Fußball:Italien lädt zum Finale im Unrechtsstaat

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Fußball aus Tausendundeiner Nacht: Juventus und Cristiano Ronaldo (im Bild) sollen Anfang Januar in Dschidda um den Ligapokal spielen. (Foto: dpa)
  • Der italienische Ligapokal zwischen Juventus und dem AC Milan soll am 16. Januar im King-Abdullah-Stadion in Dschidda, Saudi-Arabien, stattfinden.
  • Es regt sich Widerspruch gegen das Match in einem Unrechtsstaat, doch der geht im Land genauso unter wie die Kritik an der stramm rechten Regierung in Rom.
  • Für den Juventus-Präsidenten Andrea Agnelli könnte das Match trotzdem zum Problem werden

Von Birgit Schönau, Rom

Die Einsicht, dass Geld nicht stinke, stammt angeblich aus dem alten Rom. Kaiser Vespasian soll sie in seiner Regierungszeit 69-79 n. Chr. geprägt haben, zur Rechtfertigung einer Latrinensteuer, über die sein Sohn Titus die Nase rümpfte. "Pecunia non olet" wurde zum wohl meistzitierten Motto der Geschichte. Heute scheint die Erkenntnis des Latrinenphilosophen Vespasian den wohl einzigen ideologischen Überbau für die weltweit wichtigste Unterhaltungsindustrie der Männer zu bilden - Fußball. Der Präsident des Weltverbandes Fifa, Gianni Infantino, führt gerade ja wieder eindrucksvoll vor, worauf es wirklich ankommt. Nicht auf Völkerverständigung und die Ästhetik des Spiels, diese Phrasen für Amateure. Sondern auf die Kohle. Fußball ist eine Ware wie jede andere. Wer am meisten bietet, der kann sie kaufen, um seinerseits mit den Emotionen der Fans zu schachern.

In Vespasians Heimat Italien ist der Fußball nicht erfunden worden, wohl aber die Massenunterhaltung als Herrschaftsinstrument. Panem et circenses, Brot und Spiele sollten dem Volk geboten werden, weswegen Vespasian und Titus das Kolosseum bauten, vermutlich - und da schließt sich der Kreis - auch mit den Sesterzen aus der Latrinensteuer. Was Wunder also, wenn Italien seine Gladiatoren heute in eine Arena schickt, wo sie nicht nur besonders viel Geld scheffeln können, sondern auch dem Vaterland dienlich sein dürfen. Der italienische Ligapokal soll am 16. Januar im King-Abdullah-Stadion in Dschidda, Saudi-Arabien, stattfinden. Teilnehmer sind Meister und Pokalsieger Juventus sowie der unterlegene Pokalfinalist AC Milan.

Italiens Innenminister Matteo Salvini zeigt sich mit Maschinenpistole in Katar

Weil einiges darauf hinzudeuten scheint, dass das saudi-arabische Königshaus, der Gastgeber und Mäzen des Fußballspiels, den Befehl zur brutalen Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi am 2. Oktober in Istanbul gegeben hat, regen sich gegen den Austragungsort der Supercoppa leise Proteste. Dagegen sind: eine linke Gewerkschaft im Staatsfernsehen RAI, das die Partie übertragen soll. Dazu ein paar Kommentatoren linker Zeitungen und die sozialdemokratische Oppositionspartei PD. Doch der Widerspruch gegen das Match in einem Unrechtsstaat fernab der italienischen Tifosi geht genauso unter wie die Kritik an der stramm rechten Regierung in Rom, die größte Popularität genießt. Kürzlich ließ sich Innenminister Matteo Salvini in Doha, Katar, mit einer Maschinenpistole in der Rechten ablichten. Die Waffe stammte aus italienischer Produktion, und Salvini zeigte sich hocherfreut darüber, dass Katar fleißig das Made in Italy unterstützt. Geld stinkt nicht!

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Ähnlich argumentiert auch der italienische Botschafter in Saudi-Arabien. "Der Botschafter lädt dazu ein, mit der Organisation des Fußballspiels fortzufahren", heißt es in einer über die Nachrichtenagentur ANSA verbreiteten Meldung vom 13. November. Es gehe um "Fragen des internationalen Gleichgewichts". Und damit dieses "Gleichgewicht" nicht kippt, sollen die Profis von Milan und Juve gefälligst in Dschidda antreten. Auf der Waagschale liegt unter anderem ein Drei-Milliarden-Auftrag für ein Konsortium der halbstaatlichen Eisenbahngesellschaft und anderer italienischer Firmen für die Untergrundbahn in Riad. Sowie natürlich jene 21 Millionen Euro, die die staatliche General Sports Authority der Saudis dem Ligaverband zahlt - für drei Jahre Supercoppa. Im Januar soll erst der Anfang gemacht werden.

Sieben Millionen pro Match, das ist das Doppelte des üblichen Gewinns. Für so viel Geld sollen die Italiener gefälligst antanzen, um der Welt Fußball aus Tausendundeiner Nacht zu präsentieren. Praktisch, dass die Saudis endlich auch ein paar Frauen in ihre Stadien lassen. Schließlich bewerben sie sich als Mitveranstalter der Weltmeisterschaft 2022, mit Infantinos Hilfe.

Für Juventus-Präsident Andrea Agnelli könnte das Match zum Problem werden

Pecunia non olet. Was das Fußballspielen vor den Finsterlingen dieser Welt betrifft, sind die Italiener erwiesenermaßen schmerzfrei. Die Partie in Dschidda wäre der 10. Ligapokal im Ausland, bereits 1993 wurde die erst 1988 eingerichtete Veranstaltung in den USA ausgetragen. Seither folgten vier Ausgaben in China, eine weitere in den USA und zwei in Katar. Vorgänger der Saudis war 2002 auch der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi. Für das Match Juventus gegen Parma wurde der Sandboden im Stadion von Tripolis mangels Rasens Grün angesprüht. Juve gewann 2:1 und konnte gerade noch verhindern, dass ein Sohn des "Revolutionsführers" und Anteilseigners Gaddafi als Profi in der Turiner Mannschaft anheuerte. Gaddafi jr. landete stattdessen beim AC Perugia, wo er alsbald wegen Dopings rausflog. Seit dem Sturz des Regimes ist Libyen im Juventus-Verwaltungsrat nicht mehr vertreten.

Die Kronprinzen der Saudis planen keine Profikarriere in Italien. Aber für Juventus-Präsident Andrea Agnelli könnte das Match in Dschidda trotzdem zum Problem werden. Der Juve-Besitzer ist seit einem Jahr Vorsitzender des europäischen Klubverbandes ECA, er versteht sich als Repräsentant eines modernen, business-orientierten Fußballs, ohne kulturelle Traditionen und ethische Schranken aus dem Blick zu verlieren. Werden die Kollegen das Vorspielen bei den Saudis schlucken? Oder, schlimmer noch, dazu schweigen? Pecunia non olet, das hat die längste Zeit gegolten. Neuerdings stinkt es immer mehr Fans zum Himmel. Jedenfalls außerhalb von Italien.

© SZ vom 20.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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