Champions League:Barcelona tanzt, Wolfsburg weint

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Zum zweiten Mal nach 2021 haben die Fußballerinnen des FC Barcelona die Champions League gewonnen. (Foto: Yves Herman/Reuters)

Im Finale der Champions League unterliegen die deutschen Vertreterinnen nach 2:0-Führung noch mit 2:3. Das Spiel gerät zur Werbung für den Frauenfußball - vor allem aber zur Werbung für den FC Barcelona.

Von Anna Dreher, Eindhoven

Marina Hegering wollte das alles nicht sehen, es tat zu sehr weh. Sie ging in die Hocke und drehte sich weg. Ihr Blick ging zur Tribüne, aber was sie dort sah, machte es auch nicht besser. Dort hüpften und sangen die Fans des FC Barcelona euphorisch und schließlich noch euphorischer: Denn kurz nachdem sich Hegering umgedreht hatte, riss ein paar Meter entfernt Alexia Putellas umgeben von ihren Mitspielerinnen den großen, silbernen Pokal der Champions League in die Höhe, vor ihr eine weiße Bande, auf der "Winner" geschrieben stand, Sieger.

Hegering und der VfL Wolfsburg aber waren an diesem Samstagnachmittag vor 33 147 Zuschauern im Eindhovener Stadion die Verliererinnen. Und das schmerzte besonders, weil es erst so ausgesehen hatte, als würden sie es sein, die zum dritten Mal in der Vereinsgeschichte und zum ersten Mal nach 2014 auf dem Podium jubeln. Auch Alexandra Popp stand nach dieser dramatischen Partie noch lange abseits mit Tränen in den Augen. "Wenn du so nah dran bist und das Spiel aus der Hand gibst, dann tut es einfach nur brutal weh. Wir hatten sie eigentlich", sagte Popp. Und Tommy Stroot meinte: "Ich brauche ein paar ruhige Gedanken und muss mir die Szenen anschauen, es geht um Details."

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Es dauerte lange, bis Wolfsburgs Trainer zur Pressekonferenz erschien. Der 34-Jährige wirkte sehr niedergeschlagen, in seine Aussagen aber legte er Anerkennung über die Leistung seines Teams: "Das Erreichen des Finals war schon ein Riesending", sagte er. Das werde in Zukunft kaum leichter werden angesichts der internationalen Entwicklung mit finanzstärkeren Klubs: "Aber wir wissen, dass wir relativ nah dran sind an diesen Mannschaften, wenn wir mit unserer Art und Weise spielen." Insgesamt hätten die Zuschauer ein tolles Spiel gesehen, eines, das Werbung für den Frauenfußball gewesen sei.

Es war vor allem Werbung für den FC Barcelona. Dessen Spielweise begeisterte und unterstrich die Klasse dieses Teams - das es auch ohne die lange verletzte und erst in der 89. Minute eingewechselte zweimalige Weltfußballerin Alexia Putellas ins Finale geschafft hatte. Barça stand zum vierten Mal in fünf Jahren im Endspiel des wichtigsten Klubwettbewerbs, nach 2021 ist es der zweite Titel für die Frauen. Danach ausgesehen hatte es anfangs jedoch nicht.

In den vergangenen vier Endspielen hatte stets jenes Team gewonnen, dem der erste Treffer gelungen war

Zwar testete Patricia Guijarro schon nach 44 Sekunden VfL-Keeperin Merle Frohms. Die ersten Tore des Nachmittags schossen aber die Wolfsburgerinnen. Lucy Bronze wollte sich in der Nähe des eigenen Strafraums gerade sortieren und war dabei so auf ihre eigenen Mitspielerinnen fokussiert, dass die sie von hinten Ewa Pajor nicht kommen sah. Die Polin schnappte sich den Ball, rannte zum Halbkreis und zog in der dritten Minute unbehelligt mit voller Wucht ab. Sandra Paños streckte sich, die Torhüterin der Katalaninnen kam auch noch ran - aber das reichte nicht. Wolfsburg führte, dank Pajors neunten Treffer im elften Champions-League-Spiel. So oft hat in dieser Saison keine andere in diesem Wettbewerb getroffen.

