Die Menschen lieben Rekordjäger. Und weil Miroslav Klose nicht nur Rekordjäger ist, sondern auch Pfälzer, hatten die Zuschauer ihn am Mittwochabend besonders lieb. In Kaiserslautern, wo Kloses Profi-Karriere vor gefühlten 50 Jahren begann, hätte passieren können, worauf die Nation seit gefühlten 500 Jahren wartet. Immer wenn Klose den Ball hatte, raunte das Publikum auf dem Betzenberg. Und dann kam die 11. Spielminute.
Aus dem Mittelfeld schlug Sami Khedira einen weiten Ball in den Strafraum, dort stand Klose völlig frei, drehte sich elegant um die eigene Achse und löffelte den Ball über Paraguays Torwart Justo Villar. Es wäre Kloses 68. Länderspieltor gewesen, er hätte gleichziehen können mit Gerd Müller, Deutschlands Ur-Torjäger. Aber Klose traf nicht, der Ball landete auf dem Tornetz, die Nation muss weiter warten. Und so stand am Ende des Fußballabends nicht die 68 im Mittelpunkt, sondern eine andere, weniger erfreuliche Zahl: die Drei.
Drei Tore kassierte die DFB-Elf nämlich beim 3:3 (2:3) im Test gegen Paraguay. Das ist vor allem deshalb eine Nachricht, weil ja vor dem Spiel viel über die deutsche Abwehrschwäche geredet worden war. Nach zuletzt sechs Gegentoren gegen Ecuador (4:2) und die USA (3:4) hatte Löw diese Debatte unter der Woche höchst selbst befeuert. "Wir haben absolut zu viele Gegentore zugelassen", hatte er gesagt, und mit Blick auf die WM 2014 entsprechende Erziehungsmaßnahmen angekündigt. Das Königsziel, so Löw, "besteht darin, defensiv gut zu stehen, ohne Catenaccio zu spielen, und vorne noch zwei, drei Tore zu schießen."
So gesehen war der Paraguay-Test ein sauberer Misserfolg für Joachim Löw. Zwar fielen vorne die gewünschten Tore, aber hinten stand die Null nicht. Im Gegenteil, da stand ja die dicke, fette Drei. Nach dem Spiel sprach Löw wahlweise von "Konzentrationsfehlern", "taktischen Fehlern" und "krassen Fehlern". Vor allem zu Beginn der Partie habe seine Mannschaft "in der gesamten Defensivarbeit sehr, sehr fahrig" agiert. Dieser Vorwurf dürfte besonders für Innenverteidiger Mats Hummels gelten. Ausgerechnet Hummels, der während der Woche noch betont hatte, wie wichtig es sei, eine defensive Grundordnung zu haben.
Ein wahrlich kluger Satz, wie sich schon in der neunten Spielminute zeigen sollte. Denn hätte die deutsche Defensive so etwas wie eine Grundordnung gehabt, wäre der lange Ball nicht über Hummels hinweg in den Lauf von José Nuñez geflogen. Nuñez zog sofort ab, zimmerte den Ball ins Tor und ließ Löw wild mit den Armen rudern.
Vier Minuten später mochte der Bundestrainer nicht einmal mehr rudern. Diesmal hatte Sami Khedira gepatzt. Nach einer Faustabwehr von Torwart Manuel Neuer landete der Ball an der Strafraumgrenze, wo ihn Khedira in Wilson Pittonis Beine stolperte, der aus 20 Metern volley ins Tor traf (13.). Joachim Löw blickte ein paar Sekunden fassungslos drein, dann drehte er seinen Spielern den Rücken zu und machte eine wegwerfende Handbewegung als wollte er sagen: "Ja, hat mir denn überhaupt keiner zugehört!"