DFB-Affäre:360 000 Euro - wofür?

DFB-Vizepräsident Rainer Koch

Im Mai erstattete die Frauen-Initiative "Fußball kann mehr" bei der Ethikkommission Anzeige gegen DFB-Interimsboss Rainer Koch.

(Foto: Andreas Gora/dpa)

Erstmals seit den neuen Enthüllungen zur Diekmann-Causa trifft sich das DFB-Präsidium. Welche Fragen die Fußballvertreter dringend an ihren Interimsboss stellen sollten.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner, München

Ein brisantes Thema für die nächste Präsidiumssitzung des Deutschen Fußball-Bundes ist schon vorab wieder abgeräumt. Eigentlich wollte der Verband an diesem Donnerstag seinen Finanzbericht für das Jahr 2020 vorstellen. Der interessiert die Öffentlichkeit diesmal besonders, weil das seit Monaten herrschende Verbandschaos insbesondere mit umstrittenen Dienstleistern und deren üppiger Honorierung zu tun hat - und vom DFB irgendwann die Gesamtabrechnung präsentiert werden müsste. Aber der Termin platzte kurzfristig, eine Medienrunde in Frankfurt wurde krankheitsbedingt abgesagt, und digital war die Vorstellung wohl nicht zu machen.

Aber auch ohne das spannende Zahlenwerk türmt sich ein Berg heikler Fragen vor den Präsidiumsmitgliedern, wenn sie an diesem Freitag zusammenkommen. Es ist ihr erstes Meeting, seitdem neue Erkenntnisse über das Wirken des umstrittenen Medienberaters Kurt Diekmann vorliegen: Die Aktenlage macht inzwischen klar, dass dieser schon deutlich früher für den Verband tätig war als von den DFB-Bossen bisher dargestellt (siehe SZ vom 15.10.).

Insbesondere der langjährige Vize- und heutige Interimspräsident Rainer Koch sowie Schatzmeister Stephan Osnabrügge, die den 2019 abgeschlossenen Diekmann-Vertrag damals zusammen mit dem inzwischen zurückgetretenen Generalsekretär Friedrich Curtius auf den Weg brachten, müssten das Thema nun aufklären, heißt es - detailliert und endlich überzeugend. Der interne Druck ist groß: Kochs Co-Chef Peter Peters, der dieses Amt als Vertreter der Liga besetzt und trotz Gegenwehr aus dem Amateurlager der nächste reguläre Chef des DFB werden will, drängt auf Aufklärung. Aber auch manche Amateurvertreter beteuern, sich nicht mehr mit Ausweichmanövern abspeisen lassen zu wollen.

Zwei Buchprüfer-Stäbe haben den Vertrag begutachtet - und melden Zweifel an

Es mutet längst wie schlechtes Kabarett an, dass der DFB selbst ein knappes Jahr nach Beginn der Diekmann-Affäre nicht in der Lage ist, die Hintergründe der rund 360 000 Euro teuren Zusammenarbeit überzeugend darzulegen. Die offizielle Linie lautet, dass Diekmann im Frühjahr 2019 eigeninitiativ auf den DFB zugekommen sei. Er habe für den Verband insbesondere die Nachforschungen der Forensikerfirma Esecon, die sich um Unregelmäßigkeiten in der damaligen Partnerschaft mit dem Vermarkter Infront drehten, kommunikativ begleiten sollen. Das allein wäre schon eine merkwürdig kostspielige Tätigkeit gewesen; zwei unabhängigen Buchprüfer-Stäben, die dem Vertrags-Mysterium inzwischen nachgegangen sind, hat sie sich jedenfalls nicht wirklich erschlossen.

Nun zeigten jüngste SZ-Recherchen, dass Diekmann schon im Februar 2019 in die Beantwortung von Medienanfragen zu ganz anderen, hochvertraulichen DFB-internen Themen involviert war; und dass wiederum der DFB auf einer internen Liste des Agenten Diekmann mit 16 000 Euro Außenständen geführt wurde. Februar 2019, der Zeitpunkt ist brisant. Denn damals war noch Reinhard Grindel der Präsident des Verbandes, und an dessen Sturz Anfang April 2019 war Diekmann nach eigener Aussage gegenüber Spiegel-Redakteuren hingebungsvoll beteiligt - mit dem Magazin arbeitete er damals zusammen. Ein DFB-Esecon-Projekt hingegen, für das Diekmann irgendwelche medialen Begleitarbeiten hätte erledigen können, gab es zu diesem Zeitpunkt noch lange nicht.