Wie die Spielerinnen ein grünes Jubelknäuel auf dem Rasen bildeten und wie ekstatisch sich auch die Wolfsburger Bank inklusive des sonst sehr kontrollierten Stroot freute, zeigte die enorme Erleichterung über den Vorsprung. Dieses Gefühl blieb dem Team erhalten - allerdings erstmal in all jenen Szenen, in denen Barça nicht ausgleichen konnte.

Denn die Favoritinnen hielten den Druck aufrecht, sie suchten und fanden nicht zuletzt mit ihrem typischen Kurzpassspiel Räume und kamen immer wieder gefährlich in den Wolfsburger Strafraum und zu Abschlüssen. Der Ball gehörte ihnen, nur das Tor nicht. Entweder, es war ein Wolfsburger Körperteil im Weg, oder es fehlte an Präzision, manchmal auch Glück, bisweilen eine Mischung aus beidem. Eine der größten Chancen hatte Irene Paredes, die mit einem Kopfball nach einer Ecke nur knapp das Ziel verfehlte.

In den vergangenen vier Endspielen hatte stets jenes Team gewonnen, dem der erste Treffer gelungen war. Barcelona weiß das aus eigener Erfahrung aus den Jahren 2019, 2021 und 2022 - vor zwei Jahren zur eigenen Freude. Das Jahr, in dem es zuletzt anders lief, war 2018, als Wolfsburg führte und doch noch 1:4 gegen Olympique Lyon verlor. Und auch, wenn es erst nicht danach aussah: Auch diesmal kam es zu einer solchen Wende. Nach all den vergebenen Möglichkeiten Barcelonas untermauerten die Wolfsburgerinnen ihre an diesem Tag enorme Effizienz in der 37. Minute: Felicitas Rauch sah Pajor links, die schickte den Ball präzise in den Strafraum, wo Alexandra Popp mit der für sie so typischen Art und Weise per Kopf auf 2:0 erhöhte.

Alexandra Popp trifft zum 2:0. (Foto: Kenzo Tribouillard/AFP)

Wolfsburg müsse "taktisch einfach sehr gut und sehr clever" auftreten, hatte Popp vor ihrem siebten Champions-League-Endspiel gesagt, eines mit Duisburg (2009) und zwei mit Wolfsburg (2013, 2014) hatte sie davon gewonnen: "Ich glaube, dass wir die Möglichkeit haben, definitiv dagegen anzugehen und die deutsche Art dann auf dem Platz zu zeigen." Mit ihrem Tor ist die 32-Jährige nun nach Ada Hegerberg die erst zweite Fußballerin, die in vier verschiedenen Finals der Königsklasse treffen konnte: Popp hatte auch 2014, 2016 und 2020 ein Tor erzielt.

Barcelona berauscht sich am schnellen Comeback

Aber so verschwenderisch Barcelona im ersten Durchgang mit Chancen umgegangen war, so gnadenlos nutzten sie diese nach der Pause aus. Der erste Schuss von Mariona Caldentey landete noch in den Armen von Frohms. Aber dann ließen die Wolfsburgerinnen in der 48. Minute erst ihre frühere Mitspielerin Caroline Graham Hansen auf der rechten Strafraumseite gewähren - und auch deren Kollegin Guijarro weiter im Zentrum sträflich unbewacht. Prompt stand es nur noch 2:1. Völlig berauscht von diesem schnellen Comeback versuchte es Barça in der 50. Minute gleich noch mal. Diesmal kam die Flanke von Aitana Bonmatí, die Vollstreckerin war die gleiche. Zwischen den beiden Treffern von Guijarro vergingen nur 108 Sekunden.

Die Fans der Blaugrana hatten das Stadion in Eindhoven schon zuvor akustisch in ihre Heimstätte verwandelt, nach dem 2:2-Ausgleich nahm die Lautstärke weiter zu und dann, in der 70. Minute, brach das Glück ein weiteres Mal aus den hüpfenden, singenden, klatschenden, Schals und Fahnen schwenkenden Fans heraus. Die Wolfsburgerin Lynn Wilms kam im Strafraum zwar an den Ball, doch statt ihr Team mit einem Schuss aus der Situation zu befreien, leitete sie die Misere erst ein: Sie traf Mitspielerin Kathrin Hendrich, der Ball landete bei Fridolina Rolfö und von dort unhaltbar für Frohms zum 3:2 im Tor. Stroot wechselte, doch die Partie war entschieden, Barcelona tanzte - und Wolfsburg weinte.

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