Tipps für den Städte-Kurztrip:Marseille auf die Schnelle

Wer die Hafenstadt für Dörfer der Provence und die Côte d'Azur links liegen lässt, verpasst eine Metropole, die Sonne und Meer feiert. Ein Abend und ein Tag in Marseille.

Von Katja Schnitzler

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(Foto: Katja Schnitzler)

Das ideale Ziel für eine kurze Städtereise hat gemütliche Cafés und Szenelokale, Historisches und moderne Architektur sowie ein Alltagsleben, das auf den Straßen stattfindet - und das alles auf kleinstem Raum: So lernen Besucher die Vielfalt beim Flanieren kennen, falls sie die richtigen Wege einschlagen. All das bietet Marseille, und mehr, schließlich liegt die Stadt auch noch direkt am Meer. Tipps für besonders schöne Stunden finden Sie auf den folgenden Seiten. Aber ist die zweitgrößte Metropole Frankreichs nicht eine Hafenstadt ohne Flair, für Touristen kaum mehr als eine Durchgangsstation? Das war Marseille vielleicht einmal. Jetzt ist sie ein schönes Beispiel dafür, wie sehr ein Ort und seine Menschen vom Titel "Europäische Kulturhauptstadt" profitieren können. Städte, die große Sportereignisse ausrichten, werden im besten Fall mit einer besseren Infrastruktur und vor allem neuen Stadien beglückt. Letztere verfallen aber oftmals schon wieder, während die Bürger noch die immensen Kosten begleichen müssen. Kulturhauptstädte aber werden etwa dank neuer Museen nicht nur auf die touristische Landkarte gehievt, es werden auch einige Makel im Stadtbild getilgt. Am alten Hafen etwa, der ein langes, schmales Rechteck in die Altstadt schneidet, klettern Kinder ganz analog auf die Internetadresse von Marseille, vom e über das i und die zwei l wieder hinab aufs e. Ihre Eltern lehnen an den blauen Buchstaben und schauen den Flaneuren am breiten Platz vor dem "Quai des Belges" zu, den Straßenmusikern und Breakdancern. Vor 2013 rauschte rund um den Vieux Port vielspurig der Verkehr, verweilen wollte hier keiner.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Auch der Reiz für Touristen, überhaupt die Stadt zu besuchen, hielt sich damals in Grenzen, zu schlecht war der Ruf. Tatsächlich sind die Banlieues im Norden teilweise in den Händen von Drogenclans. Doch Viertel direkt am Hafen, die früher als unsicher galten, sind inzwischen zu beliebten Wohngegenden geworden. Hier leben Ärmere und Wohlhabende nebeneinander; Touristen spazieren durch die schmalen Gassen wie durch ein französisches Dorf, mit Zwischenstopps in kleinen Läden und auf überschaubaren Plätzen. Schnell weg, das denkt hier niemand mehr. In dieser Großstadt sind die so unterschiedlichen Viertel rund um den alten Hafen leicht zu Fuß erreichbar, hier stehen modernste Bauten und Museen neben schmalen Altstadthäusern und Hipster-Läden. Ein weiterer großer Vorteil gegenüber Paris, der hier wenig geliebten Hauptstadt: Marseille liegt direkt am Mittelmeer, der nächste Kai, die nächste Bucht, der nächste Strand sind gleich ums Eck.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Marseille wird von vielen Touristen trotzdem nur als Durchgangsstation gesehen, sie reisen gleich weiter an die Côte d'Azur und zu den Dörfern der Provence. Doch Marseille ist es wert, auf ein paar Urlaubsstunden woanders zu verzichten. Dann erlebt man, wie der Ausgang der Métro-Station am Vieux Port zur Überraschung der Fahrgäste zum Bike-Spielplatz wird; der ganze Platz ist eine Bühne, noch warm von den letzten Sonnenstrahlen. Genügend Zuschauer sind stets unterwegs: "In Marseille spielt sich das Leben draußen ab", sagt Pia Leydolt-Fuchs. Die Österreicherin hat mit ihrer Kollegin Carina Kurta die Agentur Capcult gegründet, sie führen Experten aber auch privat Reisenden vor Augen, wie Städte in Europa vom Titel Kulturhauptstadt profitieren. Seit 2012 verfolgen die Österreicherinnen, wie