Champions League:Warten auf Borussia Dortmund

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Der deutsche Fußball sucht einen Klub, der den FC Bayern dauerhaft in der Champions League unterstützt. Bundestrainer Joachim Löw räumt den aktuellen deutschen Meistern aus Dortmund die besten Chancen ein - sie könnten es besser machen als zuvor Schalke, Stuttgart oder Wolfsburg.

Christof Kneer

André Schürrle, Lars Bender und Simon Rolfes haben diesen Mann erst vergangene Woche gesehen. Sie haben unter ihm trainiert, sie haben sich von ihm einwechseln lassen, und am Ende hat der Mann sie mit guten Wünschen in die Zukunft entlassen.

Duell bislang nur in der Bundesliga: Bayern-Stürmer Mario Gomez (rechts) und Dortmunds Felipe Santana. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Das war nicht nur so dahingesagt, der Mann hat ein Interesse daran, dass diese Zukunft günstig ausfällt. Er wird deshalb erwartungsvoll zuschauen, wenn diese Zukunft am Mittwoch beginnt. Joachim Löw wird von der Tribüne aus verfolgen, ob Schürrle, Bender, Rolfes und Bayer Leverkusen in der Champions League ein Heimsieg gegen den FC Chelsea gelingt.

Es ist gerade mal ein paar Tage her, dass der deutsche Fußball den internationalen Medien einen erfüllten Arbeitstag verschafft hat. Sie mussten nach dem 3:0 der DFB-Elf gegen Holland nie gesagte Worte für einen nie gesehenen Fußball finden. In dieser Woche könnte es wieder einfacher werden, vielleicht reicht dann wieder der Griff in den Stehsatz.

Gut möglich, dass man den FC Bayern nach einem Heimsieg gegen den FC Villarreal wieder als "zähes Biest" oder "gefräßiges Monster" würdigen darf, vielleicht hat der ein oder andere Schlagzeilentexter auch noch ein paar "Panzer" in seiner Schublade herumliegen. Und um Leverkusen (gegen Chelsea) und Borussia Dortmund (beim FC Arsenal) gerecht zu werden, könnten womöglich ein paar Begriffe aus den letzten Champions-League-Texten in den neuen hineinkopiert werden, "naiv" oder "Abwehrgeschenke", vielleicht sogar "Lehrstunde". Vielleicht kommt es auch noch härter, und Matthias Sammer kommt wieder zu Wort.

Der DFB-Sportdirektor hatte Leverkusens 1:3 in Valencia jüngst in einer knackigen These gebündelt: Bei Bayer werde "zu viel schöngeredet", meinte der gewohnt anspruchsvolle Sammer. Diese Kritik habe ihn an Rumpelstilzchen erinnert, schimpfte Bayern-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser und erinnerte selbst an ein Rumpelstilzchen.

Dieses kleine Geplänkel erklärt fast alles, was man über den deutschen Champions-League-Fußball der letzten Jahre wissen muss. Es gab auf der einen Seite den FC Bayern, und auf der anderen Seite Klubs, die sich immer ein bisschen ungerecht behandelt fühlten - von in- und ausländischen Medien, rothaarigen TV-Experten und am Ende gar vom Fernsehen selbst, weil es halt am liebsten die Bayern zeigt.

Ein Blick auf den vorletzten Spieltag der aktuellen Vorrunde dokumentiert, dass sich daran wenig geändert hat: Die Bayern empfangen Villarreal als Tabellenführer, dem es vor allem darum geht, am letzten Spieltag bei Manchester City ein Endspiel um Gruppenplatz eins zu vermeiden. Solche luxuriösen Sorgen hätten Leverkusen und Dortmund gerne, sie müssen darum kämpfen, überhaupt weiter vom TV-Experten Sammer beurteilt werden zu dürfen. Sie kämpfen um den Verbleib in dieser heiligen Liga - mit mehr (Leverkusen) oder weniger (Dortmund) guten Aussichten.

Die Bundesliga sei ein "Premiumprodukt", so prahlen sie gern bei der Deutschen Fußball Liga (DFL), aber außerhalb des DFL-Landes schrumpfen die besungenen Klubs mitunter zur Hausmarke. Für die Bundesliga steht in dieser Woche eine Menge Image auf dem Spiel, sie würde Europa nur zu gerne zeigen, dass sie sich den neuen, vierten Champions-League-Startplatz rechtschaffen verdient hat.

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Gemäß einer Fünfjahres-Koeffizienten-Wertung, die in etwa so leicht zu entschlüsseln ist wie der Gencode, haben die Deutschen den Italienern gerade den dritten Platz abgeknöpft, was aber eher einer breiten als einer spitzen Qualität zu verdanken ist. "Auffällig ist, dass es bei uns nicht diese Präsenz der immer gleichen Klubs gibt wie in den anderen großen Ländern", sagt Matthias Sammer.

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Neben den Bayern hatten zuletzt Bremen, Stuttgart, Schalke, Wolfsburg, Dortmund und Leverkusen ihre Auftritte auf der großen Bühne, was für eine premiumproduktspannende Ausgeglichenheit der Bundesliga spricht, aber leider nur für hausmarkenmäßige Stabilität.

"Die große Konstanz auf internationalem Niveau fehlt noch", sagt auch Joachim Löw, der es aus Bundestrainer-Sicht "ausdrücklich begrüßen" würde, "wenn es zwei, drei deutsche Mannschaften geben würde, die dauerhaft auf Champions-League-Niveau spielen. Für mich ist es schon wichtig, dass so viele Spieler wie möglich in der Champions League spielen. Im Moment ist da nur der FC Bayern eine berechenbare Größe".

Die deutschen Klubs müssen die Champions League immer noch und immer wieder lernen. Sie müssen - wie Dortmund - lernen, ihren jugendlichen Spielstil an eine abgebrühte Meisterliga anzupassen, in der ein jugendlicher Stil schnell naiv wirken kann. Sie müssen lernen, ihre Standorte nicht zu überfordern, wie sie es in Schalke und Stuttgart getan haben, wo sie Gehälter und Ablösesummen stolz auf Champions-League-Niveau hochgefahren haben, was aber keine so tolle Idee ist, wenn man im Jahr darauf die Champions League wieder verpasst.

Sie müssen lernen, eine schlüssige Personalpolitik zu betreiben, was sie in Wolfsburg traditionell für keine so tolle Idee halten. So sind alle Bayern-Begleiter schnell wieder aus der schicken Umgebung vertrieben worden, mit Ausnahme der lange Zeit tapferen Bremer, deren Standort aber irgendwann zu klein wurde, um mit jenen Klubs zu konkurrieren, die ihre Konten regelmäßig mit Champions-League-Millionen frisieren können.

"Den Dortmundern traue ich aber zu, dass sie sich auf absehbare Zeit als zweite deutsche Kraft in der Champions League etablieren", sagt Löw, "das ist ein entwicklungsfähiges Team, das schnell lernt und eine klare Spielidee hat." Sammer äußert sich fast wortgleich, auch er hält den BVB für fähig, dem Monster aus München künftig beim Europa-Erschrecken zu helfen. Wenn nicht jetzt, dann zumindest bald: "Ich denke, dass sie auch nächstes Jahr Champions League spielen", sagt Löw.

Deutschland muss also keine Angst vor der Zukunft haben, nicht einmal Bayer Leverkusen. Matthias Sammer kommt dieses Mal nicht. Er ist als Experte in München im Einsatz.

© SZ vom 22.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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