Zum Tod von Andrew Jennings:Der erste Enthüller

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Der Reporter Andrew Jennings hielt Sport und Medien mit immer neuen Enthüllungen auf Trab. (Foto: Ethan Miller/AFP)

Der Reporter Andrew Jennings setzte neue Maßstäbe für den Sportjournalismus: Er war der Erste, der sich an die dunklen Seiten des Gewerbes wagte. Nun starb er im Alter von 78 Jahren.

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Einen Ruf als harter Rechercheur hatte er schon, bevor er sich dem Sport zuwandte. Andrew Jennings deckte Korruption bei Scotland Yard auf, er fertigte TV-Dokumentationen für die BBC über die Mafia in Palermo und den Bürgerkrieg im Libanon. Dann kam der Sport.

Jennings - 1943 geboren und in einem Londoner Arbeiterviertel mit den Storys von Veteranen des Spanischen Bürgerkriegs aufgewachsen - nahm nun den Herrscher der olympischen Welt ins Visier: Juan Antonio Samaranch. Der war der Statthalter des Diktators Francisco Franco in Katalonien, wo die Repression des faschistischen Regimes besonders brutal war. Die Landsleute jagten Samaranch nach Francos Tod davon, er zog als Botschafter in die Sowjetunion, wo er bei den Moskauer Spielen 1980 zum Boss des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gekürt wurde. Den Weg in die Heimat ebnete er sich über die Vergabe der Sommerspiele 1992 an Barcelona. All das trug schon die korrupten Muster, die bald Schule im runderneuerten Weltsport machen sollten.

Jennings' Buch "Die Herren der Ringe" (mit Co-Autor Vyv Simson) enthüllte 1992 die dunkle Geschäftswelt hinter der Unterhaltungsmaschine Sport. Und es setzte einen neuen Ton in einem journalistischen Bereich, wo sich Berichterstatter oft als Postillione derjenigen verstanden, denen sie auf die Finger schauen sollten, und gern auch private Bande pflegten.

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So blieb der Quereinsteiger stets Außenseiter, die Branche nahm hin, dass ihn das IOC und auch der Fußball-Weltverband (Fifa) jahrelang aus der Presserunde verbannte. Jennings gefiel diese Rolle, sie konnte nicht verhindern, dass er Sport und Medien mit immer neuen Enthüllungen auf Trab hielt. Einfach totschweigen ließen sich die Affären nicht mehr.

Das Milieu der abgeschotteten Weltverbände hat sich nicht geändert. Aber der Blick auf sie hat sich geändert

Scharfsinnig und gebildet, gesellig und angriffslustig, furchtlos und hilfsbereit: Gezielt baute Jennings seit den Neunzigern ein internationales Netzwerk auf. Im Sportjournalismus lagen die Scoops ja nicht, wie oft in anderen Feldern von Polit- und Wirtschaftskriminalität, in Ermittlungs- oder Anklagepapieren gut aufbereitet parat, um dank diskreter Drähte zu Ämtern und Kanzleien abgeholt zu werden. Denn der Sport besitzt Autonomie, damit hält er die Staatsgewalt auf Distanz. Dass sich da überhaupt etwas änderte, vom IOC-Bestechungsskandal 1999 bis zu Fifa-Gate 2015, als das FBI in der Schweiz zuschlug: Auch dazu trugen Jennings' Bücher und Netzwerke bei.

Schon beim Einstieg in die Unterhaltungsindustrie Sport hatte der Mafia-Reporter festgestellt, dass die Omerta, das Schweigen und der eiserne Zusammenhalt im Personengeflecht des Sports über alles hinausging, was er aus der Welt der Kriminalität kannte. Eine Erkenntnis, die Ermittler noch heute teilen.

Bei Recherchen für eine TV-Dokumentation zu Fifa-Gate 2015 in den USA erlitt Andrew Jennings einen Schlaganfall. Das zwang ihn zum Rückzug. Aber seine Arbeit hatte schon Standards gesetzt, sie hebt den Sportjournalismus weit über den Stadionrand hinaus. Zwar hat sich das Milieu in den abgeschotteten Weltverbänden wenig verändert. Aber der Blick darauf hat sich geändert, der Blick der westlichen Welt auf den Sport und seine Funktionäre. Am 8. Januar ist Andrew Jennings, Galionsfigur eines kritischen Sportjournalismus, gestorben.

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