Noch delikater erscheint dieses frühe Wirken Diekmanns, weil es auch nie gegenüber den Prüfern erwähnt wurde. Das alles nährt den - von den Beteiligten stets bestrittenen - Verdacht, dass hinter der Bezahlung des Beraters etwas anderes steckte als jene Dienstleistung, die vom DFB bisher offiziell angegeben, aber nie wirklich belegt wurde.

Ein interner Mailverkehr, über den im Sommer die Bild berichtete, legt zudem nahe, dass Diekmann schon im Juni 2018 Kontakte zum damaligen Generalsekretär Curtius hatte. Von einer Wahrung von Curtius' Interessen gegenüber dem Spiegel "ohne Gegenleistung" ist dort die Rede. Was auch erklärungsbedürftig wäre - zumal Diekmann im Jahr danach ja gut abkassieren durfte.

DFB-Affäre: Der Medienberater Kurt Diekmann steht im Zentrum der DFB-Affäre. Laut SZ-Recherchen arbeitete er früher für den DFB als offiziell eingeräumt.

Der Medienberater Kurt Diekmann steht im Zentrum der DFB-Affäre. Laut SZ-Recherchen arbeitete er früher für den DFB als offiziell eingeräumt.

(Foto: Heilscher/Bearbeitung: SZ)

Die Beteiligten sagen zu alldem nichts. Diekmann teilt mit, er äußere sich zu geschäftlichen Angelegenheiten grundsätzlich nicht. Curtius beantwortete Fragen in der Vergangenheit nicht, auch nicht, ob er mit Diekmann seit Mitte 2018 vertraut war. Der DFB erklärte, dass er keinen Anlass für weitere Stellungnahmen sehe. Transparenz sieht anders aus.

Angesichts der dubiosen Gemengelage gibt es eigentlich sehr viel zu erklären. Zumal Diekmann und Koch ohnehin seit vielen Jahren gut bekannt sind. Aus DFB-Kreisen heißt es, Koch habe allerdings bestritten, dass er zum fraglichen Zeitpunkt Anfang 2019 Kontakte zu Diekmann unterhielt. Aber es geht nicht um Begrifflichkeiten, auf die sich mancher gerne zurückzieht; auch nicht um die Frage, wer genau den Kontakt zu Diekmann beim DFB hielt. Es geht darum, wie sich die vorliegenden Fakten erklären: Wer wusste wann, dass Diekmann früher involviert war? Und damit auch, in was genau er involviert war - in einer Zeit, als er parallel zu seinem Wirken beim DFB Grindels Sturz mit betrieb, und als vom Infront-Thema noch gar nichts bekannt war?

Co-Vize Peter Peters will neuer DFB-Präsident werden - und fordert Erklärungen

Bleiben Koch und Co. bei der Version, nie etwas von Diekmanns Umtrieben vor dessen offizieller Bestellung für die Infront-Causa gewusst zu haben, liefe dies auf eine andere spannende Frage hinaus: ob der damalige General Curtius womöglich im Hintergrund einen Alleingang gestartet haben könnte, der irgendwann vergütet werden musste. Aber selbst in diesem Fall: Hätten die anderen dann nicht dringend fragen müssen, was das eigentlich sollte mit diesem Berater, als der dann offiziell im April/Mai 2019 für den DFB und die Begleitung der Esecon-Forschungen tätig wurde?

Als zu Wochenbeginn die Chefs der seit Langem von Koch geführten Landesverbände zusammenkamen und sich darauf verständigten, dass in jedem Fall jemand aus dem Kreis der Amateure der nächste DFB-Präsident werden soll, war die Diekmann-Causa offenkundig kein Thema. Erstaunlich genug. Im Präsidium aber, in dem auch die Vertreter des Profilagers sitzen, ist eher damit zu rechnen, dass harte Fragen zu bizarren Geschäftsvorgängen gestellt werden. Bevor sie andere Instanzen stellen.

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