Laufen und Marathon:Pandemie besser mit als ohne Sport

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Bald wieder ein vertrautes Bild? Läuferinnen und Läufer beim Start des Berlin-Marathons 2018. (Foto: Maja Hitij/Bongarts/Getty Images)

30 000, vielleicht sogar 35 000 Zuschauer, die durch das Brandenburger Tor laufen? Dass der Berlin-Marathon in diesem Herbst wieder stattfinden soll, ist ein mutiges, aber gutes Zeichen.

Kommentar von Johannes Knuth

Der Ort war natürlich nicht zufällig gewählt. SSC Events, jene Agentur, die unter anderem den Berlin-Marathon veranstaltet, hatte am Montag zu einer Präsentation am Pariser Platz geladen, ein paar Joggingschritte vom Brandenburger Tor entfernt. Dorthin also, wo sich für gewöhnlich mehr als 40 000 Läuferinnen und Läufer ins Ziel schieben, beim Marathon durch die Hauptstadt, jedes Jahr im Herbst.

Nachdem die Auflage im Vorjahr ausgefallen war, drängen die Berliner am 26. September nun wieder zurück auf die Straße - zwar nicht mit voller Last, betonten die Macher am Montag, aber doch mit 30 000, vielleicht sogar 35 000 Athleten, auf dem vollwertigen Kurs, 42,195 Kilometer von der Siegessäule bis zum Brandenburger Tor, und man muss tatsächlich sagen: endlich.

Endlich?

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Die Laufszene, das vorneweg, ist seit eineinhalb Jahren in einer bizarren Situation gefangen: Als die Pandemie im Frühjahr 2020 vieles erstickte, rannten Millionen Deutsche auf einmal durch die Parks, Bewegung an der frischen Luft war ja erlaubt (wobei interessant zu wissen wäre, wie viele Neo-Läufer bis heute eigentlich durchgehalten haben).

Das Geschäftsmodell der Laufveranstalter jedenfalls - zu Tausenden zusammen zu laufen, vor Tausenden Zuschauern - war erstickt, auf unbestimmte Zeit. Der kleine Vereinslauf, gestemmt von ehrenamtlichen Helfern, konnte das noch halbwegs verkraften, die kommerziellen Anbieter und die angeschlossene Veranstaltungsbranche traf das Embargo ins Mark - SSC Events hat allein 70 festangestellte Mitarbeiter, die sie bislang alle durchbrachten, viele in Kurzarbeit.

Was wäre mit den Zuschauern entlang der Strecke? Das ist noch eine große, offene Frage

Nun war es sicherlich richtig, Massenaufläufe zu Beginn der Pandemie abzuschnüren. Doch je länger die Lage anhielt, je größer der Wissenszuwachs war, desto schiefer wirkten die Restriktionen. Corona sei ein "Innenraumproblem", bekräftigte der Aerosolforscher Gerhard Scheuch am Montag, er hatte sich zuletzt in einem Offenen Brief an die Bundesregierung ähnlich geäußert. 0,1 Prozent aller Ansteckungen, so Scheuch, fänden im Freien statt, man sollte also "alles dafür tun, die Leute nach draußen zu bringen".

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Und das war ja tatsächlich nie schlüssig: Weshalb Firmen ihre Angestellten monatelang in die Betriebe zitieren durften, Lauftreffs und Nachwuchssport im Freien aber verboten blieben, wo Menschen ihre Lungen kräftigen und Viren ins Leere wabern. So versiegte nebenbei auch das Vereinsleben, der soziale Schmierstoff, wenn viele an etwas arbeiten, weniger für sich, sondern für eine größere Sache.

Gut also, dass die Berliner sich allmählich in die Normalität wagen. Erst mal mit einem Nachtlauf. Dann einem Halbmarathon. Dann beim großen Szenetreff im Herbst. Mit 20 000 PCR-Tests, die das Übertragungsrisiko in den Innenräumen, in Hotels, Umkleiden und auf dem Messegelände eindämmen sollen. Mit Armbändern, die die Laufwege der Teilnehmer und Helfer überall erfassen. Vermutlich ohne Gäste aus Risikogebieten. Die große Frage, die am Montag im Ungefähren blieb, war die der Zuschauer: Dürfen die auch an der Strecke stehen, wie immer? Da müsse man den Sommer abwarten, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel.

Eine vollwertige Marathonstrecke abzusperren, dürfte ja wenig realistisch sein. Offenbar hoffen sie in Berlin, dass auch das öffentliche Leben bis in dreieinhalb Monaten halbwegs in die Normalität zurückgefunden hat. Sicher ist das keineswegs, aber wenn man eine Perspektive wolle, sagte SSC-Geschäftsführer Jürgen Lock, müsse man die Planungen jetzt forcieren. Ein zweites Jahr des Stillstands halte man jedenfalls nicht durch, weder moralisch noch wirtschaftlich. Nicht nur die Berliner Laufmacher hatten in den vergangenen Monaten beklagt, dass die Politik dem Sport dabei kaum Perspektiven aufgezeigt habe.

Das scheint sich zumindest in Berlin zu ändern. Keiner könne die Zukunft vorhersagen, sagte Innensenator Geisel jetzt, aber man müsse sich irgendwann "auf den Weg machen, um Zukunft möglich zu machen". Eine schöne, wenn auch späte Erkenntnis: Eine Pandemie mit Sport ist immer noch besser als eine ohne Sport.

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