DFB:Ungenierter als bei der Fifa

DFB: Rainer Koch schaltete und waltete jahrelang im deutschen Fußball, nun hat er seinen Rückzug von wichtigen Ämtern angeboten.

Rainer Koch schaltete und waltete jahrelang im deutschen Fußball, nun hat er seinen Rückzug von wichtigen Ämtern angeboten.

(Foto: Alex Grimm/Getty Images)

Fragwürdige Pläne beim DFB: Das unabhängige Gremium, das die Honorare fürs Präsidium festsetzt, soll abgeschafft und das Ethik-Reglement geändert werden. Dies würde Interimsboss Koch zupasskommen.

Von Johannes Aumüller und Thomas Kistner

Beim Deutschen Fußball-Bund läuft die nächste Neuaufstellung, Mitte März wird wieder ein Präsident gekürt. Favorit ist Bernd Neuendorf, 60, Chef im Landesverband Mittelrhein. Der frühere SPD-Politiker ist für das vom mächtigen Interimspräsidenten Rainer Koch gelenkte Amateurlager der ideale Kandidat. Gegenspieler ist Peter Peters, 59, als Liga-Vertreter derzeit zweiter DFB-Interimschef neben Koch. Doch im Schatten dieses Zweikampfes werden nun im Satzungs- und Rechtsbereich, für den im DFB ebenfalls der ewige Strippenzieher Koch zuständig ist, fragwürdige inhaltliche Weichenstellungen betrieben.

Nach SZ-Informationen hat das DFB-Präsidium an diesem Freitag Vorlagen zu einer Satzungsreform auf dem Tisch, die beim Bundestag am 11. März erfolgen soll. Was Kochs DFB ausgesendet hat, ist äußerst heikel: Denn zumindest zwei Vorschläge zielen darauf ab, externe Kontrolle in Kernbereichen der Good Governance zu reduzieren. Es geht um die Vergütung für Spitzenfunktionäre - und um Regelungen für die Ethikverfahren. Die sollen, de facto, künftig im Sinne der Mächtigen ablaufen können. Eine Umsetzung dieser Vorschläge würde die Strukturen des DFB in Bezug auf Compliance sogar noch hinter jene des skandalumtosten Weltverbandes Fifa zurückwerfen.

Es ist kaum anzunehmen, dass die Deutsche Fußball-Liga (DFL) und Peters das brisante Weihnachtspaket unterstützen werden. Der Profibereich verfügt beim Bundestag über eine Sperrminorität für Satzungsänderungen - sofern niemand ausschert. Aber die Zeiten sind rau, das zeigt die Kampfkonstellation vorm Bundestag mit (mindestens) zwei Kandidaten. Diesmal geht es um die Kernfrage, ob der allgewaltige Koch, dem drei Ex-Präsidenten ihren Untergang anlasten, sich dank des Stimmpotentials seiner Amateure erneut in ein wichtiges Amt retten kann.

Bisher bekommen die DFB-Granden zwischen 50 000 und fast 250 000 Euro

Kein Geheimnis sind Planspiele, nach denen der unerfahrene Quereinsteiger Neuendorf Koch als Vizepräsident für Internationales installieren könnte, um ihn im Maschinenraum der DFB-Macht zu halten. Peters hingegen will Koch unbedingt verhindern, ebenso wenig würde ein Kandidat oder ein Kandidaten-Team der Frauen-Initiative "Fußball kann mehr" den Amateur-Boss akzeptieren. Auch die DFL würde gern auf ihn verzichten. Denn Koch, dem das DFB-Sportgericht jüngst "unethisches Verhalten" im Umgang mit der langjährigen Top-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb attestiert hat, steht für die Affären, die den Verband fortwährend erschüttern. Aber die Mehrheit beim DFB-Bundestag haben die Amateure. Die wusste der Jurist aus Bayern bisher stets in seinem Sinne zu lenken.

Umso bemerkenswerter ist es, dass die neuen Pläne vorsehen, den Vergütungsausschuss abzuschaffen. Dieses unabhängige Gremium um den früheren Wolfsburg-Manager Wolfgang Hotze ist erst 2019 auf Drängen des neu installierten (und schon wieder abgetretenen) Präsidenten Fritz Keller eingeführt worden. Der badische Unternehmer wollte die Bezahlung von Funktionären extern und transparenter regeln lassen; vergleichbare Ausschüsse gibt es bei der Fifa und der Uefa.

