Angelique Kerber:Gelungener Kaltstart in die zweite Karriere

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Zurück mit fliegendem Zopf, mit Wucht und Präzision: Angelique Kerber in Sydney. (Foto: Stephen Markham/AAP/Imago)

Tennisprofi Angelique Kerber beweist bei ihrer Rückkehr nach der Schwangerschaft beim United Cup, dass sie den Gegnerinnen noch immer die Bälle vor die Füße jagen kann.

Von Barbara Klimke

Die Tennissaison hat in Australien mit einem Feuerwerk an gelben Bällen begonnen. Und mit Neujahrswünschen, die zumindest zu einem Teil in Erfüllung gingen, noch ehe der erste Tag 2024 beendet war. Vier Matches hat Angelique Kerber rund um den Jahreswechsel in Sydney bestritten: eins gewonnen, drei verloren. Sofern die Bilanz beim United Cup sie womöglich nicht ganz zufriedenstellt, so hat sie doch gezeigt: Sie ist noch immer in der Lage, die Besten der Welt mit Wucht und Präzision unter Druck zu setzen, auch wenn sie erstmals mit ihrer zehn Monate alten Tochter um den Globus reist.

Es hat am Neujahrstag nicht ganz gereicht, um das französische Team im Nationenwettbewerb in Schach zu halten. Kerber, 35, verlor im Mixed mit Partner Alexander Zverev knapp gegen das Duo Caroline Garcia/Edouard Roger-Vasselin, 6:7 (4), 6:2 und 10:12. Nach den Einzeln hatte es 1:1 gestanden. Ob das deutsche Tennisteam trotzdem das Viertelfinale erreicht, wird erst am Donnerstag feststehen. Aber daran, dass Kerber den Kaltstart in Teil zwei ihrer Karriere gemeistert hat, dürfte es keinen Zweifel mehr geben.

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Das war keineswegs gewiss gewesen. Anderthalb Jahre lag ihr letztes Turnier zurück, als sie am Samstag den Platz betrat. Begleitet wurde ihre Rückkehr ins Berufsleben nach der Schwangerschaft von der Frage, ob vier Monate Training als Vorbereitung genügten für eine derart exponierte Position.

Bei einem Solo-Turnier hätte Angelique Kerber womöglich auf eine leichte Auslosung hoffen können. Doch im United Cup war Jasmine Paolini, 27, ihre erste Herausforderin, Italiens Beste und Nummer 30 der Welt. Sie wählte eine Überrumpelungstaktik gegen Kerber und überraschte sie mit dem Versuch, aus jeder Position auf den direkten Punktgewinn zu zielen. Kerber, ihrem Naturell nach eher eine Defensivspezialistin, verlor 4:6, 5:7. Trotz eines Satzballs im zweiten Durchgang - und obwohl Paolini einen Wadenkrampf erlitt und freiwillig zwei Punkte abgab, um sich auf der Stelle behandeln zu lassen. Ganz offensichtlich war die Wimbledonsiegerin von 2018 noch sehr mit ihrem eigenen Repertoire beschäftigt. "Ein paar Details fehlen mir noch", sagte Kerber danach: "Aber bin ich ja hier, um mehr Matches zu spielen."

"Es war ein besonderer Tag für mich", erklärt sie nach dem ersten Sieg

Die Gelegenheit ergab sich am Samstag schon drei Stunden später: Torben Beltz, Kapitän des deutschen Teams beim United Cup und gleichzeitig Kerbers Trainer, nominierte die Rückkehrerin an der Seite von Alexander Zverev für die Mixed-Partie- anstelle der erfahrenen Doppelspezialistin Laura Siegemund. Und was zuvor solo noch schiefgelaufen war, funktionierte im Duett gegen Italien nun perfekt. Kerber zog die Vorhand die Linie entlang, punktete am Netz mit Volleys und Stoppbällen. Als der ungefährdete 6:3, 6:0-Erfolg gegen Lorenzo Sonego und Angelica Moratelli gesichert war, stand sie erleichtert vor der Kamera auf dem Platz: "Es war ein besonderer Tag für mich", sagte sie und fügte an: "Nach dem Comeback ein erstes Match zu gewinnen, fühlt sich großartig an."

Zverev, der sich das Wochenende über in blendender Verfassung präsentierte und seine beiden Einzel gegen den Italiener Sonego sowie den Franzosen Adrian Mannarino jeweils in drei Sätzen gewann, zeigte sich beeindruckt von Kerbers Frühform: "Dass sie anderthalb Jahre raus war, zurückkommt und so ein hohes Niveau spielt, das zeigt, was sie für eine besondere Spielerin ist." Zumal Kerber/Zverev wie Kammermusiker ohne Probe den Rhythmus fanden. Sie hatten in früheren Jahren auch beim Hopman Cup, dem Vorläufer des United Cups, bereits auf dem Platz harmoniert. "Tennis ist ein Sport der Intuition", sagte Zverev zur Erklärung. Und im Doppel zeigte sich: Kerbers Reflexe funktionieren.

Sie nahm den Schwung am Neujahrstag mit in die Partie gegen Frankreich, in ihr Einzel gegen Caroline Garcia, Nummer 20 der Welt, eine Spielerin, die Kerber aus zahlreichen Duellen kennt. In Windeseile rang sie ihr den ersten Satz ab - ehe die Französin sich besann, ihre Position beim Return korrigierte, aggressiver den Bällen hinterherjagte und schließlich doch souverän gewann: 1:6, 6:2, 6:2.

Es ist dieses Vertrauen in das Vermögen, ein schon fast verlorenes Spiel zu drehen, das Garcia auszeichnet und an dem es Kerber noch mangelt, was wenig verwunderlich erscheint, wenn man die Statistik liest. 2023 hat Caroline Garcia 67 Einzel gespielt - Kerber null. Aber in der neuen Saison sind es jetzt immerhin schon zwei. Bis zum Beginn der Australian Open bleiben knapp zwei Wochen Zeit. Die Auftritte von Sydney zeigen: Es wäre unklug für die Konkurrenz, Angelique Kerber, berufstätige Mutter, auf der Tour zu unterschätzen.

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