Bundesliga: Dortmund - Mainz:Klopp gegen Klon - unentschieden

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Ausgerechnet gegen Mainz! Meisterfavorit Dortmund vergibt im Duell zweier extrem ähnlicher Systeme knapp den Sieg - wegen einer strittigen Szene in letzter Minute. Jürgen Klopp ärgert sich, kann sich aber trösten: dank alter Liebe zum Rivalen.

Jonas Beckenkamp

Was viele vielleicht gar nicht mehr wissen: Jürgen Klopp war mal ein ziemlich erfolgloser Partizipant im modernen Profifußball.

Mats Hummels (re.) brachte den BVB per Kopf in Führung. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Seine Qualitäten als Zweitligaspieler hat er selbst mehrfach als "überschaubar" bezeichnet. Als Trainer verpasste er 2002 und 2003 auf höchst tragische Weise den Aufstieg in die Bundesliga. Als er es endlich geschafft hatte, folgte 2007 wieder der Abstieg - woraufhin in der zweiten Liga erneut nur Platz vier heraussprang.

All diese Verfehlungen erlebte Klopp - zugegebenermaßen neben einigen Highlights - beim FSV Mainz. Weshalb man bei ihm um die gefühlige Bezeichnung "Herzensmainzer" kaum herumkommt.

Und wie das mit Herzensangelegenheiten im Fußball nun mal so ist, halten sie meist nicht ein Leben lang den Gegebenheiten des Geschäfts stand. Inzwischen leitet Klopp bekanntlich höchst erfolgreich die Geschicke von Borussia Dortmund - jenes Klubs, der als überlegener Tabellenführer an diesem 27. Spieltag ausgerechnet auf Klopps alte Liebe aus Mainz traf.

Es wurde ein unangenehmes Wiedersehen aus Sicht des 43-Jährigen, denn seine Mannschaft spielte zwar rasend schnell, präzise und mit der Leichtigkeit eines eingespielten Ensembles. Doch sie vergab in letzter Minute den Sieg. 1:1 (1:0) hieß es am Ende, weil Mainz in einem unterhaltsamen Spiel in der 88. Minute nach einer strittigen Szene noch den Ausgleich schaffte. Nach einem Foul an BVB-Verteidiger Neven Subotic, das der Schiedsrichter übersehen hatte, hatten die Mainzer weitergespielt und den umjubelten Treffer zum 1:1 erzielt.

"So ein blödes Gegentor"

"Das ist enorm ärgerlich. Neven liegt da fast zwei Minuten am Boden, der Schiedsrichter hätte abpfeifen sollen - aber er hat es nicht gesehen. So ein blödes Gegentor, das ist saubitter", sagte Sven Bender nach dem Abpfiff.

Der Mainzer Trainer Thomas Tuchel bestritt dagegen, dass seine Spieler die Verletzung ignorierten. "Das ist eine Unterstellung, wir haben das nicht mitbekommen - und wenn der Schiedsrichter nicht pfeift, müssen wir weiterspielen." Es war die hitzigste Szene in einer Partie, in der die Borussia lange wie der sichere Sieger aussah.

Doch der Reihe nach. "Besonders ist dieses Spiel nur deswegen, weil es das einzige ist, an dem wir an diesem Wochenende beteiligt sind", hatte der BVB-Coach im Vorfeld kühl gesagt, als die Reporter es in Bezug auf die alte Liebe Mainz ein wenig menscheln lassen wollten - doch Klopp blieb hart, schließlich ging es für seine Dortmunder nicht um die Wehmuts-WM, sondern um die deutsche Meisterschaft.

Mit dem Faxenmachen gehen sie beim Ligaprimus trotz ihrer vielen jungen Racker ohnehin recht dosiert um, was sich auch in der temporeichen Auftaktphase des Spiels zeigte. Wer sich noch mit dem Schlange stehen am Stadionbüdchen aufhielt, verpasste zwar zunächst nur einen Flatterball des Mainzers Andre Schürrle, den BVB-Keeper Roman Weidenfeller abwehren konnte (6. Minute), doch dann fiel schon das erste Tor für die Dortmunder: Ein scharfer Freistoß aus dem Halbfeld landete auf dem Kopf des wiedergenesenen Mats Hummels, der dem Ball eine entscheidende Richtungsänderung verpasste - FSV-Torhüter Christian Wetklo wischte das Leder mit einem Reflex vermeintlich von der Linie, doch seine Rettungsaktion kam zu spät. Es stand 1:0 (8.), noch ehe die meisten Spieler überhaupt Schweiß auf der Stirn hatten.

