via Spiegel, der "Sommermärchen"-Skandal zu fragwürdigen Millionenzahlungen rund um die WM 2006 öffentlich wurde. Diekmann schickte im Januar 2016 sogar eine "Ist-Analyse" mit detaillierten Einschätzungen zum Stand der Affäre an Koch, und er begleitete den DFB-Vize kurz darauf zu einem Treffen mit dem Schweizer Compliance-Experten Mark Pieth. Diekmann sichtete auch Kochs Redemanuskript für den Sonder-Bundestag im Frühjahr 2016, der nach der WM-Affäre und dem Sturz des damaligen Präsidenten Wolfgang Niersbach als große Show des Neubeginns inszeniert wurde. Alles völlig unentgeltlich, wie Koch beteuerte.

Erwuchs aus alledem eine heikle Zusammenarbeit, die den Schlüssel liefert zu den wiederkehrenden Verwerfungen im DFB?

Peter Peters, der zweite Interimschef des DFB neben Koch, will das nun endgültig klären lassen. Den Liga-Vertretern im DFB-Präsidium sei bisher zum Thema Diekmann nur der Bericht des Prüfungsausschusses bekannt gewesen - aber nichts über etwaige frühere Tätigkeiten des Agenten vor dieser Vertragszeit. Nach den neuen Erkenntnissen wächst jetzt die Unruhe. Für Peters und die DFL ist das Maß voll; Peters will die offenen Fragen zu Diekmanns Diensten auf die Agenda der nächsten DFB-Präsidiumssitzung setzen - und sich nicht abspeisen lassen mit Andeutungen oder Ausflüchten wie jener Lesart, der Agent sei halt ein "Spindoctor", weshalb sein Treiben einer gewissen Geheimhaltung bedürfe.

Und Reinhard Grindel, der nie etwas mitgekriegt hat von dem stillen Verbands-Helfer? Er sei "fassungslos", teilt er mit, "dass der Mann, der maßgeblich an meiner Demontage mitgewirkt hat, bereits während meiner Amtszeit mit der Beantwortung von Spiegel-Anfragen befasst war. Alles hinter meinem Rücken. Das lässt auf ein enges Verhältnis zu führenden DFB-Funktionären schließen."

Rainer Koch sagte zum mysteriösen Diekmann-Vertrag stets: "Die Initiative ging nicht von mir aus. Ich hatte aber keine Einwendungen." Als habe er all die Affären, all die Thronstürze bloß staunend aus der präsidialen Halbdistanz verfolgt. Jetzt wird es einige geben, die ein paar sehr konkrete Fragen haben an den Interimspräsidenten des DFB.

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