Das Ergebnis lautete: 246 000 Euro pro Jahr für den Präsidenten, 166 800 für Schatzmeister Osnabrügge, 144 000 für Koch und 78 000 für Peters. Dazu für alle regulären Präsidiumsmitglieder jeweils 51 600 Euro, Letztere konnten zusätzlich einen Verdienstausfall beantragen. Für Funktionäre mit internationalen Ämtern - wie sie Koch bei der Uefa und Peters bei der Fifa gegen knapp 200 000 Euro Honorierung wahrnehmen - galten Deckelungen. Bei einer Gesamtvergütung von mehr als 246 000 Euro sollen die DFB-Zuwendungen gekürzt werden.

Der DFB betont, dass noch unklar sei, wie das Präsidium die Sache bewerte

Beim DFB soll es in der kurzen Zeit zu divergierenden Auffassungen zwischen Verbandsgranden und dem Gremium gekommen sein. Mancher Funktionär legt ja gern märchenhafte Beträge vor, wenn er selbst beziffern darf, was sein Engagement für den DFB die eigene Kanzlei oder den eigenen Betrieb angeblich kostet - das kann den Verdienstausfall hochschrauben. In dieser Hinsicht erwies sich der Vergütungsausschuss um Hotze als wenig flexibel. Wird das Gremium nun abgeschafft, könnten Apanagen und Verdienstausfälle intern selbst festgelegt und auch die Bosse der Landesverbände freier vergütet werden. Näheres soll der Vorstand regeln, in dem ja alle Landesfürsten sitzen.

Noch einen Effekt hätte eine Abschaffung des Vergütungsausschusses. Ab März 2022, heißt es in der Satzung, dürfe dieses Gremium auch "das erste Vorschlagsrecht hinsichtlich aller Mitglieder des Prüfungsausschusses" ausüben. Im Klartext: Der unbeugsame interne Prüfer-Stab, der Koch und Co. jüngst im Zuge der schwelenden Affäre um den Medienberater Kurt Diekmann heftige Probleme bereitete, soll dann eigentlich auf Vorschlag externer Fachleute bestückt werden. Das könnte dauerhaft viel Ärger in Finanzfragen bedeuten. Wird aber das Vergütungsgremium abgeschafft, kann mehrheitlich wieder das Amateurvolk den Prüfausschuss besetzen.

Vergütungs-Chef Hotze, der durch die SZ-Anfrage am Dienstag von den Plänen erfuhr, war über den jähen Schwenk unter Amateur-Anführer Koch "nicht überrascht". Ob das mit einer allzu stringenten Amtsführung seines Gremiums zu tun haben könnte, ließ er offen. Nur so viel: "Offenbar haben wir die in uns gesetzten Erwartungen nicht erfüllt." Der DFB sagt zu dem Thema inhaltlich nichts, legt aber Wert darauf, Koch formal aus der Schusslinie zu nehmen: die neuen Vorlagen für Freitag "stammen nicht von Herrn Dr. Koch, sondern von den zuständigen Stellen der Zentralverwaltung". Außerdem sei noch nicht klar, wie das Präsidium die Sache bewerte und es lägen noch nicht alle Stellungnahmen aus den Gremien vor.

Die Ethik-Chefin soll mit einer großen Machtfülle ausgestattet werden

Aber es geht um die Ideen. Und wie gut es ist, in Zeiten leerer Kassen und Stadien ans eigene Auskommen zu denken, wird sich noch weisen müssen, gerade aus Sicht der darbenden Basis.

