DFB-Affäre:Wie einst bei Al Capone

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Niersbach und Zwanziger (li.) bekommen es nun mit den deutschen Steuerbehörden zu tun. (Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)
  • Wenn Strafverfolger bei Delikten wie Untreue oder Betrug wegen der Verjährung nicht mehr ermitteln dürfen, schauen sie auf die Steuer.
  • Für die Herren vom DFB könnte das verheerende Folgen haben.
  • Niersbach und Zwanziger müssen mit Konsequenzen rechnen.

Von Johannes Aumüller, Hans Leyendecker und Klaus Ott

Gegen 9.30 Uhr klingelte es am Dienstag bei Theo Zwanziger in Altendiez. Acht Steuerfahnder standen vor der Tür und begehrten Einlass, anschließend sichteten sie gut eine Stunde lang Unterlagen. Der frühere Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) klang danach so, als sei er froh gewesen über den unangemeldeten Besuch. Geärgert habe ihn nur, dass manche Medien schon von der Aktion berichteten, noch ehe die Fahnder bei ihm gewesen seien.

Deshalb habe er, Zwanziger, Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Ansonsten sei das alles kein Problem gewesen. Der ehemalige Verbandschef gibt sich wieder einmal als großer Aufklärer und lässt durchblicken, er habe längst mit der Razzia gerechnet. Zwanziger will den Eindruck erwecken, er sei völlig entspannt. Erst am Montag habe er in einem Schreiben an den DFB noch einmal darauf gedrängt, alles offenzulegen.

Zwanziger ist Jurist, er war sogar eine Zeit lang Verwaltungsrichter. Der 70-Jährige kennt sich aus mit Paragrafen; er weiß, wie das läuft. Wenn Strafverfolger bei Delikten wie Untreue, Betrug oder Bestechung wegen der erfolgten Verjährung nicht mehr ermitteln dürfen, schauen sie streng auf die Steuer. Da kann man oft noch was machen.

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Steuerliche Aspekte hat Zwanzigers Anwalt offenbar nicht geprüft. Wohl ein Fehler

Juristen erinnern gerne an den Mafia-Gangster Al Capone, der einst in Chicago als große Figur galt. Dann wurde ihm der Prozess gemacht. Nicht wegen Mord, Raub oder Erpressung, sondern weil er ein für ihn selbst viel gefährlicheres Verbrechen begangen hatte: Er hatte seine Steuer nicht ordentlich bezahlt und wurde zu elf Jahren Haft verurteilt.

Zwanziger und dessen Intimfeind Wolfgang Niersbach, seit 2012 sein Nachfolger als DFB-Chef, sind natürlich keine Mafiosi, sondern Fußball-Funktionäre. Aber die Ermittler haben schon den Verdacht, dass sie dasselbe Verbrechen wie einst Al Capone begangen haben könnten: Steuerhinterziehung. Allerdings nicht zu eigenen Gunsten, sondern für den DFB. Kurz vor der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland.

Bevor Zwanziger vor gut zwei Wochen mit den Millionen-Schiebereien rund um die WM 2006 in die Öffentlichkeit gegangen war, hatte er vorsichtshalber seinen Anwalt eingeschaltet. Der prüfte, ob sein Mandant sich strafbar gemacht haben könnte. Zwanziger war einst auch Vizechef des Organisationskomitees (OK) für die WM gewesen, zuständig für die Finanzen. Er hatte 2005 eine Überweisung in Höhe von 6,7 Millionen Euro an den Fußball-Weltverband Fifa freigegeben. Das Geld sollte an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus weitergeleitet werden; als Rückzahlung eines Darlehens, das Louis-Dreyfus den Deutschen vermutlich drei Jahre vorher gewährt hatte, aus ebenfalls noch ungeklärten Gründen.

Zwanzigers Anwalt kam zu dem Ergebnis, dass sein Mandant nichts zu befürchten habe. Steuerliche Fragen hat der Anwalt nach eigenen Angaben aber gar nicht geprüft, sondern lediglich andere Aspekte wie Untreue und Schadenersatz. So ein Pech auch, denn jetzt kommt es auf den Fiskus an. Die Ermittler untersuchen, ob die in den Büchern des WM-OK falsch deklarierten 6,7 Millionen Euro als Betriebsausgabe beim Finanzamt geltend gemacht werden durften. Wahrscheinlich nicht, es wurden also 2006 wohl zu wenig Körperschafts- und Gewerbesteuern gezahlt.

