Pläne von Gianni Infantino:Entsetzen über geplanten "Raubzug an der Fifa"

FILE PHOTO: FIFA President Gianni Infantino gestures after a meeting of the FIFA Council at the FIFA headquarters in Zurich

Bis hierhin und nicht weiter: Fifa-Präsident Gianni Infantino gibt weiterhin nur einen kleinen Teil seiner Milliardenpläne preis.

(Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)
  • Dass Fifa-Boss Infantino im Alleingang quasi den gesamten Fußball an unbekannte Investoren verkaufen wollte, stößt auf Kritik.
  • Die Frage ist nun, ob Infantino mit seinen Plänen im Dunklen gesetzeswidrig handelte.
  • Von der Fifa selbst sind weiterhin nur halbgare Antworten zu hören.

Von Thomas Kistner

Der geplante Ausverkauf fast aller Rechte des Weltverbandes, diskret eingefädelt von Präsident Gianni Infantino, 48, hält die Fußballwelt in Atem; insbesondere die Funktionäre der Europäischen Fußball-Union Uefa sind alarmiert. Auch DFB-Chef Reinhard Grindel kritisiert Infantinos Geheimwirtschaft und fordert den Fifa-Boss auf, "alle Fakten und Informationen auf den Tisch" zu legen. Am Wochenende hatte die Süddeutsche Zeitung Dokumente veröffentlicht, die zeigen, wie der Fifa-Boss seit rund einem Jahr hinter verschlossenen Türen mit einem Investoren-Konsortium verhandelt. Dabei geht es um einen 25-Milliarden-Dollar-Deal, der nach Ansicht von Wirtschaftsjuristen auch strafrechtliche Fragen aufwerfen dürfte. "Project Trophy", wird der Plan laut Arbeitspapier intern genannt.

Auf SZ-Anfrage nannte die Fifa das Dokument am Freitag "veraltet" und spielte es als "eines unter Hunderten solcher Papiere" herunter. Hingegen hatte am Donnerstag eine eigens für den 25-Milliarden-Plan gegründete "Taskforce" ihre Arbeit aufgenommen. Bei deren Auftaktsitzung ging es wieder mal nur um neue Turnierformate, Infantino gab keine Auskunft über weitere Hintergründe, teilte die Uefa auf SZ-Anfrage mit.

Das zentrale Dokument ist ein "Term Sheet", ein konkretes Arbeitspapier für einen Vertrag; erstellt zwischen der Fifa und den als "Konsortium" bezeichneten Aufkäufern. Bei diesen handelt es sich um die Investmentfirmen "SB Investment Advisers Limited (SBIA)" sowie um die in London ansässige "Centricus Partners LP". Beide Beraterfirmen haben enge Drähte zum japanischen Softbank-Konzern und zu Anlegern in Saudi-Arabien und am Golf.

Das Papier verfügt die Gründung einer gemeinsamen Firma namens "Fifa Digital Corporation" (FDC), an der die Fifa aber nur 51 Prozent halten soll. In der FDC geht es vordergründig um neue Turnierformate, eine reformierte Klub-WM und eine World League für Nationalteams. Doch offenkundig sollen diese Events nur den Buy-Out kaschieren: Das Term Sheet zeigt, dass die Vertragspartner so wenig Vertrauen in diese Formate haben, dass die Investoren wiederholte Ausstiegsmöglichkeiten erhalten.

Wobei FDC im Falle, dass Klub-WM und World League nicht fortgeführt würden, die Fifa-Rechte weiter behalten dürften - die ihnen im Beigepäck zugespielt werden. Vorgesehen ist laut Papier der Ausverkauf quasi aller Digital- und Archiv-Rechte, Filme und Videos, Satelliten- und Netzübertragungen, Merchandising und Spielrechte, Produktionen in HD und 3-D-Format, Computerspiele, sowie "jedes andere Format, das noch weltweit entwickelt wird". Sogar Zugriffsrechte an noch nicht existierenden Formaten sowie an der Fußball-WM ab 2026 wurden einbezogen.

Während die Fifa das Papier herunterspielt, sieht die Faktenlage anders aus. Auf Basis des "Term Sheets" hatte Infantino sein Fifa-Council schon Mitte März zur Absegnung der 25-Milliarden-Dollar-Offerte drängen wollen; zusätzlichen Druck übte er aus, indem er auf ein 60-Tage-Ultimatum der Investoren verwies. Weil er seinen Ratsmitgliedern weder die Geldgeber noch Geschäftsdetails nennen wollte und auf eine Schweigepflicht verwies, lehnte das Council den Vorstoß ab. Infantino betrieb die Causa weiter, auch die Investoren sind offenbar bis heute an Bord; trotz des damaligen Ultimatums. Beim letzten Vorstoß in der Council-Sitzung Ende Oktober in Kigali setzte Infantino die Gründung eine Taskforce zur Behandlung des Themas durch.

Die Fifa-Justiziare warnen, dass der geplante Deal auch Verträge treuer, alter Partner gefährdet

Neben der im "Term Sheet" zwischen den Partnern festgehaltenen Details, entlarvt eine weitere Tatsache die Bedeutung der monatelangen Geheimverhandlungen: Wochen, nachdem Infantino den ersten Vorstoß im Council gemacht hatte, war das Dossier so weit gediehen, dass er seine hauseigenen Justiziare mit der Prüfung beauftragte. Die 16-seitige Expertise der Fifa-Juristen fiel vernichtend aus: Chefjustiziar Marco Villiger und Stellvertreter Jörg Vollmüller warnten eindringlich vor den geplanten Rechte-Ausverkäufen; sie sahen kartellrechtliche Probleme und den Steuerstatus des Weltverbandes in Gefahr.

