Elfmeter-Debatte in Augsburg:"Was machen die da in Köln?"

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Matthias Jöllenbeck unter Belagerung: Mainzer und Augsburger erleben, wie der Schiedsrichter den Elfmeter vor dem 1:0 gibt. (Foto: Sebastian Widmann/Getty Images)

Beim 2:1 des FCA gegen Mainz regen sich die Gäste heftig über unterlassene Video-Hilfeleistung für Schiedsrichter Jöllenbeck auf - der gibt sich selbstkritisch und verweist auf eine Kommunikationspanne.

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Wie sieht er eigentlich aus, der sogenannte Kölner Keller? Hat er zwei Beine und stramme Waden, wie ein handelsüblicher Fußballer? Oder flitzt er gerne über die Außenbahn die Linie entlang? Es entsteht jedenfalls zunehmend der Eindruck, dass dieser Ableger des Schiedsrichterwesens mitunter ein Protagonist ganzer Bundesligaspiele ist. Auch in Augsburg konnte man sich beim Nachholspiel gegen Mainz wieder über einen seiner Auftritte wundern - dabei liegen zwischen Köln und Augsburg ganze 544 Kilometer Autobahn.

2:1 (1:0) lautete das nackte Ergebnis, mit dem der FCA dem Klassenerhalt immer näher auf die Pelle rückt. Sechs Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze, eine kleine Serie im Gepäck. Es lässt sich gut leben aus Augsburger Sicht, zumal diesmal eben unerwartete Hilfe kam: aus Köln. Beziehungsweise: Sie blieb im entscheidenden Moment aus, weshalb sich hinterher Diskussionen über Schiedsrichter Matthias Jöllenbeck entsponnen.

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Stefan Reuter zum Beispiel hatte lobende Worte übrig. "Ich finde es immer super, wenn sich ein Schiedsrichter stellt", erklärte der FCA-Manager in Bezug auf ein paar erstaunliche Äußerungen Jöllenbecks am Sky-Mikrofon. Der Referee hatte den Augsburgern in der zehnten Minute einen Strafstoß ermöglicht, als Stürmer Florian Niederlechner im Sechzehner mit Mainz-Keeper Robin Zentner kollidierte. Berührung ja, elfmeterwürdig eher nein, so die allgemeine Wahrnehmung, die eigentlich alle hatten - außer eben Jöllenbeck. Der zeigte auf den Punkt, und nach einigem Tumult schoss Jeffrey Gouweleeuw das 1:0.

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Hinterher musste sich Jöllenbeck korrigieren, er räumte seinen Fehler unumwunden ein. "Wenn ich die Bilder sehe, hätte ich den lieber nicht gegeben, eigentlich ist es kein Bundesliga-Elfmeter", sagte er, "einen klaren Treffer sehe ich nicht." Sein Entscheid sei "falsch" gewesen und tue ihm leid. In der Tat ist in der Szene zwar eine klitzekleine Berührung zwischen Niederlechner ("es war kein Elfmeter") und Zentner zu erahnen, doch die erfolgte erst, als der Augsburger bereits auf Knien den Ball wegspitzelte.

Die Empörung der Mainzer folgte prompt - und sie richtete sich gar nicht so sehr in Richtung des gebürtigen Südbadeners Jöllenbeck, sondern eher rheinabwärts Richtung Videokeller. "Was machen die da in Köln?", grantelte 05-Trainer Bo Svensson. Ein "krasser Fehler" seitens des Videoschiris (VAR) Tobias Stieler sei es gewesen, den Pfiff von Jöllenbeck nicht zu monieren. Auch der Mainzer Sportdirektor Martin Schmidt hatte ordentlich Puls: "Was ich nicht verstehen kann, ist, dass der Keller in Köln nicht hilft und ihn da so einen Riesenfehler machen lässt."

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So steht wieder einmal die Frage nach unterlassener Hilfeleistung im Raum. Immerhin, es gab Erklärungsansätze, was schiefgelaufen war: Offenbar verursachte eine Kommunikationspanne das Kuddelmuddel. "Vielleicht habe ich die Wahrnehmung auf dem Platz nicht sauber genug beschrieben, und vielleicht war es deshalb nicht ganz klar, was gesehen wurde", erläuterte Jöllenbeck. In Richtung Videobeobachter Stieler sagte er: "Ich hätte mir gewünscht, dass ich nachher korrigiert werde, egal was ich sage." Doch dieser Eingriff blieb aus, weil offenbar immer noch nicht klar ist, wann ein Überstimmen aus Köln erfolgt und wann der Feldschiedsrichter die endgültige Hoheit behält.

Kurioserweise griff Köln etwas später dann doch ein und führte eine Annullierung eines Treffers von André Hahn (32.) herbei - der VAR hatte ein Handspiel des Stürmers erkannt. Nach der großen Aufregung kamen die Mainzer durch Silvan Widmers Linksschuss zwar zum 1:1 (54.), doch den Augsburger Sieg stellte kurz darauf Ruben Vargas per Abstauber sicher (56.).

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Mainz-Coach Svensson blieb hinterher nur der Frust. "Die wollten das wegklären mit dem Video-Schiri, da werden aber einfach viel zu viele entscheidende Fehler gemacht", polterte der sonst eher besonnene Däne. Vor allem, wenn man die Chance habe, Szenen quasi "unendlich oft zu sehen". Svensson und seine Mainzer werden den Fauxpas verkraften können, ihre Abstiegssorgen sind nur mehr minimal.

Doch er verwies auf die Augsburger Konkurrenten im Abstiegskampf: Hertha, Bielefeld und Stuttgart. Sie alle geraten durch den FCA-Sieg nun ins Hintertreffen. "Wir werden noch mal in Ruhe darüber sprechen", verkündete derweil Schiedsrichter Jöllenbeck, ein Gespräch mit Stieler zur Aufarbeitung stehe an. "Wir haben alle Interesse daran, dass solche Elfmeter nicht stehen bleiben."

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