sich das Leben in ihrer neuen Heimat verändert. Eines aber ist gleich geblieben: Während der warmen Jahreszeit "sind manche Cafés drinnen eher ein Möbeldepot, alle wollen draußen sein". Am Vieux Port spielt ein Vater mit seiner Tochter Fußball, eine Frau blickt auf die Boote und Wellen im Hafen, es riecht nach Meer. "Ganze Familien sind hier bis 23 Uhr unterwegs", sagt Leydolt-Fuchs, für die anderen Nachtschwärmer ist in Marseille meist um zwei Uhr Feierabend. Stunden zuvor treffen sich Freunde am alten Hafen, um gemeinsam weiterzuziehen. Hier scheint die Stadt zu Beginn der Nacht vorfreudig zu vibrieren.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Ein paar Schritte weiter erkennen die Flaneure sich selbst, wenn sie den Blick nach oben richten: Das ist nicht religiös, sondern wortwörtlich zu verstehen, dank dem filigranen Dach "L'Ombrière" von Norman Foster. Das hochglänzende, hauchdünn wirkende Rechteck aus Edelstahl spiegelt die Menschen, die unter dem Pavillon Schutz vor Sonne oder Regen suchen oder ein etwas anderes Selfie machen wollen. Errichtet wurde das Spiegeldach vor dem Kulturhauptstadtjahr 2013, als der Alte Hafen mit einem Tunnel aus der Isolation befreit und beruhigt wurde: Bis dahin hatte eine Schnellstraße Stadt und Wasser getrennt. Hier wird entschieden, wo der Abend weitergehen soll: Entweder biegt man nach Osten ab, hinauf zum Cours Julien, wo Hipster und Bobos trinken und feiern. Oder aber man hebt sich diesen Besuch für den nächsten Tag auf und spaziert nur wenige Schritte Richtung Süden zum Cours d'Estienne d'Orves, um in einem entspannt-fröhlichen Pulk aus jungen und älteren Einwohnern von Marseille den ersten Aperitif zu nehmen: etwa im Bistrot L'Horloge, in dem die schöne Zeit, aber nicht die Uhrzeit eine Rolle spielen soll und das Ziffernblatt über dem Eingang ohne Zeiger ist. Hier und gleich gegenüber im - beziehungsweise natürlich vor dem - Le Pointu und der Bar Polikarpov können Abende beginnen und enden. Wenn die Stühle belegt sind, sitzen die Leute eben auf Mauern, laut, lustig, locker.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Wem eher nach einem ruhigeren Zwischenstopp zumute ist, empfiehlt Carina Kurta nach dem Aperitif in die nächste Seitengasse Rue Fortia abzubiegen: Im Familienbetrieb "Chez Loury - Restaurant le Mistral" gehe sie gerne mit der eigenen Verwandtschaft regional essen. Hungrige, die sich von der feengleichen, aber doch sehr rosafarbenenen Leuchtfigur nicht abschrecken lassen, entdecken hinter ihr kleine Tische, an denen fast nur Marseillais sitzen. Drinnen hängen private Familienfotos aus jüngerer und älterer Vergangenheit an den Wänden. Das Restaurant hat eine kleine Karte, darauf der Klassiker Bouillabaisse, die Suppe mit vier Sorten Fisch. Im Menü wird als Nachtisch viererlei Sorbet mit provenzalischen Kräutern serviert. Eine Grundlage, die nicht zu schwer ist, um sich wieder unter das Feiervolk vor der Bar Polikarpov zu mischen. Eilig hat es hier niemand: Ein Abendessen in Marseille dauert oft vier Stunden bis Mitternacht.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Frühstücken im Café spielt hingegen in Marseille keine große Rolle. Meist wird nur im Stehen etwas auf die Schnelle gegessen, selbst an einem Samstagvormittag. Da Urlauber oft einen gemächlicheren Start in den Tag wünschen, lassen sie sich am besten vor einem der Cafés an der Nordseite des Hafens nieder - diese wird am Morgen von der Sonne beschienen und bietet einen schönen Blick auf das Wahrzeichen Notre-Dame de la Garde mit der goldglänzenden Madonnenfigur. Wer sich nun ein Croissant zum Kaffee bestellt, darf sich übrigens nicht wundern, wenn kein Teller zum Gebäck gereicht wird: Auch das ist nicht üblich. In Ruhe getafelt wird erst mittags und am Abend. Blumenhändler haben ihre Stände