Bundesliga:Nur für ein paar Stunden Erster

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Leipziger Torschützen unter sich: Alexander Sörloth (links) und Christopher Nkunku. (Foto: Ralph Orlowski/Pool via REUTERS)

Leipzig muss die frisch eroberte Tabellenführung wieder an den FC Bayern abgeben. Gladbach verliert erneut - Hertha kann noch gewinnen. Das Wichtigste zum Spieltag.

Von Johannes Kirchmeier, Carsten Scheele und Martin Schneider

SC Freiburg - RB Leipzig 0:3 (0:1), Tore: 0:1 Nkunku (41.), 0:2 Sörloth (64.), 0:3 Forsberg (80.)

Leipzig kann zufrieden sein, eine der schwierigsten Prüfungen der Saison (Auswärtsspiel in Freiburg) maximal seriös bewältigt zu haben und zumindest für ein paar Stunden Tabellenführer gewesen zu sein. Das abendliche Spiel der Bayern gegen den BVB (4:2) konnte das Team nicht gucken - es saß im Flieger, wie Trainer Julian Nagelsmann verriet. Interessant wäre gewesen, wie die Leipziger Partie ausgegangen wäre, wenn Freiburgs Torhüter Florian Müller in der 41. Minute nicht diesen fatalen Ball gespielt hätte. Müller passte flach und gefährlich in die Spielfeldmitte, Kevin Kampl störte früh, Yussuf Poulsen legte quer, Christopher Nkunku schob ein.

Das 1:0 entsprach nicht unbedingt dem Spielverlauf, zuvor hatte Freiburg fachmännisch das eigene Tor verriegelt und den Gegner, der sich auf halbem Weg zwischen DFB-Pokal und Champions League gegen Liverpool befindet, leiden lassen. Aber Rückständen hinterherlaufen ist nicht die Stärke des Teams von Christian Streich, nur fünf ihrer 34 Punkte holten sie, nachdem sie das 0:1 kassiert hatten. Ein paar aktive Minuten nach der Pause waren für den Sportclub drin - dann eroberte wieder Kampl in der Mitte den Ball, diesmal vollendete Alexander Sörloth zum 2:0. Das 3:0 von Emil Forsberg war Dreingabe. "Wir haben verdient gewonnen", sagte Nagelsmann, "auch wenn es eine Geduldsfrage war." Was noch? Leipzig hat nun die beste Abwehr der Liga und Freiburgs Jonathan Schmid ist zusammen mit Franck Ribéry der Franzose mit den meisten Bundesligaspielen.

Eintracht Frankfurt - VfB Stuttgart 1:1 (0:0), Tore: 0:1 Kalajdzic (68.), 1:1 Kostic (69.)

Die Eintracht befindet sich in der neuen Situation, plötzlich etwas verlieren zu können. Vielleicht ging das Team von Adi Hütter auch deswegen in der ersten Halbzeit nicht das letzte Risiko. Zwei eigentlich spielfreudige Teams neutralisierten sich weitgehend im Mittelfeld, ein paar gute Sprints von Filip Kostic und eine Chance von André Silva - das war's dann schon. In der zweiten Halbzeit hatten dann beide Mannschaften zunächst Glück. Konstantinos Mavropanos setzte einen Kopfball aus sechs Metern vorbei, einem Treffer von Kostic versagte der Videoassistent die Anerkennung - Luka Jovic stand in der Entstehung im Abseits.

Dem Chancen-Doppelschlag folgte der Tor-Doppelschlag. Erst spitzelte Sasa Kalajdzic eine exzellente Kempf-Flanke über Unterarm-Bande von Martin Hinteregger ins Tor, im Gegenzug belohnte sich Kostic für seine sehr gute Leistung mit dem Treffer zum 1:1. In der Folge verhinderten Borna Sosa und VfB-Torhüter Gregor Kobel den SGE-Sieg. Es blieb ein Remis, mit dem Stuttgart besser leben kann, weil es keinen Champions-League-Platz verteidigen muss. Eintracht-Trainer Adi Hütter sagte trotzdem: "Es ist immer noch so, dass wir vorne dabei sind. Wir sind lieber vorne und werden gejagt, als hinten und man muss jagen."

Borussia Mönchengladbach - Bayer Leverkusen 0:1 (0:0), Tor: 0:1 Schick (77.)

Den eigenen Ansprüchen nach trafen sich da zwei Bewerber um die Champions-League-Ränge zum West-Derby. Sowohl die Gastgeber als auch Bayer Leverkusen verfügen über die Qualität für die ersten vier Plätze in der Bundesliga - und vor wenigen Monaten hätte dieses Duell wohl tatsächlich Spitzenfußball versprochen. Doch mittlerweile klaffen die Ansprüche und die Realität weit auseinander, das zeigte das karge 1:0 (0:0) für Leverkusen, das eigentlich weder ein Tor noch einen Sieger verdient hatte. Bayer gewann erstmals nach fünf sieglosen Partien wieder und hüpft damit immerhin auf Rang fünf. Für die Gladbacher ist es dagegen die sechste Niederlage im siebten Spiel. "Es fehlen der Spaß und die Freude am Fußball", konstatierte Mittelfeldspieler Hannes Wolf.

