Eigentlich hätte der nigerianische Mittelstürmer Victor Boniface in dieser Woche sein Zimmer in einem Luxushotel der ivorischen Hafenstadt Abidjan beziehen sollen. Stattdessen lag er am Dienstag 5173 Kilometer nördlich im Magnetresonanztomografen eines Kölner Krankenhauses. Die Diagnose war niederschmetternd: Der 23-Jährige spielt an der Elfenbeinküste weder um den Titel beim Afrika-Cup, noch steht er seinem Bundesliga-Klub Bayer Leverkusen für die kommenden Wochen im Kampf um die Meisterschaft zur Verfügung.
Boniface, der in den ersten 16 Spielen dieser Saison zehn Treffer erzielt und damit die Hoffnung auf den ersten Leverkusener Meistertitel geschürt hat, muss nach einer Verletzung, die er sich bei der nigerianischen Nationalmannschaft in der Vorbereitung auf den Afrika-Cup zugezogen hat, an den Adduktoren operiert werden. Vor April wird er nicht wieder ins Leverkusener Training einsteigen können. Hätte er den Afrika-Cup spielen können, wäre er spätestens Mitte Februar wieder für Leverkusen verfügbar gewesen.
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Der Titelkampf in der Bundesliga wird dieses Jahr maßgeblich dadurch beeinflusst, dass bis Mitte Februar nahezu gleichzeitig der alle zwei Jahre ausgetragene Afrika-Cup an der Elfenbeinküste und der alle vier Jahre ausgetragene Asien-Cup in Katar ausgespielt werden. Der Asien-Cup war eigentlich für den Sommer 2023 in China geplant gewesen, wurde wegen der Folgen der Corona-Pandemie aber abgesagt. Katar sprang ein - im kühleren Winter. Auch der Afrika-Cup an der Elfenbeinküste wurde auf den kühleren und trockeneren Januar terminiert.
"Das ist eine Chance für uns als Mannschaft, noch näher zusammenzurücken", sagt Leverkusens Granit Xhaka
Deutsche Klubs stellen insgesamt 30 Spieler ab, 18 für den Afrika-Cup und zwölf für den Asien-Cup. Doch kaum ein Lauf könnte nun so ausgebremst werden wie jener des Tabellenführers Bayer Leverkusen. Dem Drittplatzierten VfB Stuttgart fehlen in Serhou Guirassy (Guinea), Silas Katompa Mvumpa (Kongo), Hiroki Ito (Japan) sowie Woo-Yeong Jeong (Südkorea) zwar auch vier Spieler und dem FC Bayern mit den Abwehrspielern Min-jae Kim (Südkorea) und Noussair Mazraoui (Marokko) zwei Glieder der Viererkette, doch den Leverkusenern fallen nicht nur Boniface und der Ergänzungsflügelspieler Amine Adli (Marokko) aus, sondern besonders schmerzlich die versierten Außenposten in der Dreierabwehrkette mit Edmond Tapsoba (Burkina Faso) und Odilon Kossounou (Elfenbeinküste). Es sind Spieler, auf die der Trainer Xabi Alonso in nahezu jedem Spiel gesetzt hat. Bayer verfügte in den ersten 16 Spielen über eine stabile Startelf und eine harmonisch eingespielte Mannschaft. Diese Formation ist erst einmal gesprengt.
Im finalen Spiel des vergangenen Jahres gegen den VfL Bochum improvisierte Alonso schon einmal vorsorglich mit der Bayern-Leihgabe Josip Stanisic für Kossounou, dem Ecuadorianer Piero Hincapie für Tapsoba und dem Mittelstürmer Patrik Schick für Boniface. Leverkusen gewann 4:0. Der Tscheche Schick, wegen Adduktorenbeschwerden von Herbst 2022 bis Herbst 2023 kaum im Einsatz, erzielte gegen Bochum in der ersten Halbzeit drei Treffer. Sein vitaler Auftritt weckte Hoffnungen, dass er Boniface erfolgreich ersetzen kann, allerdings ist Schick so lange ausgefallen, dass die Konstanz seines Angriffsspiels noch nicht gewährleistet ist.
Leverkusens Mittelfeldmotor Granit Xhaka sieht in der erforderlichen Improvisation auch eine Chance: "Konkurrenzkampf ist immer gut und macht einen stärker", sagt der Schweizer. "Jeder Spieler hat noch mal einen Schritt nach vorn gemacht, die Spieler, die neu reinkommen, können zeigen, dass auch sie in die Startelf gehören." Xhaka sieht in der Not eine Tugend: "Das ist eine Chance für die Spieler und für uns als Mannschaft, noch näher zusammenzurücken."
Während bei Bayer Leverkusen keine abstellungsbedingten Wintertransfers angedacht sind, sagte Bayern Münchens Sportdirektor Christoph Freund kürzlich dem Sender Dazn, man sei nicht zuletzt wegen der beiden Abstellungen dabei, "den einen oder anderen Deal zu fixieren". Spekuliert wird über eine mögliche Verpflichtung des englischen Innenverteidigers Eric Dier von Tottenham Hotspur. Auch an Innenverteidiger Radu Dragusin vom FC Genua soll zumindest Interesse bestanden haben. Der rumänische Nationalspieler wechselt Medienberichten zufolge aber wohl nach Tottenham.
Auf dem Transfermarkt aktiv ist auch Eintracht Frankfurt. Dem Klub fehlen in Ellyes Skhiri (Tunesien), Fares Chaibi (Algerien) und Omar Marmoush (Ägypten) drei zum Afrika-Cup abberufene Spieler. Aber die Hessen sind bereits fündig geworden auf der Suche nach Ersatz: Der Mittelfeldspieler Donny van de Beek wird von Manchester United ausgeliehen, der frühere Stuttgarter Stürmer Sasa Kalajdzic von den Wolverhampton Wanderers.