aufgebaut, dazwischen unterhalten sich Senioren, ihre ebenfalls betagten Hunde werden von Joggern überholt, an einigen Segelbooten wird geschraubt und poliert. Die ruhige Szene wirkt eher dörflich als großstädtisch. Ein paar Meter weiter kann man sich Fahrräder ausleihen, doch eine Stadt für Radler ist Marseille eigentlich nicht. Es fehlten Radwege oder sie seien zugeparkt, sagt Carina Kurta. Doch nicht Autos stünden in der Rangordnung ganz oben, "sondern Fußgänger, die gehen hier vogelwild über die Straßen". Dann kommen Motorradfahrer, denen Autofahrer im Stau Platz zum Durchschlängeln lassen. In Marseille gelten Verkehrsregeln höchstens als gut gemeinte Hinweise, man muss eben aufeinander achten.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Auch wenn etwa in den kleinen Gässchen des ältesten Viertels Le Panier nichts mehr gehe, seien Autofahrer sehr tolerant - oder aber rasteten sehr temperamentvoll aus, meint Carina Kurta. Generell gelte aber in Marseille das Motto "leben und leben lassen", allerdings ohne Wegschau-Mentalität. Gebe es Streit auf der Straße, würden Umstehende sich lautstark einmischen und gemeinsam den Konflikt lösen. Und wo in anderen Altstädten Graffiti übertüncht werden, sind sie im alten Korbmacherdistrikt Le Panier Auftragsarbeiten der Hausbesitzer. So wirkt es wie ein französisches Dörfchen mit alternativem Anstrich.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Pia Leydolt-Fuchs wohnt im Panier, das Viertel erhebt sich wie ein umgestülpter Korb nördlich des alten Hafens. Die Häuser sind schmal, auf der Grundfläche von sieben mal elf Meter muss auch noch ein Treppenhaus Platz finden. Auch die Gassen sind eng. An einen Grünstreifen ist da nicht zu denken, eigentlich: Die Bewohner stellen einfach Pflanzen in Töpfen vor die Tür. Zwar verbietet das die Verwaltung, weil damit die sowieso oft nur 30 Zentimeter breiten Gehwege blockiert werden - doch die nutzt sowieso niemand, jeder läuft auf der Straße. "In dieser Stadt der Rebellen beißt sich die Verwaltung die Zähne aus", sagt Leydolt-Fuchs. So wirken die kreuz und quer verlaufenden Gassen - ein Gegensatz zu schnurgeraden großen Boulevards in anderen Vierteln - noch mehr wie in einem Dorf, in dem sich niemand etwas vorschreiben lässt. In den kleinen Läden wird regionales Kunsthandwerk und Schmuck angeboten oder aber Graffiti zum Mitnehmen.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Auch als am Place de Lenche einfach alle alten Platanen gefällt wurden, hätten die Bewohner stürmisch protestiert - jetzt wachsen neue Bäume nach und spenden schon wieder etwas Schatten. Wer sich hier zum Essen niederlässt, blickt auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf Appartementhäuser, die aber so angeordnet sind, dass sich immer wieder eine Sichtachse auf den Alten Hafen und Notre-Dame auftut. Dass hier keine historischen Straßenzüge mehr stehen, daran sind deutsche Nationalsozialisten schuld: Sie sprengten 1943 Häuserzeilen im verwinkelten Korbmacherviertel, in dem sich Juden und Widerstandskämpfer versteckt hielten - vom Vichy-Regime wurden diese Rebellen nicht geschützt.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Obrigkeitshörig ist man bis heute nicht im Le Panier, daher sind den Anwohnern etwa am Place des Moulins auch Ballspieler höchst willkommen. Früher war hier das verrufene Rotlichtviertel der Hafenstadt, inzwischen wohnen im Quartier ärmere Leute neben Familien aus der Mittelschicht, "nur Millionäre findet man dort nicht", sagt Pia Leydolt-Fuchs. Aber egal mit wem man spricht: Ein Fettnäpfchen in Marseille ist nicht nur, dort von Paris zu schwärmen, sondern auch die Stadt an der Côte d'Azur zu verorten - sie gehört zur Provence, auch wenn das Wasser nicht weniger blau ist als ein paar Kilometer weiter vor Cassis oder Toulon.

