Französischer Fußball:Die Bauern jubeln

Lesezeit: 2 min

Im Ausland wird die Ligue 1 gerne belächelt, nun stellt sie zwei Halbfinalisten: auch den großen Außenseiter Olympique Lyon. (Foto: dpa)

Viele ausländische Kritiker nennen die französische Liga gerne "Farmers League", Bauernliga. In Lissabon feiert Frankreichs Vereinsfußball nun eine gar nicht so stille Revanche.

Kommentar von Oliver Meiler

Es ist ein Mix aus euphorisierter Ungläubigkeit und einem Gefühl von gar nicht so stiller Revanche: Frankreich feiert die doppelte Präsenz seines Fußballs in den Halbfinals der Champions League ziemlich ausgelassen. Das hatte es ja auch noch nie gegeben, eine historische Premiere also. Was deshalb auch noch nie vorkam: zwei französische und zwei deutsche Vereine unter den letzten Vier - der Henkelpott, verhandelt auf der politischen, aber nicht fußballerischen Hauptachse Europas. Und: Zum ersten Mal seit 1991 ist im finalen Quartett der Königsklasse kein englisches, spanisches und italienisches Team vertreten. Damals hieß der Wettbewerb noch Europapokal der Landesmeister.

Dennoch fragt man sich gerade bei Halbfinal-Teilnehmer Lyon, warum es so gut läuft. Bisher hatte man immer geglaubt, der Abbruch der Ligue 1 wegen Corona habe die französischen Vereine benachteiligt: Fast ohne Spielpraxis auf die europäische Bühne, während alle Gegner warm gespielt sind, das mutete wie ein Himmelfahrtskommando an. Olympique Lyon war auch der Klub, der sich am stärksten darüber beklagt hatte, und das war kein Wunder: Man beschloss die stillgelegte Liga auf Rang sieben. Präsident Jean-Michel Aulas sprach von einer unerhörten Ungerechtigkeit, er drohte mit dem Gang vor die Justiz. Nun sieht es so aus, als sei die Pause bei allem Unglück ein kleiner Segen gewesen.

Im Viertelfinale gegen Manchester City liefen die Franzosen jedenfalls viel mehr und leichter als die Engländer, was nicht nur der Spielanlage geschuldet war: 114,8 Kilometer insgesamt gegen 105,7 Kilometer. Es war, als habe bei OL ein Mann mehr auf dem Platz gestanden, schrieb Le Progrès, die Hauszeitung der Lyonnais. Überall wird nun auch Paolo Rongoni interviewt, Lyons italienischer Konditionstrainer. Der erzählt, man habe schon im Juni mit dem Aufbautraining begonnen, zunächst lange nur an der Kraft gearbeitet, dann nach und nach am Rest - ein Programm wie vor Saisonbeginn. Mit jedem weiteren Spiel steige jetzt die Leistung. Die Wirkung ist augenfällig.

Der französische Vereinsfußball verdient sich in Lissabon eine Respektsnote

Der Argumentationslinie von Klubboss Aulas kommt das ein wenig ungelegen, aber er wehrt sich standhaft gegen die These des Glück bringenden Meisterschaftsabbruchs. Er hat nämlich eine andere. Die Spieler, sagte er nach dem Sieg gegen City, hätten ihre Kraft aus der Ungerechtigkeit gezogen. Der Zorn auf die Regierung und auf den Verband als alleiniger Antrieb? Das ist natürlich ein Witz, er macht nebenbei die Meriten seiner Mannschaft unnötig klein. Immerhin hat Lyon Pep Guardiolas Ensemble ausgekontert, buchstäblich und ideell-taktisch, und das konnte man so nicht erwarten.

Vielleicht kam den Franzosen entgegen, dass sie das nur einmal schaffen mussten. Lyons Sportdirektor Juninho, eine alte Größe des Vereins, räumte erfreulich selbstkritisch ein, dass der Modus dem Underdog half. Mit Rückspiel wäre das alles viel schwieriger gewesen.

Dennoch verdient sich der französische Vereinsfußball in Lissabon eine Respektsnote. "Farmers League", so nennen viele Kritiker im Ausland die Ligue 1: Bauernliga. Oft zurecht. Le Parisien schreibt, die Bauern seien nun für die Ernte bereit. "Alle glauben, Bayern habe den Titel schon auf sicher. Wir aber würden unseren Lohn nicht darauf wetten." Apropos Bauernliga: Kylian Mbappé, der Stürmer von PSG, twitterte nach Lyons Triumph: "Farmers League" - dazu das Emoticon eines höhnisch lachenden Clowns.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

© SZ vom 18.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Kylian Mbappé
:Der Unterschiedsspieler aus der Vorstadt

Kaum ist Kylian Mbappé genesen, ist Paris Saint-Germain in der Champions League konkurrenzfähig. Der 21-jährige Hochgeschwindigkeitsfußballer trägt auch im Halbfinale gegen Leipzig die Last des teuren Ensembles.

Von Oliver Meiler

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: