DFB-Elf gegen Frankreich:Der erste Schritt ist gemacht

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  • Deutschland spielt zum Auftakt der Nations League 0:0 gegen Frankreich - wichtiger als der Punktgewinn ist aber die Art, wie die Mannschaft auftritt.
  • "Es war wichtig, eine Reaktion zu zeigen", sagte Bundestrainer Löw mit Blick auf die verpatzte WM.
  • Dabei hatte das DFB-Team durchaus Chancen, die Partie zu gewinnen.

Aus dem Stadion von Martin Schneider

Und dann, sagte Thomas Müller, sei auch noch der Regen dazugekommen. Während der zweiten Halbzeit fing es in München an zu schütten, und dieses Wetter empfand Müller als sehr passend für dieses Spiel. Im Regen führt man besser Zweikämpfe, so war Müllers Interpretation - und um Zweikämpfe sei es an diesem Tag gegen Frankreich schließlich gegangen. "Die Motivation war hoch, allen und auch den Mitspielern zu zeigen, dass man um jeden Quadratmeter kämpfen will", sagte Müller. Er selbst warf sich mal mit mehr, mal mit weniger Erfolg in die Duelle, meinte aber "das macht dann sogar Spaß, wenn der Nebenmann nur zwei Meter entfernt ist - dann gewinnst du sogar Zweikämpfe".

Müller ist übrigens so etwas wie ein Stürmer, er hätte sich grämen können angesichts seiner verbaselten Chance nach einer Flanke von Mats Hummels ("Da hätte ich wohl besser den Kopf genommen"), aber darum ging es bei diesem Abend nicht. Es war kein Tore-und-Sonnenschein-Spiel, es war ein Kampf-und-Regen-Spiel und dass sie aus diesem Spiel gegen den Weltmeister Frankreich ein 0:0 herausgeholt haben, darüber waren dann alle, von Müller über seine Mitspieler bis zum Bundestrainer sehr froh. Wobei, das Adjektiv "erleichtert" trifft es noch besser.

Löws Devise: Safety first

Offiziell war es ja die erste Partie der neu eingeführten Nations League, aber für jedes einzelne Mitglied des DFB-Teams war es ausschließlich das Spiel eins nach der auf mehreren Ebenen desaströsen Weltmeisterschaft. Es ist viel kaputt gegangen in dieser Zeit zwischen Mannschaft und Fans, und das einzige Ziel dieses Abends war, nicht noch mehr Dinge zu zerschlagen, im besten Fall ein bisschen was zu reparieren oder "wieder einen Schritt auf die Fußballnation zuzugehen", wie Müller es nannte.

Dafür wählte Bundestrainer Joachim Löw die Taktik: Safety first, Sicherheit geht vor, bloß kein Debakel. Er stellte vier gelernte Innenverteidiger in die Abwehr (Ginter-Hummels-Boateng-Rüdiger), er platzierte davor Joshua Kimmich als ausschließlich defensiven Sechser, er wies Thomas Müller und Timo Werner an, an ihre Defensivaufgaben zu denken. Löw wollte sich unter keinen Umständen von Frankreich und Kylian Mbappé überrennen lassen, seine Spieler stürzten sich auf ihn, wie es in der Bundesliga drei Augsburger machen, wenn Arjen Robben den Ball hat. "Wir haben schon anders gespielt als in den letzten Jahren", sagte Mats Hummels.

Löw wollte mit Priorität eins, zwei und drei eine hohe Niederlage verhindern, und vor allem wollte er zeigen, dass er aus der WM gelernt hat. "Das Spiel stand ja unter besonderen Vorzeichen. Die Art und Weise, wie wir auftreten, war wichtig. Es war wichtig, eine Reaktion zu zeigen", sagte Löw und zeigte auch eine Reaktion. Er gab seinen Spielern mit: Der engagierte Einsatz nach hinten ist wichtiger als der furiose Lauf nach vorne, Müller sagte: "Natürlich kann man als rechter Stürmer auch mal in den Strafraum gehen, aber wir hatten unsere Defensivaufgaben." Löw wollte, dass sich seine Mannschaft den Respekt der Zuschauer wieder zurückerkämpft.

Das klappte im Großen und Ganzen auch ganz gut, die Reaktionen des Münchner Publikums waren wohlwollend bis verständnisvoll. Keiner erwartete für seine 40 bis 80 Euro Eintritt ein sogenanntes Feuerwerk. Wobei: Wenn Frankreichs Torwart Alphonse Areola gegen Marco Reus und vor allem beim Kopfball von Matthias Ginter keine Weltklasse-Paraden gezeigt hätte, wäre ein Sieg drin gewesen. Aber so wie man auf dem Platz nun mit einer neuen Bescheidenheit nicht mehr denkt, dass man einen Mbappé schon irgendwie alleine verteidigt bekommt, sprach auch nach dem Spiel niemand davon, dass man eigentlich hätte gewinnen müssen. "Das 0:0 geht schon in Ordnung, wir waren ja nicht drückend überlegen", sagte Hummels zum Beispiel.

Es wussten aber auch alle, dass dies nur ein erster Schritt sein kann. Löw sprach von einem "Fundament" und meinte: "Es wäre naiv, wenn man glaubt, dass mit einem Spiel die WM wettgemacht wird. Das ist ein langer Prozess. Am Ende können wir uns nur beim nächsten Turnier rehabilitieren."

Schon über weite Strecken gegen Frankreich deutete sich an, dass eine 4-5-1-Taktik für eine Mannschaft wie Deutschland nicht der heilige Gral sein kann. Man kann eben nur dann verteidigen und heroische Zweikämpfe im Regen führen, wenn der Gegner auch manchmal angreift. Und neben dem Weltmeister gibt es auf der Welt nur noch vier bis fünf Nationen, die das Selbstbewusstsein haben, das gegen Deutschland zu tun.

Aber gegen Frankreich war es die richtige Strategie zum richtigen Zeitpunkt. Und wenn man ehrlich ist, ist das Joachim Löw bei kaum einem der vergangenen Spiele gelungen.

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