Urlaubsplanung:Flexibel bis zum Abflug?

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Schön wär's: Eine Familie sonnt sich an einem Strand auf Mallorca. Um trotz Corona wieder Reisen zu verkaufen, bieten immer mehr Veranstalter gegen Aufpreis flexible Stornierungsmöglichkeiten an. (Foto: Clara Margais/dpa)

Wegen Corona ist die Reiseplanung schwierig. Veranstalter werben nun mit kurzfristig stornierbaren Angeboten. Doch was haben die Urlauber davon? Eine Entscheidungshilfe. 

Von Eva Dignös

Ach, man würde so gern wieder Pläne machen. Eine Reise buchen für den Sommer, so wie man es sonst im Winter auch immer getan hat. Doch die Unwägbarkeiten wegen der Pandemie sind groß. Gleichzeitig kitzelt das Fernweh - und ein bisschen die Sorge, dass die besten Quartiere schon ausgebucht sind, wenn man sich endlich zum Reisen entschließt. Den Pauschalreiseveranstaltern ist die Gemütslage ihrer Kunden nicht entgangen. Eine ganze Reihe von Anbietern hat nun - gegen Aufpreis - Reisen im Programm, die kurzfristig storniert oder umgebucht werden können, ohne dass die sonst üblichen Gebühren fällig werden. Doch sind sie wirklich ohne Risiko für Verbraucher mit Reisesehnsucht?

Was ist neu an den flexiblen Tarifen?

Von einer Pauschalreise zurücktreten konnten Urlauber schon vor der Corona-Pandemie. Nur war das nicht ganz billig. Die Veranstalter verlangten für die Kündigung des Vertrags eine Entschädigung, deren Höhe in der Regel davon abhing, wie bald die Reise hätte beginnen sollen: Je kurzfristiger die Absage, umso höher die Stornokosten, bis hin zu fast dem kompletten Reisepreis. Kostenfrei stornieren konnte man nur bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise aufgrund "unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände", bei einer Naturkatastrophe zum Beispiel - oder bei einem Lockdown aufgrund einer Pandemie.

Im vergangenen Jahr, als Reisen nur noch schwer langfristig planbar waren, zeigten sich viele Veranstalter deutlich kulanter und gestatteten auch kurzfristige Stornierungen oder Umbuchungen ohne zusätzlich Kosten, um zumindest ein Minimum an Geschäft am Laufen zu halten. 2021 wird diese Option zu einem neuen Geschäftsmodell: Eine Reihe von Veranstaltern bietet die Flexibilität nun gegen Aufpreis an. Neu ist das eigentlich nicht, sondern bei Bahn- und Flugtickets schon vor Corona gängige Praxis. Nur bei Pauschalreisen war es bisher eher unüblich. Ob es sich dauerhaft etablieren wird, sei derzeit nicht abzusehen, aber durchaus denkbar, sagt Kerstin Heinen vom Deutschen Reiseverband.

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Wie funktioniert das?

Im Prinzip überall ähnlich, im Detail bei jedem Anbieter etwas anders. Mit einem etwas höheren Reisepreis erkaufen sich die Kunden das Recht, auch kurz vor der Reise - in der Regel zwei bis drei Wochen vor Reisebeginn - kostenlos zurücktreten oder umbuchen zu können. Wie viel für die neue Flexibilität zu zahlen ist, hängt meist davon ab, wie teuer die Reise ist: Bei Tui ist der Aufschlag gestaffelt, 39 Euro beispielsweise für Reisen bis 2500 Euro, 69 Euro für Reisen bis 4000 Euro. DER Touristik hat ein ähnliches Modell, allerdings mit mindestens 79 Euro Aufpreis. FTI erhebt drei Prozent des Reisepreises, maximal 300 Euro. Und Schauinsland Reisen rechnet pro voll zahlendem Urlauber 29 Euro ab. Nur Tui erstattet auch den Flexibilitätsaufpreis, wenn die Reise nicht angetreten wird. Die übrigen Anbieter behalten ihn.

