Borussia Dortmund:Ein überzeugender Neunzigminüter

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Zwei Tore - und Aussagen zu seiner Zukunft: Erling Haaland sagte nach dem Spiel, der BVB würde ihn "unter Druck" setzen. (Foto: via www.imago-images.de/imago images/MIS)

Der BVB zeigt beim 5:1 gegen Freiburg eines seiner besten Saisonspiele und hofft nun auf die ersehnte Konstanz. Erling Haaland trifft doppelt - und sagt nach dem Spiel, der Verein würde ihn bei seiner Zukunftsplanung unter Druck setzen.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Die Akustik moderner Stadien gibt so einiges her. Am Freitagabend zum Beispiel konnten selbst 750 Menschen, also weniger als ein Prozent der gewohnten Zuschauer-Kapazität der Dortmunder Fußball-Schüssel, einen Hauch von Begeisterung in Schallwellen ausdrücken. Manchmal, so hatte man den Eindruck, waren die Corona-Auserwählten auf Haupt- und Südtribüne beim 5:1 ihrer Borussia gegen den Sportclub Freiburg allerdings eher verblüfft als völlig aus dem Häuschen. So sehr überraschte die eigene Mannschaft offenbar ihr symbolisches Publikum.

Das kollektive Augenreiben ging nach dem Spiel weiter. So klar, entschieden und dominant, und das über fast volle 90 Minuten, hatte man den BVB in dieser Saison noch nicht spielen sehen. Und vor allem auch bisher noch nie unter der Leitung von Trainer Marco Rose. Kein Wunder, dass es nachher Fragen nach der Nachhaltigkeit dieses Sieges gab. Am einfachsten konnte einmal mehr Dortmunds Julian Brandt Antworten geben: "Nachhaltigkeit ist, dass man dauernd gewinnt. Siege machen Nachhaltigkeit." Mannschaftskollege Mo Dahoud wollte noch ergänzen: "Und Arbeit."

Brandt hatte die Scorerpunkte für Dortmunds erste beiden Tore verbucht, beide Male mit sehr genau und fein geschossenen Eckbällen, die beide Male ausgerechnet Thomas Meunier per Kopf verwandelte, der bisher weder als Torjäger noch als Kopfball-Spezialist aufgefallen war. Die erkennbare Einstudiertheit beider Szenen, die zum frühen 2:0-Zwischenstand führten, deutete auf Mo Dahouds Ansatz von der "Arbeit" hin, aber technisch begabte Typen wie Brandt und Dahoud leben auch davon, die eigenen, beinahe gottgegebenen Talente auch wirklich nachhaltig zu nutzen.

Brandt reichte deshalb mehr Gedanken zur neumodischen Parole der Nachhaltigkeit nach: "Natürlich hat das immer auch etwas mit dem Kopf zu tun. Wir haben versucht, viele unserer Fehler anzusprechen und im Training daran zu arbeiten." Brandts Kollege Dahoud gelang vor dem 4:0 ein besonders feines Anspiel auf den Torschützen Erling Haaland, und das 5:0 schoss er gleich selbst. Nach dem spät und kollektiv erzwungenen 3:2 vergangene Woche bei Eintracht Frankfurt ist der BVB so gut in die Rückrunde gestartet, dass die scheinbar schon enteilten Bayern vorerst wieder in Sichtweite sind.

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Freiburgs Trainer Christian Streich verfolgte einen Großteil der BVB-Festspiele mit beinahe versteinerter Miene. "Wenn du dir gegen Dortmund zwei Gegentore durch Eckbälle fängst, dann wird es einfach brutal schwer." Streichs Mannschaft, bisher in Auswärtsspielen selten in Verlegenheit geraten (sie kassierte nur sieben Gegentore in der Hinrunde), schien mit der erstaunlichen Passintensität und Passklarheit der Dortmunder von Anfang an nicht klarzukommen. Wie von Geisterhand schien das BVB-Spiel ferngesteuert, mit anscheinend schlafwandlerisch sicheren Wechseln der Angriffszonen. Ob Freiburg nun eher einen schwarzen Tag erwischte, oder bei Dortmund endlich die Automatismen zuverlässig einrasteten, die bisher oft im Dauer-Wackelkontakt aufblitzten - es war am Ende nicht mit Sicherheit zu sagen.

