Löw und Özil:Enttäuscht vom Lieblingsschüler

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  • Bundestrainer Joachim Löw gibt bei seiner WM-Analyse Fehler im Umgang mit den Erdogăn-Fotos zu.
  • Doch er zeigt sich auch enttäuscht vom aus dem DFB-Team zurückgetreten Mesut Özil, den er vergeblich versucht habe zu erreichen.
  • Mit Blick auf İlkay Gündoğan appelliert Löw ans Publikum: "Ich hoffe auf Verständnis von allen Fans, dass sie ihn gerade unterstützen."

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Irgendwann klang es fast schwärmerisch, wie Joachim Löw sprach. So vieles hätten er und dieser Spieler gemeinsam erlebt, sagte der Bundestrainer. Er sei auch immer noch der Meinung, dass dieser Spieler einer der besten deutschen Akteure der vergangenen 20, 30 Jahre war. Einer, der das Spiel beeinflussen könne. Und als ihn jemand fragte, wie er in seiner Mannschaft denn künftig die Position hinter den Spitzen zu besetzen gedenke, da wirkte es so, als würde Löw am liebsten antworten: mit Mesut Özil.

Natürlich ist der zurückgetretene Mittelfeldspieler auch ein zentrales Thema gewesen bei dieser sogenannten WM-Analyse in der Münchner Arena. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) musste sich im Sommer ja sehr oft den Vorwurf anhören, in der Causa Özil eine sehr schlechte Figur abzugeben. Der Verbands-Präsident Reinhard Grindel, der Nationalelf-Chef Oliver Bierhoff und auch der Bundestrainer Joachim Löw. Nicht nur, aber zum Beispiel, weil er so lange schwieg zu diesem Thema, selbst nach Özils Rücktritt vor mehr als einem Monat. Am Mittwoch kam Löw gar nicht mehr darum herum, etwas zu sagen.

"Ich hätte mir gewünscht, dass er mich informiert"

Also sagte Löw zum Beispiel, dass sie die Sache mit den Fotos "absolut unterschätzt" hätten. Jene Aufnahmen aus dem Mai, die Özil und seinen Mitspieler İlkay Gündoğan gemeinsam mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan zeigten und die am Beginn der Affäre standen. Er habe gedacht, dass mit einem gemeinsamen Besuch der Spieler beim Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier das Thema beendet sei. So habe es Kraft gekostet, weil die Affäre immer da gewesen sei. Aber eine Ursache fürs WM-Aus wollte Löw darin nicht erkennen.

Daneben hielt er Özil auch vor, wie der seinen Rücktritt begründet habe. "Mit seinen Rassismus-Vorwürfen gegen den DFB hat er überzogen", sagte Löw. Nie habe es in der Nationalmannschaft Rassismus gegeben. Dabei war das gar nicht der Vorwurf, der in Özils Rücktrittserklärung stand. Die richtete sich gegen das Verhalten der Verbandsführung.

Vor allem zeigte sich Löw enttäuscht darüber, wie sein einstiger Lieblingsschüler den Rücktritt vollzogen habe. Nachmittags gegen 16 Uhr habe ihn der Berater informiert, dass gleich Özils Erklärung erfolge, obwohl es doch bei Rücktritten üblich sei, dass der Spieler das selbst mache. "Ich hätte mir gewünscht, dass er mich informiert über so einen Schritt, ich hätte mich austauschen können mit ihm", sagte Löw - ganz so, als habe er zumindest damals geglaubt, Özil doch noch umstimmen zu können.

Mehrmals habe er seither versucht, Kontakt aufzunehmen, per Telefon, per SMS, aber: "Es ist mir nicht gelungen, ihn ans Telefon zu bekommen." Und deswegen habe er bisher auch geschwiegen zur Causa Özil. Teammanager Oliver Bierhoff sagte: "Dass dieser Rücktritt so vollzogen wurde, schmerzt uns alle, ihn ja auch."

Özils Management antwortete auf Nachfrage zu dieser Schilderung zunächst nicht. Für Löw ist das durchaus eine besondere Situation. Sein eigener Berater Harun Arslan (Hannover) und Özils Berater Erkut Sögüt (London) waren lange Zeit eng miteinander verbandelt. Noch als die Aufregung um die Erdoğan-Fotos losbrach, waren sie ausweislich der eigenen Internetseite Kooperationspartner. Selbst manche führenden DFB-Funktionäre deklarierten das in vertraulichen Gesprächen zu einem Interessenskonflikt.

Insgesamt dürfte das Thema rund um die Nationalmannschaft noch längst nicht beendet sein. Denn während Mesut Özil seinen Rücktritt aus dem Team erklärte, will İlkay Gündoğan weiterhin für die DFB-Elf antreten - und wurde auch für die Spiele kommende Woche gegen Frankreich und Peru nominiert. Nach der Publikation der Fotos im Mai waren beide Akteure bei Testspielen der deutschen Mannschaft vor der WM ausgepfiffen worden. Gündoğan positionierte sich danach aber etwas anders als Özil. Er ließ recht früh eine Erklärung abgeben, und vor wenigen Tagen erklärte er sich noch einmal in einem Interview.

"İlkay hat das Foto gemacht, er hat sich erklärt, es war nicht glücklich", sagte Bundestrainer Löw nun. "İlkay hat sich nochmals bekannt zu den deutschen Werten, zur Mannschaft. Sicherlich schlagen zwei Herzen in seiner Brust. Ich hoffe auf Verständnis von allen Fans, dass sie ihn gerade jetzt unterstützen. Er hat unter diesen Situationen auch sehr gelitten."

Mit Appellen diese Debatte zu beenden, wird nicht leicht - das haben schon jene Testspiele vor der WM gezeigt, als es nicht funktionierte.

© SZ vom 30.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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