Dabei ist das liebe Geld nicht der einzige Punkt, der aus Sicht des krisengeschüttelten DFB ganz neu zu überdenken ist. Kurz vor Heiligabend wurde ein weiterer Coup ausgeheckt. Nach SZ-Informationen soll der Ablauf der Ethikverfahren verändert werden. Diese bereiten Koch anhaltend Ärger, das konnte auch die handstreichartige Demontage des vormals kritischen Ethikkomitees im Juni nicht ändern. Irina Kummert, eine Personalberaterin, führt seither das umgemodelte Gremium zwar erkennbar in Kochs Sinne - nur fällt das auch immer peinlicher auf. Der letzte Gag: Es stellte, so teilte der DFB im Dezember mit, das Ethik-Verfahren gegen Koch in Sachen Steinhaus-Webb ein. Doch währte die Freude bei Koch und Co. kurz. Erzürnt gaben die drei Richter der für Ethik zuständigen Kammer im DFB-Sportgericht bekannt, dass sie einer Verfahrenseinstellung nur unter einer klaren Bedingung zugestimmt hätten: Kummerts Ethiker sollen erklären, es liege ein "unethisches Verhalten" von Koch vor.

Mitte Dezember, heißt es in DFB-Kreisen, ging eine weitere Anzeige zur Causa Koch ein. Der Anzeigensteller will wissen, wie die Ethiker das Verhalten des Interims-Bosses bewerten - zumal ja nicht nur jüngst die Sportrichter, im Fall Steinhaus-Webb, ein "unethisches Verhalten" attestierten. Vielmehr hatte bereits im Frühjahr, rund um die dubiose Entlassung von Kellers Büroleiter, der damalige Ethiker-Stab ein "ethisch nicht vertretbares" Verhalten bei der DFB-Spitze konstatiert. Und damit nicht genug: Im Sommer reichte der frühere DFB-Präsident Reinhard Grindel eine Anzeige wegen Kochs Verhalten rund um den Ausbruch der Sommermärchen-Affäre 2015 und die Affäre um Kommunikationsberater Diekmann ein. Hier wartet ein besonders heikles Thema.

So viele Ethikfragen: Droht bald Alarmstufe Rot?

Da wirkt schon leicht bizarr, was kurz vor Weihnachten ausgesendet wurde. Demnach soll die Koch zugeneigte Kummert mit enormer Machtfülle ausgestattet werden. Sie soll sogar allein entscheiden dürfen, welche Eingaben "eindeutig gelagert" und flott abzuhandeln sind. Die Vorsitzende soll zudem ganz nach eigenem Ermessen Beteiligte informieren und bei einem "geringfügigen Verstoß" - den sie selbst klassifizieren darf - Verfahren sogar ohne Zustimmung des Sportgerichts einstellen können. Mit diesen Sachverhalten konfrontiert, erklärte der DFB am Donnerstag ausschweifend, die Ethiker bräuchten ja ohnehin eine Verfahrensordnung. Es liege nun "ein von einer Arbeitsgruppe erstellter Entwurf" vor, der noch nicht weiter abgestimmt sei.

Aber das erklärt nicht die zumindest angedachte große Machtfülle: Müsste Kummert das Sportgericht gar nicht mehr involvieren, entfiele jede Kontrolle, der Willkür in Ethikverfahren wäre auch formal Tür und Tor geöffnet. Und die Krönung: Die Beraterin ist nicht einmal Juristin, sondern promovierte Philosophin. Trotzdem soll sie rechtlich komplizierte Sachverhalte allein bewerten dürfen? Erstaunlich: In allen ähnlichen DFB-Gremien fordert die DFB-Satzung Volljuristen an der Spitze. Auch für die Ethiker ist verfügt, dass diese "die Befähigung zum Richteramt besitzen oder langjährige Erfahrung in herausgehobener Funktion vergleichbarer Tätigkeitsfelder haben" müssen. So ungeniert wie beim DFB geht es nicht mal bei der Fifa zu, wo die Ethiker-Runde zwar auch treu im Sinne des Patrons Gianni Infantino agiert, den Kammern aber immerhin Juristen vorsitzen.

Die Zeit drängt, in wenigen Tagen müssen die Anträge für Satzungsänderungen beim DFB-Bundestag vorliegen. Donnerstagnachmittag kam nach SZ-Informationen noch einmal Bewegung in die offenkundig dreiste Planungslage. Doch nun muss sich auch der Mann positionieren, der bisher noch gar nicht dem DFB-Präsidium angehört, ihm aber bald vorsitzen soll: Bernd Neuendorf.

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