"Zu dem Wirrwarr der Reisewarnungen und Einreisebestimmungen gesellt sich nun noch ein neuer Tarifdschungel bezüglich der Flexoptionen der Veranstalter und Reedereien", sagt Marija Linnhoff, Vorsitzende des Verbandes unabhängiger selbstständiger Reisebüros. Denn die Tatsache, dass ein Reiseveranstalter eine solche Option nicht ausdrücklich anbietet, bedeutet nicht, dass er an der aus der Vergangenheit bekannten starren Storno-Praxis festhält. Viele kommen den unsicheren Kunden auch ohne Aufpreis entgegen, wenn auch meist der kostenlose Reiserücktritt nicht ganz so kurzfristig möglich ist oder nur für Buchungen bis zu einem bestimmten Zeitpunkt gewährt wird. So können Kunden des Studienreiseanbieters Studiosus in diesem Jahr bis einen Monat vor Reiseantritt kostenlos zurücktreten oder umbuchen und müssen auch keine Anzahlung leisten. Bei Alltours darf man von den sogenannten Klassik-Reisen, die bis 28. Februar gebucht und bis 31. Oktober angetreten werden, bis zu 14 Tage vorher kostenlos zurücktreten oder bis sieben Tage vorher umbuchen.

Gibt es Risiken?

Größtes Risiko ist die eigene Unaufmerksamkeit. Denn die Flexpreise gelten in der Regel nur für ausgewählte Reisen des Anbieters, nicht für das gesamte Programm. "Verbraucher sollten daher unbedingt im Buchungsvorgang genau prüfen, ob das beworbene Stornierungsrecht für die konkrete Reise gilt", betont Robert Bartel von der Verbraucherzentrale Brandenburg. Es handele sich um befristete Regelungen, die sich nicht in den normalen Geschäftsbedingungen wiederfänden. "Es empfiehlt sich daher auch, die versprochenen Rechte beispielsweise durch zusätzliche Screenshots der Regelungen zum Stornierungsrecht und des Buchungsvorgangs genau zu dokumentieren", rät der Jurist.

Kann man trotzdem Geld verlieren?

Mit der Buchung ist oft eine Anzahlung fällig, spätestens vier Wochen vor der Abreise in der Regel die restliche Summe. Eine Sicherheit, dass der Veranstalter bei einem Reiserücktritt das Geld schnell zurückzahlt, habe man "trotz der Versprechungen und vermeintlichen Garantien nicht", mahnt Reiserechtsexperte Bartel. Und es dürfe, trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Branche, nicht ums Verkaufen um jeden Preis gehen, findet die Vorsitzende des Reisebüro-Verbandes. Wenn absehbar sei, dass die Reise unter Corona-Bedingungen kaum durchzuführen ist, "wäre es mehr als unfair, den Reiseinteressierten etwas vorzugaukeln und um jeden Preis einen Buchungsabschluss zu erwirken - Flexpreis hin oder her", sagt Marija Linnhoff.

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Kann man sich auch auf andere Weise absichern?

Die Reiserücktrittskostenversicherung ist eigentlich ein probates Mittel, um sich gegen Stornokosten abzusichern. Falls der Urlaub wegen Krankheit, Arbeitslosigkeit oder eines Todesfalls in der nahen Verwandtschaft ausfallen muss, übernimmt der Versicherer die Kosten, die durch die Absage entstehen. In Zeiten von Corona gibt es allerdings zwei Haken: Manche Versicherer zahlen bei einer Covid-19-Erkrankung oder -Quarantäne nicht oder verlangen für Corona-Risiken einen Zusatzbeitrag. Und: Ein Reiserücktritt aus Angst vor Corona wird nirgendwo versichert.

Welche Optionen haben Individualreisende?

Pauschalreisende sind bei einer Insolvenz des Veranstalters abgesichert, müssen in Krisensituationen zurückgeholt werden und haben Schadenersatzansprüche bei Reisemängeln: Rechtlich stehen sie besser da als Individualreisende. Beim Thema Flexibilität ist das derzeit jedoch nicht unbedingt der Fall. Viele Hotels gestatten ihren Kunden mittlerweile einen kostenlosen Last-Minute-Rücktritt, manchmal noch am Anreisetag. In Online-Buchungsportalen lässt sich in der Suchfunktion meist ein entsprechender Filter setzen. Gleiches gilt auf Vermietungsplattformen für Ferienwohnungen. Kostenlose Stornomöglichkeiten bis 14 Tage vor Abreise sind auch dort zu finden - wenn man bereit ist zu suchen: Um die Lektüre des Kleingedruckten kommt man seit Corona bei der Urlaubsplanung nicht mehr herum.

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