Australian Open:Und jetzt gegen den Tenniskünstler

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Alexander Zverev erkämpft sich durch den Fünfsatzsieg gegen Cameron Norrie ein Duell gegen Carlos Alcaraz - und ist dabei so fokussiert, dass er den Geburtstags seines Vaters vergessen hat. (Foto: Martin Keep/AFP)

Alexander Zverev trifft nach einem mühevollen Fünfsatzsieg im Viertelfinale von Melbourne auf Carlos Alcaraz. Doch einige Indikatoren rufen eher Skepsis hervor, was die Erfolgschance des Deutschen angeht.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Seit zehn Jahren tritt Alexander Zverev regelmäßig im Januar in Melbourne auf, aber erst am Montag hat ihn das Publikum zum ersten Mal singen gehört. Gemeinsam mit den Zuschauern in der Margaret-Court-Arena stimmte er "Happy Birthday" für seinen Vater an. Das Ständchen wäre eine Marginalie und kaum der Erwähnung wert gewesen, hätte der Stadionmoderator den Tennisspieler nicht - coram publico - an den Geburtstag erinnern müssen. "Mist, das habe ich total vergessen", sagte Zverev junior. Immerhin habe er das Viertelfinale erreicht, fügte er schnell an, und somit ein "passendes Geschenk" parat.

Der Vater, Alexander Senior, 64, ist auch der Trainer des Weltranglistensechsten, und er wirkte angesichts des Zuschauerchores durchaus gerührt. Wie viel Freude ihm die Partie des Sohnemanns gegen den Briten Cameron Norrie tatsächlich bereitet hatte, die sich erneut über fünf quälend lange Sätze zog und erst im Tiebreak entschieden war - 7:5, 3:6, 6:3, 4:6, 7:6 (3) -, ist eine andere Frage. Am Ende war der Sieg recht fahrig zusammengezurrt - alles andere als ein Präsentkorb für den Papa mit großer roter Schleife.

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So gab es mehrere Gründe, weshalb der 26-jährige Tennis-Olympiasieger am Montag nur knapp einer Peinlichkeit entging, familiär und beruflich. Zumindest hat er den Besuchern und dem Anhang in der Spielerbox für Mittwoch eine versöhnliche Aussicht versprochen. Denn dann spielt er gegen den Spanier Carlos Alcaraz, 20, die Nummer zwei der Welt. Alcaraz sei zwar nicht häufig in Melbourne zu sehen gewesen, erläuterte Zverev den Zuschauern im Stile eines Conferenciers, aber der junge Mann sei ein großartiger Tenniskünstler, der Australien in den nächsten 25 Jahren noch oft verzücken werde. "Er hat die Zeit auf seiner Seite", sagte Zverev. "Aber ich hoffe, dass es im Viertelfinale mein Tag wird."

Alcaraz musste im vergangenen Jahr wegen einer Beinverletzung auf einen Auftritt in Melbourne verzichten. Er mag nun tatsächlich erst zum dritten Mal den Weg zu diesem größten Turnier der südlichen Hemisphäre gefunden haben, aber dem sechs Jahre älteren Zverev hat er schon zwei Grand-Slam-Siege voraus - in Wimbledon 2023 und in New York 2022. Zverev hat sich um solch wertvolle Trophäen bislang vergeblich bemüht. 2020 stand er bei den Australian Open zumindest im Halbfinale, und wenn er die Vorschlussrunde nun erneut erreichen will, dann muss er Alcaraz schlagen. Zwar ist seine Match-Bilanz positiv gegen das spanische Tennisphänomen, mit 4:3 Siegen. Aber es gibt eine Reihe von Indikatoren, die eher Skepsis hervorrufen dürften.

Zverev wird kaum so weiterspielen können wie gegen Norrie

Denn das Match am Montag gegen Norrie hat Zverev eben nur mit Ach und Krach überstanden, es zog sich über vier Stunden und fünf Minuten. Schon in der zweiten Runde gegen den Qualifikanten Lukas Klein aus der Slowakei hatte er fünf Sätze und viereinhalb Stunden rackern müssen. Alcaraz dagegen schlendert bisher auf weißen Sohlen durchs Turnier. Seine Partie am Montag gegen den Serben Miomir Kecmanovic beendete der Spanier mit Minimalaufwand und einem Lächeln, 6:4, 6:4, 6:0. Er freue sich auf das Match mit Zverev, sagte er danach: "Wenn ich so spiele wie heute, werde ich meine Chancen bekommen."

Carlos Alcaraz hatte im Vergleich zu Alexander Zverev einen fast mühelosen Arbeitstag. Er besiegte Miomir Kecmanovic mit Minimalaufwand und einem Lächeln in drei schnellen Sätzen. (Foto: David Gray/AFP)

Zverev dagegen wird kaum so weiterspielen können wie gegen Norrie, wenn er sein großes Ziel, die Silberschüssel, erreichen will. Gegen den Briten hatte vor der Partie eine makellose Bilanz mit 4:0 Siegen ohne Satzverlust, aber er war gewarnt. "Ich muss das ernst nehmen", sagte er.

Denn Norrie, derzeit die Nummer 22 des Rankings, hat die Fachwelt zuletzt verblüfft: Der Brite hat im Alter von 28 Jahren jüngst beschlossen, sich neu zu erfinden. Zwar ist aus dem Mann, der in Südafrika geboren wurde und in Neuseeland aufwuchs, kein Weinbauer oder Schafzüchter geworden. Aber der Grundlinienwühler, der früher unermüdlich am Platzende hin- und herlief, wandelte sich fast über Nacht zum Angriffsspieler. In Australien hatte er auf diese Weise in seinem Drittrundenmatch den Norweger Casper Ruud überrumpelt, die Nummer elf der Setzliste: Norrie stürmte ans Netz, nahm die Bälle im Flug, platzierte Volleys und brachte den Norweger aus dem Tritt. Er habe sich "freigespielt", sagte der Brite danach.

So erreichte er im sechsten Anlauf überhaupt zum ersten Mal das Achtelfinale der Australien Open. Und im Spiel gegen Zverev schaltete er nach dem verlorenen Eröffnungssatz erneut auf Attacke um. Zverev hatte Norries Wandlung schon im vergangenen Herbst beim Training beobachtet und auch das Duell gegen Ruud mit Interesse verfolgt. Am Montag lag er im zweiten Durchgang bereits aussichtsreich in Führung, 7:5 und 3:2 nach einem Break, als er mit leichten Fehlern, leicht unkonzentriert, dann noch den eigenen Aufschlag abgab und den Durchgang 3:6 verlor. Er kämpfte sich im dritten Satz zurück, verlor erneut den vierten. Und im fünften Satz musste die Entscheidung im Tiebreak fallen. Norrie, noch immer auf Angriff gepolt, riskierte zu viel, leistete sich fünf leichte Fehler bei Stopps und Volleys - und gab das Match noch aus der Hand.

"Cameron hat heute unglaublich gut gespielt", sagte Zverev danach. Und als sich der Trubel gelegt hatte und die Anspannung verflogen war, da versprach er, dem Vater auch noch ein richtiges Geburtstagsgeschenk zu besorgen.

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