Dortmunds Trainer Marco Rose waren in der Hinrunde viele Arbeitssiege gutzuschreiben, aber seine hochbegabten Spieler hatte er so gut wie nie zu wirklich überzeugenden Neunzigminütern anhalten können. Nach dem beeindruckenden 5:1 wollte Rose aber gerne Zuversicht ausstrahlen, und gab sogar zu, man wolle "natürlich" auch um die Meisterschaft mitspielen. "Wir wollen vorne dranbleiben, sind aber in einigen Spielen zu inkonstant geblieben." Rose lobte das Pressing, die guten Balleroberungen, das klare Positionsspiel, fand aber: "Bei so einer Dominanz musst du eigentlich noch mehr Torchancen herausholen."

Bellingham zieht die Mannschaft mit

Der Trainer selbst hat eine Weile gebraucht, um seine zeitweilig verletzten Mittelfeld-Spieler Brandt und Dahoud in die jetzt gefundene Formation zu schieben, als Ergänzung zum ohnehin und fast immer herausragenden Jude Bellingham, dem diesmal die Vorlage zum zwischenzeitlichen 3:0 durch Haaland gelang. Der Engländer ist mit 18 Jahren schon ganz erkennbar der Dirigent im BVB-Spiel. Fast egal, ob der Rest der Mannschaft mitzieht, wie an diesem Abend, oder eben nicht. Bellingham bringt das Dortmunder Spiel so auf den Punkt, wie es der Trainer sich vermutlich von allen anderen wünschen würde.

Der junge Engländer zeigt also klare Top-Spieler-Tendenzen, aktuell noch im Schatten von Erling Haaland, den die 750 auf den Sitzschalen mit erstaunlichem Echogesang abfeierten, als gäbe es keine Corona-Beschränkungen. Haaland bleibt der umjubelte Torjäger, aber nach dem Spiel verlor sich der junge Norweger dann in Interview-Äußerungen bei seinem Landsmann Jan-Aage Fjörtoft und für das norwegische Fernsehen. Der Verein, so Haaland sinngemäß, dränge ihn bezüglich seiner Zukunft zu Entscheidungen, obwohl er doch eigentlich nur Fußball spielen wolle. Deshalb müsse er jetzt wohl Entscheidungen treffen.

Dortmund glaubt, Haaland halten zu können

Das übliche Geraune von jungen Fußballprofis, dem man anhört, dass es offenbar vom sogenannten Umfeld beeinflusst wurde. Tatsächlich drängen Dortmunds Chefs Michael Zorc und Hans-Joachim Watzke ihren Spieler und seine Berater möglichst bald zu einer Zusage auch für die kommende Saison. Haaland könnte im Sommer weg, bei hoher Ablösesumme, Dortmund glaubt, seinen Torjäger mindestens bis Mitte 2023 halten zu können, auch mit einem noch einmal erhöhten Honorar.

Für den Fall der Fälle will der BVB aber bald Klarheit haben. Einen wie Haaland kann man eben nicht von heute auf morgen ersetzen. An diesem Abend des 5:1 gegen Freiburg hatte man allerdings zum ersten Mal den Eindruck, dass der Rest der BVB-Mannschaft auch mit jedem anderen Topstürmer hoch gewonnen hätte. Auch eine gute Erkenntnis bei der steten Dortmunder Suche nach Nachhaltigkeit. Am Dienstag geht es im Pokal am Millerntor gegen den Zweitliga-Ersten FC St. Pauli. Das dürfte Anlass genug für einen echten Test der scheinbar neuen Haltung beim BVB sein.

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