Dritte Fußball-Liga:Transfers, die ein bisschen wehtun

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Die Fans von Jahn Regensburg sind bester Dinge - und freuen sich über die Rückkehr von Andreas Geipl (re., hier im Test gegen Augsburg) (Foto: Klaus Rainer Krieger/Imago)

Bei Absteiger Jahn Regensburg feiern die Fans schon jetzt die neue Mannschaft - davon können sie bei Sechzig und in Ingolstadt nur träumen. Und Haching ist kein Ort, sondern eine Lebenseinstellung.

Von Christoph Leischwitz und Markus Schäflein

An diesem Wochenende startet die dritte Fußball-Liga - mit vier Teilnehmern aus Bayern. Neben dem TSV 1860 München und dem FC Ingolstadt sind in dieser Saison auch Absteiger SSV Jahn Regensburg und Aufsteiger SpVgg Unterhaching dabei. Hier die teils kuriosen Antworten auf ein paar teils wichtige Fragen.

SSV Jahn Regensburg

Wer ist Sportdirektor?

Achim Beierlorzer ist in Regensburg sehr beliebt, als Trainer steht er für die erfolgreichste Zeit (2018 Platz fünf in der zweiten Liga, 2019 Platz acht). Das Wortpaar "sofortiger Wiederaufstieg" nimmt der 55-Jährige trotzdem nicht in den Mund. Mittelfristig ist die Rückkehr in Liga zwei aber natürlich der Plan. Trainer Joe Enochs ist auch keiner für eine Saison, er liebt Langzeit-Engagements. So wie Beierlorzer.

Wer ist neu?

15 Spieler wurden geholt, trotzdem ist der Kader angesichts der zahlreichen Weggänge nach dem Abstieg relativ klein. Von Unterhaching kam Niclas Anspach, was Haching ein bisschen wehtut.

Auf wen kommt es an?

In der dritten Liga sind zwei Dinge besonders gefragt: Zweikampfhärte und Sozialkompetenz, denn meist sind echte Teams erfolgreich (siehe SV Elversberg in der vergangenen Saison). Andreas Geipl, 31, bringt beides mit. Er ist in gewisser Weise der Beierlorzer auf dem Feld: ein Rückkehrer, über den sich alle freuen. Von 2014 bis 2020 spielte er bereits beim Jahn, danach drei Jahre in Heidenheim. Er wurde prompt zum Kapitän ernannt.

Was ist das Ziel?

Auch wenn das keiner so deutlich sagt: Alles andere, als um den Aufstieg mitzuspielen, wäre mit diesem teuren Kader eine Enttäuschung.

Wie ist die Stimmung?

Diese Woche kamen mehrere hundert Fans zum öffentlichen Training und feierten die Mannschaft. Die Stimmung könnte bei einem Absteiger kaum besser sein.

Maurizio Jacobacci. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

TSV 1860 München

Wer ist Sportdirektor?

Seit dem Abschied bzw. der Flucht des investorenseitig gemobbten Günther Gorenzel Ende Juni: niemand. Der Kader wurde, so die offizielle Sprachregelung, "im Team" zusammengestellt. Federführend natürlich vom Investoren-Wunschtrainer Maurizio Jacobacci. In welcher Funktion Anthony Power, Investorenvertreter und Geschäftsführer der Merchandising GmbH, mitwirkte, wird viel diskutiert - bei Vertragsgesprächen war er laut Jacobacci jedenfalls anwesend.

Wer ist neu?

Zwölf externe Zugänge hat 1860 verpflichtet, großteils Akteure mit Drittliga-Erfahrung. Sie kommen allerdings meist entweder von Absteigern oder erlebten zuletzt einen Karriereknick. Die Idee ist es laut Jacobacci, diese Spieler, "die sich beweisen wollen", wieder zu alter Form zurückzuführen. Ein Mittelstürmer wird noch händeringend gesucht, was sich offenbar schwierig gestaltet - obwohl Investor Ismaik seit Gorenzels Abschied scheibchenweise eine Million Euro mehr fürs Sportbudget freigab.

Auf wen kommt es an?

Auf Jacobacci. Er hat die Mannschaft maßgeblich gestaltet, er muss nun eine Einheit formen und geeignete Systeme finden. Seine Verantwortung hat der Trainer selbst betont: "Wer mich kennt, weiß: Wenn ich eine Marionette werde, bin ich nicht mehr da."

Was ist das Ziel?

Ein offizielles Saisonziel wurde nicht ausgegeben.

Wie ist die Stimmung?