In ihrem Memo von 29. März rieten sie Infantino dringend, ein Geschäft mit den Investoren allein auf die Turnierformate Klub-WM und Nations League zu beschränken. Resultat: Kurz nach der WM in Russland durften die beiden langjährigen Chefjuristen den Hut nehmen. Villiger, seit 2002 in der Fifa, "kam nach den Ferien zurück ins Büro und sollte es innert vier Stunden räumen", sagte Infantinos Amtsvorgänger Sepp Blatter dem Tages-Anzeiger. "Am Ende gaben sie ihm acht Stunden."

Ein stiller Rechte-Ausverkauf könnte erklären, warum Infantino das Projekt stets im Geheimen betrieb. Der Strafrechtler Mark Pieth legt massive Probleme dar, in die der nicht-operative Fifa-Boss nun geraten könne. "Das ist ein Raubzug an der Fifa", sagte der Compliance-Experte der SZ und dem WDR, "man versucht sie finanziell auszuhöhlen und verlagert alle Entscheidungen auf ein dubioses Konsortium, dessen Chef er (Infantino; d. Red.) werden soll." Denn Infantino ist in dem "Project Trophy" als Aufsichtsratschef der neuen Firma FDC vorgesehen. Für Pieth und andere Experten treten in dieser Konstellation klare Fragen zur Geschäftstreue auf.

Heikle Passagen im "Term Sheet"

Eine weitere Schwachstelle deckten die Hausjuristen Ende März auf. Villiger/Vollmüller verwiesen auf Schadenersatzrisiken, die aus so einem Arbeitspapier für die Fifa erwachsen könnten. Eine Pflichtenverletzung könne auch aus einem vorvertraglichen Schuldverhältnis entstehen, etwa, falls eine Partei Rechte anbietet, die sie nicht verkaufen darf - oder gar nicht besitzt.

Hier wirkt eine Passage des "Term Sheet" heikel, derzufolge die FDC "Inhalte und geistige Eigentumsrechte an bestimmten bestehenden und zukünftigen Fifa- und anderen Fußballturnieren erwerben" dürfe. Ein Rechte-Erwerb an anderen Fußballturnieren als denen der Fifa? Diese Formulierung könnte Events wie Champions League und Kontinentalturniere rund um den Globus betreffen. Und solche Rechte kann die Fifa gar nicht anbieten.

Kernfrage ist nun, wie die zuständigen Stellen reagieren. Zum einen die Fußball-Welt, die bei weiterer Duldung der Alleingänge Infantinos eigene Ethikregeln verletzen dürfte. Der Fifa-Ethikcode fordert unter Punkt 15 der Verhaltensregeln zum Thema Loyalität, dass sich dem Code "unterstellte Personen gegenüber der Fifa, Konföderationen, Verbänden, Ligen und Klubs absolut loyal verhalten" müssen. Vergehen können mit "einer Sperre für jede Fussballtätigkeit von maximal zwei Jahren geahndet" werden.

Unabhängige Ethikermittler wie das Duo Cornel Borbely/Hans-Joachim Eckert, das Infantino 2017 per Handstreich entfernt hatte, hätten den Fifa-Boss längst suspendiert, heißt es in Fachkreisen; wie es die Regeln vorgeben. Doch Infantino setzte als Chefermittlerin die Verwaltungsjuristin Claudia Rojas ein. Die Kolumbianerin war ihm von Latino-Funktionären als "Super-Freundin" angepriesen worden, sie pflegt persönliche Bande zu Verbandschefs, die selbst im Visier der Justiz stehen. Weil von dieser Seite nichts zu erwarten ist, müssten nun Fußballfunktionäre ein Verfahren anschieben.

Auch fragt sich, wie die Schweizer Justiz auf die neuen Vorwürfe reagiert. Sie ist ohnehin bereits unter Druck geraten, nachdem Infantinos enge Bande zu einem Walliser Oberstaatsanwalt ruchbar geworden sind. Der Jurist, den er mit teuren Tickets und Einladungen sogar zur Fußball-WM bezirzt hatte, soll ihm Treffen mit dem Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber eingefädelt haben; im Kanton wird nun gegen den Mann ermittelt. Und die Bundesanwaltschaft in Bern kündigt jetzt den Arbeitsvertrag ihres jahrelang für die Fifa- Ermittlungen zuständigen Chefermittlers. Eine Strafuntersuchung gegen den Beamten war am Freitag eingestellt worden.

Grund zur Besorgnis haben offenbar auch Partner und Sponsoren der Fifa. Denn die Verbandsjustiziare wiesen in ihrer Expertise Ende März auch auf die Gefährdung für bestehende Verträge und Vorverhandlungsrechte hin. So halte der japanische Konzern Dentsu bis 2022/23 die Rechte an der Klub-WM - diese soll aber laut "Term Sheet" schon Mitte 2021 ihr erstes Finale unter FDC-Regie erleben. Überdies halte Dentsu ein "exklusives Vorverhandlungsrecht für 2023 bis 2026". Und zu gültigen Vereinbarungen mit Adidas heißt es: von 2022 bis 2030 habe der Sportartikelkonzern das Recht, "Premiums" für alle Fifa-Wettbewerbe zu produzieren und zu verkaufen; daneben habe er das "exklusive Vorverhandlungsrecht, falls die Fifa einen globalen Master-Lizenznehmer für ihr Merchandisingprogramm ernennen will".

Von Veränderungen wäre Adidas auch als Top-Partner der Fifa betroffen. Dieser Vertrag, zeigen die Juristen auf, laufe bis 2030, ebenso die Verträge des chinesischen Mischkonzerns Wanda sowie des Sponsors der ersten Stunde: die Coca Cola Company.

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