Zwanziger will Anfang 2005 durch den damaligen OK-Vize Horst Schmidt von dem Problem mit den 6,7 Millionen Euro erfahren haben. Ihm sei gesagt worden, dass es sich um eine Provisionszahlung gehandelt habe. Er hörte jene Version, die der seinerzeitige OK-Chef Franz Beckenbauer und sein Mitstreiter Niersbach kürzlich der Öffentlichkeit vortrugen: Im Jahr 2002 habe die Fifa-Finanzkommission vom OK 6,7 Millionen Euro gefordert, um 170 Millionen Euro Zuschuss für die WM 2006 auszureichen. Louis-Dreyfus habe das übernommen. Als es 2005 an die Rückzahlung ging, wurde die Legende geschaffen, es handele sich um einen Kultur-Zuschuss für die WM-Auftaktgala.

Ob Provision oder Kultur, beides seien Betriebsausgaben gewesen, so geht eine Argumentationslinie von Zwanziger. Die andere geht so: An den entscheidenden Stellen sei er ohnehin nicht dabei gewesen. Noch nicht oder nicht mehr. 2002, als der ganze Deal ausgetüftelt wurde, war der Mann aus Altendiez noch nicht im OK. Er stieß erst 2003 hinzu. Und 2006 sei er ausgeschieden, nach seinem Aufstieg zum alleinigen DFB-Chef. Bei den letzten Berechnungen sei er nicht mehr dabei gewesen.

Das OK hatte nach der WM folgende Schlussbilanz veröffentlicht: Der Gewinn vor Steuern lag bei 135 Millionen Euro. Das Finanzamt erhielt 43,7 Millionen Euro, die Fifa bekam 40,8 Millionen Euro als Rückerstattung eines Teils des gezahlten Vorschusses. Es blieben 56,5 Millionen Euro, die zwischen DFB und der Deutschen Fußball Liga (DFL) geteilt wurden. Der Steuersatz auf den Überschuss lag also bei etwas mehr als dreißig Prozent. Das wären dann, bezogen auf die 6,7 Millionen Euro, rund 2,2 Millionen Euro gewesen, die dem Fiskus vorenthalten worden wären.

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Der Bundesgerichtshof hat vor Jahren den Grundsatz vorgegeben, dass bei Steuerhinterziehung ab einer Million Euro nur in Ausnahmefällen von einer Haftstrafe abgesehen werden könne, doch die Ausnahme ist in Deutschland die Regel geblieben. Nur selten wird bei Steuerdelikten im unteren einstelligen Millionenbereich angeklagt. Von Haft gar nicht zu reden. Aber was der Frankfurter Fiskus jetzt auswertet, ist gleichwohl happig. Die Steuernachzahlung dürfte für den DFB mit Zins und Zinseszins bei 3,5 Millionen Euro liegen. In DFB-Kreisen heißt es, man müsse versuchen, die 6,7 Millionen Euro von der Fifa zurückzuholen. Das kann dauern. Sollte der DFB bei der Fifa keinen Erfolg haben, müsste sich der Verband an die damals Verantwortlichen halten. Zwanziger verweist auf den aus seiner Sicht damals Hauptverantwortlichen in dieser Causa: Beckenbauer. Der DFB müsse prüfen, ob die 6,7 Millionen Euro vom einstigen OK-Chef zurückzufordern seien, hat Zwanzigers Anwalt dem Verband geschrieben. Beckenbauer hat verbal bereits die Verantwortung übernommen. Aber nur für den Vorgang im Jahr 2002, der "ein Fehler" gewesen sei. Zu den Ereignissen im Jahr 2005, für die sich nun die Staatsanwaltschaft interessiert, äußert sich die Fußball-Legende bislang öffentlich nicht. Für finanzielle Details hat sich Beckenbauer selten interessiert, das hat er in der Regel seinen Mitstreitern überlassen. Ist das der Grund dafür, dass die Strafverfolger die "Lichtgestalt des deutschen Fußballs" (Originalton DFB) bei ihren Ermittlungen aussparen? Oder traut sich die Staatsanwaltschaft noch nicht den Kaiser heran, der als Spieler und Trainer Weltmeister geworden ist und dann auch noch die WM 2006 nach Deutschland geholt hat? Man wird sehen.

© SZ vom 04.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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