Zuletzt quälte sich in der ersten Toto-Pokal-Runde eine B-Elf zu einem Sieg beim oberfränkischen Acht(!)-Ligisten 1. FC 1922 Stockheim. Das Ergebnis von 5:1 klang nicht nach Qual, aber angesichts einer Nur-2:1-Pausenführung und Unterzahl nach Rot für den indisponierten Zugang Leroy Kwadwo rief der Platzsprecher zu Recht: "Die Löwen zittern!" Insgesamt fehlte in den Vorbereitungsspielen vor allem die Torgefahr, in sechs Tests gegen Profimannschaften kamen die Löwen nur auf zwei Treffer. Zumindest im Tor bleibt alles beim Alten: Jacobacci setzt auf Marco Hiller als Stammkeeper, wie er am Freitag bekannt gab. Die Fans schwanken zwischen vorsichtigem Optimismus, Weltuntergangsstimmung und Galgenhumor.

Michael Köllner. (Foto: Michael Sigl/Regiopictures/Imago)

FC Ingolstadt

Wer ist Sportdirektor?

Ivica Grlic ist zwar erst seit vier Monaten für die Schanzer tätig, aber als sportlicher Leiter tatsächlich schon der Dienstälteste unter den bayerischen Drittligisten. Der gebürtige Münchner meidet das Rampenlicht, der von ihm zusammengestellte Kader sollte etwas extrovertierter auftreten als er selbst.

Wer ist neu?

Elf Spieler, eine Mischung aus Routiniers und so genannten hungrigen Talenten. Das Ziel ist mehr Erfolg als in den Vorjahren durch verschärften Konkurrenzkampf. Von Sechzig kam Yannick Deichmann, was den Löwen ein bisschen wehtut.

Auf wen kommt es an?

Auf Michael Köllner. Nach den vielen Trainerrauswürfen in jüngster Zeit wird von dem erfahrenen Oberpfälzer erwartet, endlich mal wieder ein schlagkräftiges Team auf den Platz zu schicken. Köllner ist nach außen ein Sunnyboy, der seine Mission gut verkauft, das war schon bei 1860 so. Intern kann er auch mal mürrisch werden. Sein System: Zuckerbrot und Peitsche.

Was ist das Ziel?

Auch wenn das keiner so deutlich sagt: Alles andere als der Aufstieg wäre mit diesem teuren Kader eine Enttäuschung.

Wie ist die Stimmung?

Dass die Mannschaft irgendwann mal wieder erfolgreich ist, glauben die Fans erst, wenn sie es wirklich sehen. Die vielen Verletzten zum Saisonstart wecken schon jetzt negative Déjà-vus. Und das mühsame 2:1 im Totopokal gegen Bezirksligist Hutthurm entfachte auch nicht gerade Aufbruchstimmung.

Marc Unterberger. (Foto: Ulrich Wagner/Imago)

SpVgg Unterhaching

Wer ist Sportdirektor?

Kein Scherz: ein Spieler. Und zwar Präsidentensohn Markus Schwabl. Der 32-jährige Rechtsverteidiger sagt, die Doppelfunktion sei kein Problem. Allerdings musste der Sportdirektor Schwabl am Donnerstag zum Saisonauftakt in der Pressekonferenz viele Fragen beantworten, weshalb der Spieler Schwabl beinahe das Training verpasste.

Wer ist neu?

Für die Stammelf ein einziger - insofern hatte der Sportdirektor Schwabl tatsächlich nicht viel zu tun bisher. Verteidiger Raphael Schifferl kam vom österreichischen Erstligisten Wolfsberg. Ansonsten ist Haching ja eher ein bodenständiger Familienbetrieb, wo es selten etwas Neues gibt.

Auf wen kommt es an?

Marc Unterberger. Seine fehlende Trainerlizenz (den Lehrgang tritt er vermutlich Anfang 2024 an) sorgte für Schlagzeilen, zum Saisonstart ist die Frage: Kann der 34-Jährige eigentlich Profifußball? Derweil zahlt Präsident Manni Schwabl die Strafe für die fehlende Lizenz aus eigener Tasche. Für Unterberger ist die dritte Liga komplettes Neuland. Doch er gibt sich selbstbewusst, die Ergebnisse in der Vorbereitung zeigen, dass seine Spielidee umgesetzt wird. Er setzt auf ein Hybrid-System mit spielerischen Ansätzen und langen Bällen auf die gefährlichen Angreifer. Als Jugendcoach war er ziemlich streng, quasi ein junger Trainer der alten Schule.

Was ist das Ziel?

Alle sagen unisono: Es geht nur um den Ligaverbleib.

Wie ist die Stimmung?

Haching startet mit einem Etat von läppischen 2,5 Millionen Euro. Schon allein deshalb hat hier niemand etwas zu verlieren. Haching ist kein Ort, sondern eine Lebenseinstellung: Solange das Nachwuchsleistungszentrum fleißige Talente produziert und es im hauseigenen Biergarten bayerische Küche gibt, wäre der Abstieg kein Weltuntergang.

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