Deutsche Nationalmannschaft:Plötzlich ist Sané die große Hoffnung

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Ist wieder da: Nationalspieler Leroy Sané. (Foto: Christian Charisius/dpa)
  • Vor der Fußball-WM wurde Leroy Sané aus dem Kader gestrichen.
  • "Deine Zukunft in der Nationalmannschaft muss nach der WM beginnen", hatte Bundestrainer Löw damals gesagt.
  • Jetzt kehrt der pfeilschnelle Sané zurück und soll helfen, dass Löw überhaupt eine Zukunft als Bundestrainer hat.

Von Philipp Selldorf

In den aktiven Zeiten von Boris Becker und Steffi Graf träumte mancher deutsche Tennis-Fan davon, dass sich diese beiden wunderbaren Sportler in ewiger Liebe verbinden könnten, um noch weitere wunderbare Tennis-Asse hervorzubringen. Daraus wurde allerdings nichts, Amor hatte andere Pläne und brachte Steffi Graf mit dem amerikanischen Kollegen André Agassi zusammen. Zwei Kinder haben sie inzwischen aufgezogen, deren Tennistalente aber noch nicht öffentlich bekannt sind. Dass sich die sportlichen Begabungen der Eltern in den Kindern vorteilhaft abbilden können, ist jedenfalls keine naive Wunschvorstellung, wie Leroy Sané beispielhaft belegt.

Der 22 Jahre alte Flügelstürmer und deutsche Fußball-Nationalspieler hat das Glück, einige der besten Eigenschaften seiner überaus sportlichen Eltern geerbt zu haben: Vater Souleyman Sané, einst Bundesliga-Profi bei Wattenscheid 09 und beim Sportclub Freiburg, vermachte ihm die schnellen Beine; seiner Mutter Regina Weber-Sané, 1984 Gewinnerin einer olympischen Bronzemedaille in der rhythmischen Sportgymnastik, verdankt er Athletik und Elastizität.

Das Rheinland war für den Ruhrpott-Jungen eine Form von Ausland

Daheim im Ruhrgebiet verbrachte Leroy Sané, in Wattenscheid zur Welt gekommen, nach eigener Auskunft eine unbeschwerte Kindheit, die sich vor allem um eines drehte: Fußball. Mit seinem Vater kickte er im Garten oder auf dem Bolzplatz, und niemals hatte der kleine Leroy den Berufswunsch Baggerfahrer oder Astronaut, immer wollte er nur Fußballprofi werden. Mit acht Jahren schloss er sich Schalke 04 an, mit 18 unterschrieb er dort seinen ersten Arbeitsvertrag. Sein größtes Problem auf dem Weg ins Profiteam: dass er in den zwei Jahren, die er zwischenzeitlich für Bayer Leverkusen spielte, manchen Mitspieler nicht verstand. "Kölsch, das war ein bisschen komisch für mich", hat er mal erzählt. Das Rheinland war für den Ruhrpott-Jungen eine Form von Ausland.

So problemlos wie bei seinem Sohn waren die Umstände nicht, als Souleymane Sané in den Achtzigern Karriere im deutschen Fußball machte. Dunkelhäutige Spieler waren damals selten in den Spitzenligen, Rassismus im Stadion war für Sané Senior, geboren in Senegal, eine gewöhnliche Erfahrung. Anfangs hat er nicht verstanden, was die Zuschauer meinten, als sie "Husch, husch, husch, Neger in den Busch" riefen, nach einer Weile schon. Auch die Gegenspieler provozierten ihn mit Anspielungen auf seine Hautfarbe. Er wusste damit umzugehen. Als er bei einem Auswärtsspiel mit Bananen beworfen wurde, griff er sich eine Frucht, schälte sie und biss hinein. Nach einem gewonnenen Pokalspiel in Hamburg, bei dem er von Fans beleidigt worden war, sagte er: "Nix Neger raus - HSV raus."

Heutzutage wird im deutschen Fußball über eine andere, weniger direkte Art des Rassismus diskutiert. Der vormalige Nationalspieler Mesut Özil hat die subtilen Wirkungsweisen dieser Diskriminierung in seiner Rücktrittserklärung beschrieben. Im Kollegenkreis traf er damit einerseits auf Bedauern und andererseits auf Unverständnis, denn die Kabinen der Profiklubs sind längst Schauplätze der globalisierten Gegenwart. Ein Spieler wie Leroy Sané findet keine besondere Beachtung, weil seine Eltern aus Europa und Afrika stammen.

Auf Sané ruhen jetzt gewichtige Hoffnungen für den Neubeginn der Nationalelf, zumal nachdem Özil, auch er ein Kind des Ruhrgebiets und ehemaliger Schalker, mit Getöse abgetreten ist. Der Bundestrainer hatte vor der WM im letzten Moment entschieden, den Angreifer vom englischen Meister Manchester City zu Hause zu lassen. "Deine Zukunft in der Nationalmannschaft muss nach der WM beginnen", hatte Jogi Löw den Spieler zu trösten versucht. Jetzt ist der hochtalentierte Sané nicht mehr nur für sein eigenes Fortkommen zuständig. Sondern auch für den Fortbestand von Löws Bundestrainer-Zukunft.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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