Tiere:Hof Butland: Ein Altersheim für glückliche Kühe

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Wenn Karin Mück Hanni zum Essen ruft, dann hört sie aufs Wort. Serviert werden ihr Heu-Pellets mit lauwarmem Wasser. Hanni ist eine Kuh und 18 Jahre alt. Sie...

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Butjadingen (dpa) - Wenn Karin Mück Hanni zum Essen ruft, dann hört sie aufs Wort. Serviert werden ihr Heu-Pellets mit lauwarmem Wasser. Hanni ist eine Kuh und 18 Jahre alt. Sie lebt in einer Art Altersheim für Kühe auf der Nordsee-Halbinsel Butjadingen.

Karin Mück und Jan Gerdes gehört der Hof Butenland im Landkreis Wesermarsch. Kuh Hanni führt dort seit mehr als neun Jahren ein Leben wie wohl wenige ihrer Artgenossen. Die 38 Rinder auf dem Hof werden weder gemolken noch geschlachtet.

Gerdes ist auf dem Hof groß geworden und bewirtschaftet ihn in der dritten Generation - zunächst konventionell, dann stellte er auf biologische Landwirtschaft um. „Ich habe dann aber gemerkt, auch Bio-Kühe sind nicht wirklich glücklich, weil sie ja doch geschlachtet werden“, sagt er. Deshalb entschied er sich vor 20 Jahren für einen Lebenshof, der sich über Spenden finanziert.

Kühe mit Geschichten

Die Kühe haben unterschiedliche Vorgeschichten. Viele waren jahrelang Milchkühe. Manche kommen von Tierversuchslaboren und Zirkussen. Andere wurden von Tierärzten auf den Hof gebracht, wie Kuh Chaya. Die braun-weiß gefleckte Kuh habe sich kurz vor der Schlachtung so gewehrt, dass die Tierärztin sie nach Butjadingen brachte, erzählt Gerdes. „Und dann gibt es auch einige, die sind vom Nachbarn über den Graben gesprungen und die durften dann auch bei uns bleiben“, sagt der Hofbesitzer schmunzelnd und schaut auf die Kühe, die hinter ihm auf der Wiese grasen.

Das Paar unterscheidet nicht zwischen Hund, Schwein oder Kuh. „Sie haben alle auch ihre Freundschaften, die haben ihre Ängste, die haben ein Schmerzempfinden, die können traurig sein, die können lustig sein“, schildert Gerdes. Den Begriff Nutztier lehnt er ab. Dies sei ein künstlicher Begriff, um „eine Tierqual zu verniedlichen“. Schon Kinder erlebten diese Verniedlichung, sagt Karin Mück. „Wenn man sich die Kinderbücher anguckt, da sind die Tiere ja alle glücklich und springen fröhlich auf der Weide rum“, sagt sie. Mück ist dafür, dass Kinder ab einem gewissen Alter einen Schlachthof besuchen sollten.

Natürliche Vorgänge

Milchkühe seien ihr ganzes Leben fast dauerhaft trächtig, kritisiert Gerdes. „Die Milchkühe werden mit zwei Jahren schon zwangsbesamt, sind eigentlich noch Kinder und müssen trotzdem schon wieder Kälber gebären.“ Die Kälber würden nach der Geburt gleich vom Muttertier getrennt, männliche gingen in die Mast.

„Regelmäßiges Abkalben ist ein ganz natürlicher Vorgang und schadet den Kühen nicht“, sagt dagegen der Sprecher des Bundesverbandes Deutscher Milchviehalter (BDM), Hans Foldenauer.

Ein Landwirt sei Nahrungsmittelproduzent und müsse ein entsprechendes Einkommen für seine Familie erwirtschaften, sagt Christine Licher, Sprecherin der niedersächsischen Landesvereinigung der Milchwirtschaft. Deshalb sei es ihm nicht möglich, Kühe zu halten, die keine oder nur noch wenig Milch geben. „Jedem Landwirt liegt das Wohl seiner Tiere am Herzen, aber er muss auch die wirtschaftliche Seite seines Betriebes berücksichtigen“, sagt die Sprecherin. Nach ihrer Überzeugung geben Kühe heute zwar mehr Milch als früher, sie würden dadurch aber nicht stärker beansprucht oder höher belastet.

Jährlich 4,8 Milliarden Liter Milch

In Niedersachsen wurden nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums in Hannover von 2001 bis 2010 jährlich mehr als 4,8 Milliarden Liter Milch produziert. Im vergangenen Jahr waren es etwa 6,2 Milliarden Liter. Landesweit gab es im Jahr 2020 rund 2,4 Millionen Rinder. Knapp 822.200 davon waren Milchkühe.

Die niedersächsische Verbraucherzentrale fordert strengere Mindestanforderungen an die Nutztierhaltung und spezielle Regelungen für Milchkühe. Während für Schweine, Legehennen und Kälber detaillierte Haltungsanforderungen in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung festgelegt seien, fehlen bisher spezialgesetzliche Regelungen für die Milchkuhhaltung, sagt die Expertin für Ernährung und Lebensmittel der Verbraucherzentrale, Anneke von Reeken.

Initiativen für Mutterkuhhaltung

Sie empfiehlt, Weide- oder Biomilch zu kaufen. Bei der Biomilch sei der Auslauf der Kuh vorgeschrieben, meist mehr Platz im Stall sowie eine Anbindehaltung nur in Ausnahmefällen erlaubt. Es gebe mittlerweile auch Initiativen, die eine Mutterkuhhaltung kennzeichnen, bei der die Kälber bis zu fünf Monate bei ihrer Mutter bleiben können.

Gerdes und Mück vom Hof Butenland berichten, ihre Tiere seien körperlich angegriffen. Viele Kühe hätten Gelenkprobleme, beispielsweise Arthrose aufgrund falscher Haltungsbedingungen. Das Paar hofft darauf, dass die junge Generation die Zukunft nachhaltig gestalten wird. „Da wird jetzt Druck aufgebaut“, meint Gerdes. Es müsse noch sehr viel passieren, damit es zukünftig mehr Tiere gibt, die so ein Leben führen können wie ihre Kuh Hanni es jetzt leben dürfe.

© dpa-infocom, dpa:211011-99-554942/4

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