Borussia Dortmund:Das Minimalziel gerät in Gefahr

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Wieder nicht gewonnen: Dortmunds Niclas Füllkrug (rechts) findet anschließend kritische Worte. (Foto: Getty Images)

Der BVB schaukelt und schwankt - so wird das enttäuschende 1:1 in Augsburg zum Abbild der Dortmunder Saison. Die Spieler deuten an: Es könnte an der Qualität der Mannschaft liegen.

Von Maik Rosner, Augsburg

Dortmunds Trainer Edin Terzic musste sich vorkommen, als sei er in einer Zeitschleife gefangen. Zum fünften Mal nacheinander hatte seine Mannschaft nicht gewonnen, in der Bundesliga war in den vergangenen sieben Spielen sogar nur ein Sieg herausgesprungen. Und diesmal, beim 1:1 (1:1) in Augsburg, hatte die Borussia den Dreier auch noch teilweise wegen eines Torwarts verpasst, der den Dortmundern nur zu gut bekannt ist.

Beim damaligen 2:2 in Dortmund hatte Finn Dahmen noch das Tor des 1. FSV Mainz 05 mit einigen spektakulären Paraden gehütet und dazu beigetragen, dass der BVB am letzten Spieltag den Meistertitel verspielte. Nun wehrte Dahmen wieder viele Chancen ab und ließ Terzic "sehr unzufrieden" zurück. "Wir haben es versäumt, die Dinge klar zu Ende zu spielen", kritisierte der BVB-Trainer, "es fehlte die Ruhe, die Genauigkeit."

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Es fehlt den Dortmundern inzwischen auch an einigen fest eingeplanten Punkten, und das Tabellenbild könnte sich bis zum Sonntagabend weiter verschlechtern. Das Remis in Augsburg und die bisher erwirtschafteten 26 Zähler seien "zu wenig und definitiv nicht das, was wir bringen müssen, um unsere Ziele zu erreichen", sagte Angreifer Niclas Füllkrug. Sogar das Minimalziel, die Qualifikation für die Champions League, gerät zunehmend in Gefahr.

Wie viel Qualität hat der BVB? Julian Brandt findet kritische Worte

Zu den vertrauten Defiziten zählte in Augsburg "zu wenig Kaltschnäuzigkeit" bei den Abschlüssen, wie Julian Brandt befand. Übergeordnet vermisst der Offensivspieler eine "Selbverständlichkeit", er sagte: "Es wirkt alles sehr schwer und gezwungen." Es sei derzeit insgesamt nicht das, "was wir uns vorstellen. Es ist harter Granit, auf den wir momentan beißen." Brandt ging sogar so weit, die viel beschworene Qualität der Mannschaft infrage zu stellen. "Es fällt mir schwer zu sagen, man hat die Qualität und bringt sie nur nicht auf den Platz", sagte Brandt. Seine Forderung: "Man muss sie auf dem Platz sehen."

Schon in den ersten zwei Dezember-Wochen hatten die Dortmunder das ganze Spektrum ihres Leistungsvermögens aufgeführt. Die Amplitude reichte von dem irritierend defensiven Auftritt bei der 0:2-Niederlage im Achtelfinale des DFB-Pokals beim VfB Stuttgart bis zum starken 1:1 gegen Paris Saint-Germain am vergangenen Mittwoch in der Champions League. Der dadurch erreichte Gruppensieg war auch mit einer kunstvollen Grätsche von Niklas Süle verbunden gewesen, die als ikonisches Bild für die leidenschaftliche Seite der Dortmunder stand.

In Augsburg wirkte es, als wollten sie beim BVB beweisen, dass sie ihre heftigen Ausschläge nach oben und unten sogar auf wenige Minuten komprimieren können. Wie in der Anfangsphase, als sich Süle einen schlimmen Fehlpass im Aufbau leistete, aber Glück hatte, dass Fredrik Jensen über das Tor schoss. Kurz darauf ließ sich eine höchst filigrane Aktion bestaunen, als Rami Bensebaini Nico Schlotterbecks Zuspiel mit der Hacke nur knapp am Augsburger Tor vorbei legte.

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Es blieb ein Dortmunder Auftritt im Schaukelmodus - typisch für die Mannschaft von Terzic. In dieses Bild fügte sich der 0:1-Rückstand, der aus Schlotterbecks verlorenem Zweikampf gegen Demirovic hervorging. Zu leicht hatte sich Schlotterbeck vom Augsburger an der Schulter wegdrücken lassen und war hingefallen, weshalb der FCA-Kapitän allein auf Torwart Gregor Kobel zulaufen und einschieben konnte (23.). Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck beließ es nach Ansicht der Videobilder bei der Entscheidung. Damit stand auch fest, dass der BVB zum achten Mal hintereinander nicht zu null spielen würde. "Das Schlucken von Toren ist bei uns auch ein Thema", gab Brandt später zu bedenken.

Der FCA präsentierte wieder jenen Offensivmut, den Trainer Jess Thorup fordert. Die höheren Spielanteile besaßen allerdings die Dortmunder, die sich zudem bald wieder auf den oberen Teil ihres Leistungsspektrums besannen. Besonders sichtbar wurde das bei Donyell Malens Ausgleich, vor dem Füllkrug mit der Hacke und durch die Beine von Felix Uduokhai einen Doppelpass auf Malen spielte, der ins Eck einschob (35.). "Wenn man das Tor sieht, dann sieht das komplett nach Leichtigkeit aus", sagte Füllkrug.

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Doch diese Spielkunst erwies sich als flüchtig: Es blieb auch in der zweiten Halbzeit beim Dortmunder Auf und Ab. Gleich drei Großchancen durch Augsburgs Angreifer Phillip Tietz sah sich Kobel ausgesetzt und später einem gefährlichen Heber von Demirovic. Auf der Gegenseite verpasste Malen nach einem Solo das 1:2 nur knapp. Doch es fehlte auch in dieser an sich Aktion an der letzten Konsequenz. Das galt in der Schlussphase auch für Füllkrugs Kopfball vorbei am leeren Tor. Und es galt ebenso für die Doppelchance von Malen und Debütant Samuel Bamba kurz vor dem Abpfiff.

Dass Füllkrug aus dem Abseits heraus noch einen Seitfallzieher inszenierte, nach dem Dahmen den Ball an den Pfosten lenkte, fügte sich genauso ins zuweilen kunstvolle Bild ohne Ertrag wie Malens Abschluss per Hacke in Dahmens Hände. Auf der Gegenseite verpasste Ruben Vargas das 2:1 für Augsburg, als er in der Nachspielzeit frei stehend knapp am Tor vorbeischoss. Kurz darauf rettete Schlotterbeck gegen Dion Beljo mit einer leidenschaftlichen Grätsche, die zumindest ein wenig an Süles Rettungstat vom Mittwoch erinnerte.

Den Eindruck, als seien Terzic und die Borussia mit ihren Schwankungen in einer Art Zeitschleife gefangen, verstärkt auch noch der Spielplan, der vor Weihnachten aussieht wie am Ende der vergangenen Saison. Damals folgte einem 3:0-Sieg in Augsburg gegen Mainz jenes 2:2, durch das der BVB den Meistertitel verpasste. Nun empfängt die Borussia den FSV zum Jahresabschluss. Man werde "hoffentlich unsere Fans am Dienstag mit einem Heimsieg belohnen", sagte Terzic. Falls nicht, dürften sich die Debatten weiter verschärfen.

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