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Leydolt-Fuchs empfiehlt, sich den Weg hinauf zur Notre-Dame de la Garde zu sparen - nicht selten stünden schon sieben Reisebusse mit Kreuzfahrtpassagieren vor der Basilika. Einen schönen Blick über die Stadt hat man gleich neben Le Panier in der alten Festung Fort Saint-Jean an der Hafeneinfahrt. Diese wurde für das Kulturhauptstadtjahr für die Öffentlichkeit zugänglich und ausgebaut zum neuen, kostenlosen Naherholungsgebiet für die Städter: Am Eingang werden lediglich die Taschen kontrolliert, nur wer eine Ausstellung in den Museen besucht, zahlt Eintritt - die Festung gehört nun zum Museum der Zivilisationen Europas und des Mittelmeers (Mucem). Eine enge Wendeltreppe führt fünf Stockwerke hinauf auf den Tour du Roi René. Auf der großen Plattform genießen Besucher den 360-Grad-Blick auf die Stadt und hinaus aufs Meer.

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Von dem Festungsturm blickt man direkt auf die Place d'Armes, wo am Samstag Kräuter und Zierpflanzen in Reih und Glied stehen. Dazwischen schlendern Marseillais, die vielleicht die nächste Gehweglücke zustellen wollen. Der karge Festungsbau ist um Cafés erweitert, im mediterranen Garten und neben den Wegen stehen Holzliegen, auf denen sich Frauen und Männer bequem ausstrecken, auch außerhalb der Mauern führen Treppen bis ans Wasser.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Auf der anderen Seite der Hafeneinfahrt ist das herrschaftliche Palais du Pharo, heute ein Kongresszentrum. Wer etwas mehr Zeit hat, macht auch dorthin einen Abstecher. Und wer viel mehr Zeit hat, spaziert von dort aus noch ein paar Minuten weiter zur Rue des Catalans und zum gleichnamigen Stadtstrand, empfiehlt Carina Kurta: Dort dauerpicknicken tagsüber Familien und finden abends Verliebte den Augenblick mit freier Sicht auf die untergehende Sonne noch romantischer. Hipster nutzen dies als Kulisse für ihren Apéro, bevor sie zu ihrer Tour zu den Plätzen vor den Bars aufbrechen. "Und einige Pensionäre sind hier nicht nur jeden Tag zum Sonnenbaden, sondern schwimmen auch im Winter." Und wer wirklich sehr viel mehr Zeit hat, verlässt Marseille mit dem Boot vom Alten Hafen aus: Die berühmten Calanques zwischen Marseille und Cassis ziehen sich wie kleine Fjorde in die weißen Kalkfelsen - allerdings dürfen die Schiffe im Nationalpark nicht direkt am Strand anlegen. Auch Kajaktouren werden angeboten, oder man wandert durch den Nationalpark zu den Buchten mit den kleinen Stränden. "Marseillais nehmen zwar auch die Navette, fahren aber zur Pointe Rouge", sagt Carina Kurta. Am Sandstrand etwa eine halbe Stunde südlich der Stadt sind weniger Touristen. Dort kann man sich mit Snacks eindecken, aber auch die Fischsuppe Bouillabaisse bestellen. Wem das noch zu voll ist, spaziert weiter nach Süden am Yachtclub vorbei und lässt sich an den Mini-Buchten "Blage du Bain des Dames" oder "Anse des Sablettes" nieder - die haben Strandliebhaber manchmal ganz für sich allein.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Doch wer seine volle Aufmerksamkeit der Stadt schenken will, lässt das Mittelalter hinter sich und spaziert über einen modernen Steg zu den noch moderneren Gebäuden, die auf der Mole "J4" errichtet wurden. Und auch hier gilt, nur wer eine der Ausstellungen besuchen möchte, zahlt Eintritt im Mucem. Mehr als ein Blickfang ist das korallenartige Betonnetz, das den Gebäudequader vor der Sonne abschirmt, ohne Blicke zu behindern.

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Beinahe organisch wirkt diese Hülle, die zugleich Licht und Schatten spendet und einen Ruhemoment mit Meersicht schenkt. Danach widmet man sich den Geschichten und Visionen der Kulturen am Mittelmeer - oder zieht weiter.