Seitdem bekannt ist, dass Coach Marco Rose zu Borussia Dortmund wechselt, läuft so gut wie nichts mehr. Rose sagte vor dem Spiel bei Sky, aktuell gehe es "relativ wenig um mich, es geht eher um die Mannschaft, um den Verein, um den sportlichen Erfolg". Dass die Serien die Klubs verunsichern, zeigte das Spiel, an dem sich beide Teams wenig um den attraktiven Angriffsfußball bemühten, der sie im Vorjahr noch auszeichnete. Leverkusens Moussa Diaby und im Nachschuss dann Patrik Schick scheiterten bei der besten Chance in Hälfte eins jeweils an Gladbachs Torwart Yann Sommer (32.). In der zweiten Halbzeit wurde ein Gladbacher Elfmeter zurückgenommen, weil Valentino Lazaro zuvor im Abseits stand (57.). 20 Minuten später fiel dann das Siegtor auf der anderen Seite - nach bekannter Kombination: Erneut parierte Sommer Diabys Abschluss, dann traf Schick jedoch im Nachschuss.

Hertha BSC - FC Augsburg 2:1 (0:1), Tore: 0:1 Benes (2.), 1:1 Piatek (62.), 2:1 Lukebakio (89., Foulelfmeter)

Bei Hertha wurde unter der Woche ein neues Teamgefühl beschworen. Trainer Pal Dardai ließ seine Spieler - Achtung, Psychotrick! - gemeinsam ein Tor tragen. Das fruchtete am Samstag exakt zwei Minuten, dann lag der Ball schon im eigenen Netz. Laszlo Benes traf für Augsburg, vom neuen Wir-Gefühl war in Herthas Abwehr nicht viel zu spüren.

Die erste Halbzeit verlief einigermaßen fürchterlich, in der zweiten Hälfte dann aber plötzlich: ein Tor! Für Hertha! Darida flankte sehr weich auf Piatek, der unhaltbar einköpfelte. Und dann, ja wirklich: die verdiente Führung! Dodi Lukebakio verwandelte knallhart einen berechtigten Elfmeter, der den Berlinern den ersten Sieg nach neun sieglosen Spielen bescherte. "Wir haben investiert, investiert und irgendwann kam dieser magische Moment, und der Fußballgott hat gesagt: Jetzt lass ich ihn rein", jubilierte Dardai bei Sky. Und alle sind gespannt auf seinen nächsten Psychotrick.

TSG 1899 Hoffenheim - VfL Wolfsburg 2:1 (2:1), Tore: 1:0 Baumgartner (8.), 1:1 Weghorst (23.), 2:1 Kramaric (41.)

15 Minuten haben Koen Casteels gefehlt, um zumindest Manuel Neuer zu übertreffen. Neuer hat mal 688 Minuten in der Bundesliga keinen Treffer kassiert, Casteels war nahe dran - doch dann knallte ihm Christoph Baumgartner am Samstagnachmittag das Spielgerät unter die Latte. Die Rekordjagd des Belgiers endete mit 673 Minuten auf Rang fünf der ewigen Torlosliste. "Irgendwann war klar, dass wir noch mal ein Gegentor bekommen würden", kommentierte Casteels unaufgeregt. Vor ihm stehen weiterhin: zweimal Neuer (770, 688), zweimal Oliver Kahn (802, 736), unübertroffen auf Rang 1: Timo Hildebrand (884).

Eine andere Serie hat bei Wolfsburg derzeit Bestand: Kassiert Casteels ein Tor, verliert der VfL. Diesmal traf zwar Wout Weghorst per Konter zum Ausgleich, Andrej Kramaric erwirtschaftete jedoch noch vor der Pause die erneute Hoffenheimer Führung. In der Nachspielzeit sah Wolfsburgs Paulo Otavio nach einer beidbeinig eingesprungenen Grätsche aus dem Schlächterhandbuch völlig zurecht die rote Karte. Der VfL liegt weiter auf Platz drei, der Rückstand nach ganz vorne wächst aber.

Zitat des Tages: "Wenn man wie ich 40 Jahre auf der Trainerbank gesessen hat und insgesamt fast 57 Jahre im Leistungsfußball verbracht hat, dann kann einen wenig erschüttern. Wir können aber nach so einem verrückten Jahr allen Beteiligten dankbar sein, was wir für schöne Zeiten erlebt haben. Wir werden uns an dieses Corona-Jahr nicht wegen Corona erinnern, sondern wegen der herrlichen Momente, die uns diese Mannschaft mit ihrem Trainer geliefert hat. Ich nehme es unseren Fans nicht übel, dass sie enttäuscht sind. Ich kann aber nicht verstehen, dass sich dieses Unverständnis für die Entscheidung von Marco Rose gegen die eigene Mannschaft richtet." (Gladbachs Präsidiumsmitglied Hans Meyer vor dem Spiel bei Sky zur Unruhe im Verein)

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