Sportlich endete das deutsche Sommermärchen am 9. Juli 2006, aber aus finanzieller Sicht war die Weltmeisterschaft im eigenen Lande noch lange nicht vorbei. Es folgte der Kassensturz, und erst knapp eineinhalb Jahre später, im Herbst 2007, gab der Deutsche Fußball-Bund (DFB) auch seine Steuererklärung dazu ab. Unterzeichnet war sie von dem Funktionär, der kurz zuvor zum Generalsekretär des Verbandes aufgerückt war: Wolfgang Niersbach.
Dass Niersbachs Name unter diesem Dokument steht, erklärt offenkundig, warum die Staatsanwaltschaft Frankfurt auch gegen ihn wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung in einem schweren Fall ermittelt. Denn in dieser Steuererklärung wurden die berühmten 6,7 Millionen Euro beim Fiskus als Betriebsausgaben geltend gemacht, obwohl sie falsch deklariert waren.
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Wenn Strafverfolger bei Delikten wie Untreue oder Betrug wegen der Verjährung nicht mehr ermitteln dürfen, schauen sie auf die Steuer. Für die Herren vom DFB könnte das verheerende Folgen haben.
Offiziell überwies das Organisationskomitee für die WM im April 2005 diesen Betrag dem Weltverband Fifa als Zuschuss für die damals noch geplante und später abgesagte Auftaktgala des Turniers. Unterzeichner waren Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt, beide Vizepräsidenten des OK. Doch dieser Betreff war objektiv unrichtig, wie man heute weiß. Tatsächlich sollte via Fifa eine alte Schuld beim früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus elegant beglichen werden.
Niersbach war am 26. Oktober 2007 vom Bundestag des DFB in Mainz zum neuen Generalsekretär bestimmt worden, als Nachfolger von Schmidt. Wenige Tage später unterzeichnete er in diesem Amt nach Angaben aus Verbandskreisen die Steuererklärung für 2006, die zu diesem Zeitpunkt aber schon lange fertig gewesen sein soll. Damals machte sich offenbar niemand im Verband Gedanken darüber, aber heute hat dieser zeitliche Ablauf böse Folgen für den inzwischen zum Verbandschef aufgestiegenen Niersbach.
Wäre die Steuererklärung noch von seinem Vorgänger als Generalsekretär unterzeichnet worden, von Horst R. Schmidt eben, dann gäbe es möglicherweise kein Ermittlungsverfahren gegen Niersbach. Sondern nur gegen Schmidt und Zwanziger als damalige Hauptverantwortliche für die 6,7-Millionen-Überweisung. So aber hat DFB-Chef Niersbach ebenfalls ein Aktenzeichen, als einer von drei Beschuldigten in dem Ermittlungsverfahren.
In DFB-Kreisen sorgt es jetzt für Verwunderung, dass die Steuererklärung damals so spät abgegeben worden sei, just nach der Berufung von Niersbach zum Generalsekretär und mit dessen Unterschrift. Rückblickend betrachtet sei das eigenartig, heißt es im Verband. Andererseits gibt es aber keinerlei Hinweise darauf, dass Schmidt und Zwanziger die Steuererklärung mit den 6,7 Millionen Euro absichtlich zurückgehalten hätten, um sich Ärger zu ersparen. Das hätte ja vorausgesetzt, dass Schmidt und Zwanziger damals schon den späteren Ärger geahnt hätten.
Unabhängig von diesem Vorgang gilt ein Rückzug von Niersbach als eine Frage der Zeit. Drei Kandidaten werden als Favoriten für die Nachfolge genannt: Reinhard Rauball, Präsident der Deutschen Fußball Liga (DFL), DFB-Vizepräsident Rainer Koch sowie Schatzmeister Reinhard Grindel. Der nächste reguläre Bundestag ist für den Herbst 2016 vorgesehen. Denkbar wäre nach den Regularien, dass es bis dahin eine interimistische Doppellösung gibt: aus Koch, der nach innen wirkt, und Rauball als oberstem Repräsentanten des deutschen Fußballs nach außen.
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Nach außen demonstriert der Deutsche Fußballbund Geschlossenheit, doch intern läuft bereits die Nachfolgersuche - Wolfgang Niersbach gerät immer mehr unter Druck.
Unter Umständen könnte Niersbach aber auch durch Druck von außen zum Rückzug veranlasst werden. Als vor wenigen Wochen die Schweizer Bundesanwaltschaft ein Verfahren gegen Fifa-Chef Sepp Blatter und Uefa-Chef Michel Platini eröffnete, wurden diese beiden wenig später von der Fifa-Ethikkommission vorläufig gesperrt.
Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Niersbach. Nach SZ-Informationen haben sich die Fifa-Ethiker auch dieses Falles bereits angenommen. Offiziell teilen sie mit, dass sie sich aus "taktischen Gründen" derzeit bedeckt halten würden.