Deutsche Handballer verlieren gegen Dänemark:Tore fallen nicht vom Himmel

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Ein Remis hätte bereits das Halbfinale bedeutet, doch es wurde eine Niederlage: Deutschlands Handballer verlieren gegen Dänemark ihr zweites Spiel bei der EM, weil ihnen nach gutem Beginn die Konzentration verloren geht - und die Dänen hinten sicher stehen. Dennoch hat das DHB-Team weiter Chancen auf ein Weiterkommen.

Joachim Mölter, Belgrad

Christian Sprenger schaute hoch an die Decke, wo in der Belgrad Arena der Videowürfel und die Anzeigetafeln hängen. Er schaute lange. Vielleicht wollte er sich vergewissern, dass das Spiel der deutschen Handballer tatsächlich schon zu Ende war; vielleicht hoffte er auch, dass irgendwie noch ein, besser zwei Tore vom Himmel fielen. Aber nichts geschah. Die deutschen Handballer hatten verloren, 26:28 (14:17) gegen Dänemark. Und damit die Chance verspielt, sich vorzeitig für das Halbfinale bei der Europameisterschaft in Serbien zu qualifizieren. Hängenden Kopfes schlich der Rechtsaußen vom THW Kiel mit seinen Teamkollegen vom Feld.

Weil Polen zuvor 25:27 (12:18) gegen Mazedonien verloren hatte, hätte der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) ein Unentschieden genügt - sie wäre dann nicht mehr von einem der ersten beiden Tabellenplätze in der Hauptrundengruppe I zu verdrängen gewesen. Aber nun entscheidet erst das letzte Gruppenspiel am Donnerstag (16.15 Uhr/ZDF) gegen Polen darüber, wer am Wochenende um die Medaillen spielen darf. "Wir haben schon so viele Endspiele hier gehabt", sagte Bundestrainer Martin Heuberger: "Ich denke, die zweite Chance lassen wir uns nicht entgehen."

Der 47-Jährige hatte seine Startformation erneut auf zwei Positionen verändert. Zum einen gewährte er dem Mannheimer Rechtsaußen Patrick Groetzki nach zwei durchgespielten Partien eine Pause und Sprenger dadurch seinen ersten EM-Einsatz von Beginn an. Zum anderen kehrte der bei diesem Turnier bislang so glücklos agierende Kapitän Pascal Hens ins Team zurück, obwohl er vor zwei Tagen noch von einem Magen-Darm-Virus niedergestreckt worden war. "Er hat gestern im Training einen guten Eindruck hinterlassen", begründete Heuberger die Maßnahme, "außerdem wollte ich ihm Sicherheit geben, wenn er von Anfang an mitspielen kann."

Hens konnte freilich abermals keine Impulse geben, nach zwanzig Minuten nahm der Trainer ihn wieder vom Feld: "Er war mit der Physis am Ende." Der Rückraumspieler vom Meister HSV Hamburg selbst sagte: "Ich war mit meiner Leistung nicht zufrieden." Dreimal hatte er aufs Tor geworfen und dreimal nicht getroffen, dazu zweimal den Ball an die Dänen verloren. Der Kapitän gerät mehr und mehr zum tragischen Fall.

5:1-Führung zum Auftakt

Dabei hätte der fulminante Beginn ihm und seinen Nebenleuten Sicherheit geben müssen. Schon nach viereinhalb Minuten nahm Dänemarks Coach Ulrich Wilbek eine Auszeit, um ihren Schwung zu bremsen - die Deutschen führten 4:1 und Uwe Gensheimer stockte unmittelbar nach Wiederbeginn mit seinem bereits dritten Tor noch auf 5:1 auf. Erst danach kamen die Dänen besser ins Spiel, zwei Minuten genügten ihnen, um aus einem 8:10 (21.) ein 12:10 (23.) zu machen. "Von da an haben wir das Spiel ganz gut kontrolliert", fand Wilbek. Am Ende half auch, dass Torhüter Niklas Landin großartig hielt. "Dadurch kamen die Deutschen uns nicht mehr nahe", sagte Spielmacher Bo Spellerberg.

Dass wir nach zwanzig Minuten unseren Rhythmus verloren haben, war unser größtes Problem", fand Rückraumspieler Sven-Sören Christophersen. Sein Team leistete sich in dieser Phase einige Ballverluste und ermöglichte den Dänen dadurch einfache Gegenstoßtore. Vor denen hatte der Bundestrainer seine Spieler ausdrücklich gewarnt: "Wenn man sie so spielen lässt, wird´s gefährlich."

Man hat bei diesem Turnier bislang den Eindruck gewonnen, als sei einigen Mannschaften die Olympia-Qualifikation im April wichtiger als die aktuelle Europameisterschaft. Auch die Dänen waren etwas lustlos durch die Vorrunde gerumpelt. Dem Pflichtsieg über Außenseiter Slowakei (30:25) folgten unerwartete Niederlagen gegen Gastgeber Serbien (22:24) und die ersatzgeschwächten Polen (26:27) sowie zu Beginn der Hauptrunde ein schwer erkämpftes 33:32 über Mazedonien. Sie stehen vermutlich unter einem noch größeren Druck als die Deutschen. "In Dänemark wäre es eine Tragödie, wenn wir das Semifinale nicht erreichen sollten", sagte ihr Coach Wilbek.

Der für Kapitän Hens ins Spiel gekommene Lars Kaufmann, der wie drei seiner Teamkollegen auf vier Tore kam, erinnerte nach der Niederlage daran, dass die Dänen immerhin WM-Zweiter sind: "Die haben nun mal ein gutes Team." Auch Heuberger erklärte die Klasse des Gegners zum Hauptgrund der Niederlage: "Die Dänen sind ja auch nicht doof." Lange Niedergeschlagenheit seiner Spieler erwartet er jedenfalls nicht: "Ich glaube, dass sie morgen ihre Köpfe wieder oben haben werden."

© SZ vom 24.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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