Pokal-Aus der Borussia:Nächster Sturz ins schwarze Loch

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Beim 1:2 gegen den erstklassig auftretenden FC St. Pauli bestätigen die Dortmunder ihr eigenes Klischee. Das Aus im Pokal verschärft die Debatten um die rätselhafte Inkonstanz des Teams - und um einen möglichen Haaland-Abschied.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Marco Rose schien nicht unglücklich darüber zu sein, dass er den Ort des Ungemachs bald verlassen durfte. Der Trainer von Borussia Dortmund hatte auf dem Podium geduldig die Fragen der Journalisten beantwortet, er hatte über Taktik geredet und über fehlenden Esprit, er hatte das vorangegangene Spiel einen "Pokal-Nicht-Fight" genannt und über fehlende Konstanz geklagt. Dann die Erlösung: Rose erhielt die Nachricht, dass der BVB-Bus abfahrbereit auf dem Parkplatz stehe, weshalb er jetzt auch dringend losmusste, raus aus dem Hamburger Millerntor-Stadion und zurück nach Westfalen.

Der Coach winkte pflichtbewusst in die Kamera, er winkte dem St. Pauli-Trainer Timo Schultz - und damit war es dann auch formell besiegelt: Der BVB verabschiedet sich im Achtelfinale des DFB-Pokals, nach einer verdienten 1:2-Niederlage am Dienstag bei den an diesem Abend erstklassigen Kiezkickern.

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Das Problem ist nur, dass der FC St. Pauli sein Rebellentum offiziell in der zweiten Liga auslebt, und das nächste Problem ist, dass die Dortmunder schon auch ihren Teil zu dieser Verschiebung auf dem Kräfte-Barometer beigetragen haben. Ganz zu schweigen von dem Umstand, dass der Titelverteidiger sich um die Möglichkeit gebracht hat, den Wettbewerb zwei Mal in Serie zu gewinnen.

Es wäre leichter gewesen für den BVB, den Pokal zu holen

Und das in einer Pokal-Saison, in der die lästigen und dauerdominanten Bayern im Januar schon raus waren. Die Dortmunder haben sich deshalb um eine recht komfortable Busfahrt zum Finale nach Berlin gebracht, was von enormer Wichtigkeit gewesen wäre, da die attraktiven Reiseziele Mailand und Madrid aufgrund des Ausscheidens in der Champions League-Vorrunde auch schon nicht mehr angesteuert werden.

Et voilà: Der BVB bestätigt mal wieder sein eigenes Klischee.

So ähnlich formulierte es nach der Niederlage auf St. Pauli der Trainer Rose, der auch nicht nicht so ganz verstehen konnte, was mit seiner Mannschaft seit dem fulminanten 5:1-Sieg am Freitag gegen Freiburg passiert war. Mal wieder sind die Dortmunder in ein unerklärliches schwarzes Leistungsloch gestürzt, als es eigentlich super für sie zu laufen schien, im genau falschen Moment also, denn sie hatten sich in den vergangenen Wochen als stabiles Gefüge präsentiert und sich den Status als zumindest halber Herausforderer des FC Bayern zurückerkämpft.

Dortmunds Trainer Marco Rose konnte sich vieles selbst nicht erklären. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Das frühe Pokal-Aus befeuert natürlich wieder jene Debatten, die unter dem in der Branche beliebten Fachbegriff "Mentalität" geführt werden. Und das aktiviert bei Erling Haaland womöglich genau jene Hirnregionen, in denen sich Spitzenstürmer ihre Gedanken machen über Offerten von echten Spitzenklubs, die per Vereinssatzung zu regelmäßigen Titelgewinnen verpflichtet sind.

"Wir sind zu inkonstant", sagte Rose, diesen Vorwurf müsse man sich "anhören" und "gefallen lassen". An so einem Pokalabend müsse man eben mit "viel Wucht, viel Power, viel Tiefe" auftreten - so, wie es Rose zufolge nur die aufmüpfigen Paulianer getan hatten. Die Kiezkicker führten der Partie bewusst jenes archaische Element zu, das laut Drehbuch erforderlich ist für einen Favoritensturz. Aber das Drehbuch hatte es auch gut gemeint mit St. Pauli, weil es sie nach vier Minuten durch Stürmer Etienne Amenyido in Führung gehen ließ und ihnen auf diese Weise gleich ein wichtiges Signal sendete: Seht her, liebe Underdogs, die Dortmunder sind verwundbar heute Abend!

Die Paulianer hatten verstanden. Sie versetzten den BVB in einen permanenten Stresszustand, je nach Aufenthaltsort des Balles entweder mit einem mutigen Pressing, einem rigorosen Defensivverbund oder mit ambitionierten Vorstößen. Und da es das Drehbuch so wollte, ließ es nach 40 Minuten die so indisponierten wie uninspirierten Dortmunder durch den Mittelfeldmann Axel Witsel ins eigene Tor treffen.

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Nach 40 Minuten stand es 2:0 für den Kiezklub, die Zutatenliste für die Pokal-Sensation war jetzt nahezu vollständig. Über die Details berichtete Trainer Rose selbst: Keine Breite auf den Flügeln, eine mangelhafte Besetzung der Schnittstellen, eine unnötige Fahrigkeit im Spielaufbau - und das gegen eine Gruppe von Fußballern, deren oberstes Ziel es war, bis Dienst-Ende möglichst viele Fleißsternchen eingesammelt zu haben.

Beeindruckend für alle Pauli-Fans und bedrückend für alle BVB-Anhänger war überdies, mit welcher Gleichgültigkeit St. Pauli den Dortmunder Anschlusstreffer zur Kenntnis nahm: Stürmer Haaland verwandelte einen Handelfmeter, den es nicht zwingend hätte geben müssen (58.). Aber ein richtiges Aufbäumen? Eine kollektive Energieleistung, um die wohl einzige Titelchance der Saison zu wahren? Eher nicht. "Es war ein komplett schlechter Tag von uns", sagte der BVB-Kapitän Marco Reus, der für diese Analyse sicher keine Abmahnung aus der Führungsetage des Klubs befürchten muss.

Der Dienstagabend wird in Dortmund nun alle Diskussionen zuspitzen und neu belichten, vom Ergebnis am Samstag gegen die TSG Hoffenheim könnte abhängen, ob sich das Pokal-Aus als Schwächeanfall zur Unzeit verharmlosen oder ob es doch tiefer blicken lässt. "Wir haben unsere Aufgabe nicht erfüllt", lautete das Fazit des Trainers Rose. Einen kleinen Triumph hat diese Pokalrunde immerhin hervorgebracht: St. Pauli darf sich nicht mehr nur mit dem inoffiziellen Titel "Weltpokalsiegerbesieger" schmücken, seit sie 2002 die Bayern am Millerntor schlugen. Die Kiezkicker sind jetzt auch ein DFB-Pokalsiegerbesieger.

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