Weil das Ergebnisverwalten offenbar nicht zu den prägenden Stilmitteln des Dortmunder Expressfußballs gehört, legte der BVB sofort nach. Wieder segelte ein langer Pass Richtung Strafraum der Mainzer vorbei an den überrumpelten Abwehrakteuren, in deren Rücken Lucas Barrios beim Versuch Wetklo zu überlupfen, vom Schlussmann der Rheinhessen einen Bandencheck ohne Bande erfuhr - es gab zurecht Elfmeter für die Borussia.

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Mit dem Selbstbewusstsein des besten Spielers dieser Saison trat Nuri Sahin an, obwohl er bereits seine beiden letzten Strafstöße vergeben hatte. Und er scheiterte erneut - Wetklo, der sich wahrlich nicht über einen faden Arbeitstag beschweren konnte, parierte das schlappe Schüsschen des Türken (19.). Zeigte da jemand Nerven? Wohl kaum. Ein reiner Schönheitsfehler vielmehr.

Eng ging es zu zwischen Dortmund und Mainz: Kurz vor dem Ende schaffte der FSV den 1:1-Ausgleich. (Foto: Bongarts/Getty Images)

In der Folge entwickelte sich ein munteres Miteinander, bei dem auch die Gäste etwas von ihrem jugendhaften Esprit vorführen durften. Im Mittelfeld leitete Lewis Holtby geschickt die Bälle weiter, vorne flitzte Schürrle den nonchalanten Defensivkönnern in schwarz-gelb ein ums andere Mal davon. Schnell und schön sah das alles aus, wenn auch ein bisschen trügerisch ob der leichten Zurückhaltung der Borussia.

Doch vielleicht täuschte Dortmund seine eigene Kunstpause nur vor. Warum sollten sie sich auch von Tuchels Matchplan, den Gegner beinahe am eigenen Sechzehner zu attackieren, ins Boxhorn jagen lassen?

Immerhin offenbarte das Spiel gravierende Ähnlichkeiten zwischen beiden Teams: Offensives Pressing, technisches Können und der Hang zur raschen Lösung - weil diese Eigenschaften hier wie da im Überfluss vorhanden waren, gewann man mitunter den Eindruck, hier spiele das Dortmunder Original gegen seinen eigenen Klon. Hier hatten sich über weite Strecken zwei eng verwandte Spielphilosophien im Würgegriff, bis auf einen knapp verzogenen Volleyschuss von Dortmunds Jakub Blaszczykowski (51.) und ein wegen Abseits abgepfiffenes Abstaubertor von FSV-Stürmer Sami Allagui (58.) beließen es die Beteiligten beim taktikbestimmten Umklammern des Kontrahenten.

Lohn für das Mainzer Engagement

Erst in der Schlussphase schien man sich wieder ein wenig gewähren zu lassen. Der BVB demonstrierte sein Interesse am Toreschießen vermehrt durch Konter, was in einem knapp verfehlten Distanzschuss von Sahin (80.) resultierte, während Mainz weiter auf die gefährlichen Dribblings von Schürrle setzte, ohne jedoch für großes Luftanhalten in der Dortmunder Hintermannschaft zu sorgen.

Die Borussia führte weiter hauchdünn, doch auch solche Siege gehören eben zu einem Meisterschaftsanwärter - dachten alle.

Dann flankte der Mainzer Marcel Risse scharf in die Mitte, wo Borussia-Verteidiger Neven Subotic in diesem Moment fehlte, weil er von einem Mainzer an der Grenze des Sechzehners niedergestreckt worden war. Der zuvor eingewechselte Petar Sliskovic kam als erster an den Ball und vollstreckte zum 1:1 (88.) - Jürgen Klopp tobte unterdessen an der Außenlinie wegen des vermeintlichen Fouls an Subotic. Die Dortmunder hatten den Sieg verschenkt, während Mainz für seinen engagierten Auftritt belohnt wurde.

"Ich habe mich aus meiner persönlichen Emotion aufgeregt, dass nach dem Tor draußen gejubelt wurde, obwohl bei uns ein verletzter Spieler auf dem Boden gelegen hat. Es ist in der Geschichte des Fußballs schon anders reagiert worden. Das Ergebnis ist aber gerecht. Mainz war ein starker Gegner," erklärte Klopp später - nachdem er kurz im Sky-Studio mit Tuchel debattiert hatte, konnte er schon wieder lächeln.

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