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Direkt neben dem Mucem schweben 800 Quadratmeter Ausstellungsfläche des Kulturzentrums Villa Méditerranée über dem Wasser, das Untergeschoss liegt darunter - ein architektonischer Kontrapunkt zur neobyzantinischen Kathedrale Sainte-Marie-Majeure. Wer auf Städtereisen gerne Sakralbauten besucht, ist hier richtig, "und sie ist sowieso viel schöner als die Kirche auf dem Hügel", erklärt unaufgefordert ein eifriger Passant. Auf jeden Fall ist sie beeindruckend groß, 3000 Gläubige haben hier Platz - und beeindruckend gestreift: Innen wie außen wechseln sich heller und dunkler Werkstein ab. Wer wiederum etwas mehr Zeit hat, folgt dem Boulevard Quai de la Joliette im gleichnamigen Stadtviertel nach Norden zum Getreidesilo Le Cepac Silo, das zum Konzerthaus umgebaut wurde. Das alles sind Projekte der langfristigen Stadterneuerung Euroméditerranée, die Viertel neu strukturieren und beleben soll. Das Kulturhauptstadtjahr habe da vieles beschleunigt, meint Pia Leydolt-Fuchs, bis dahin sei in Marseille und die Kultur dort kaum Geld investiert worden - einen Konzertsaal etwa gab es vorher nicht. Noch weiter nördlich steht Zaha Hadids 147-Meter-Büroturm Tour CMA CGM - das höchste Gebäude der Stadt, aber nicht öffentlich zugänglich. Da spaziert man von der Kathedrale lieber wieder durch die engen Gassen von Le Panier zurück zur Ostseite des Alten Hafens und weiter ins Viertel Noaille.

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(Foto: Katja Schnitzler)

In der Rue du Marché des Capucins reihen sich kleine Läden aneinander. Fleisch, Gemüse und Gewürze, die Ladenfronten und Türen offen, so dass man sich fühlt wie in einem quirligen orientalischen Basar, durch den sich langsam einige Autos schieben. Hier ist immer Markttag. Und in den Straßen ringsum blockieren nun Menschen den Gehweg, um an Bistrotischen das zu verzehren, was ums Eck feilgeboten und etwa in der "Patisserie orientale Le Carthage" zu Gebäck verarbeitet wurde.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Nur wenige Straßen weiter östlich lassen Flaneure den Orient bereits wieder hinter sich und steigen einen Hügel hinauf zum Treff für Marseilles Hipster: den Cours Julien, eine Spielfläche für Street-Art-Künstler, die jede zweite Tür und Wand gestaltet haben. Zugleich ist der Cours, der sich zwischen zwei Häuserzeilen mit Bars und Restaurants über die Hügelkuppe zieht, ein Spielplatz für Kinder und kindische Selbstdarsteller, die in den Gästen der Cafés ihr Publikum finden. Schnell wirft sich ein Mann ohne Shirt auf den Boden für Liegestützen, sobald er die Fotokamera sieht - sehr zur Verwunderung des Hundes und der Kinder, mit denen er gerade noch gekickt hat. Ein Straßenmusikant singt betont laut und krächzend, daneben jongliert ein Paar mit Fackeln, während sich Nachbarn im Schatten der Bäume unterhalten. Ein alternativ angehauchtes Idyll, das auch tagsüber kurz die Schattenseiten der Hafenstadt zeigt: Ein völlig zugedröhnter Mann drängt sich auf, er schimpft wütend, bevor er davon torkelt. "Ça va?", fragt eine Frau besorgt, "Geht' dir gut?", sie hat die Szene vom Bistrotisch aus verfolgt. Ein Seufzen, ein Schulterzucken, ein Lächeln - so ist es, das Leben in einer Hafenstadt, in der nicht nur legale Güter ankommen.

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(Foto: Katja Schnitzler)

Dann ziehen wieder jauchzende Kinder die Blicke auf sich, sie bestürmen zwei Frauen im Clownskostüm und fallen fast um vor Lachen, als eine ihren übergroßen Schuh in den Brunnen schleudert. Beim Nachtisch im Café und später beim Hinabsteigen der Stufen der Escaliers du Cours Julien wird bewusst: Marseille summt nicht, die Stadt brummt eher - nicht geschäftig wie in einem Bienenstock, sondern fröhlich und zufrieden. Als würden sich die Menschen freuen, genau jetzt hier zu sein. Wahrscheinlich tun sie das auch.

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(Foto: SZ Grafik)

Informationen: Marseille auf die Schnelle Tagroute: Sie beginnt am Alten Hafen, führt hinauf zum Korbmacherviertel Le Panier, das schnell auch kreuz und quer durchlaufen ist, und wieder hinab zum Fort Saint-Jean, über die Fußgängerbrücke zum Mucem und an der Kathedrale Sainte-Marie-Majeure (auch Cathedrale de la Major genannt) vorbei wieder durch Le Panier und dann durchs "orientalische" Viertel bis hoch zum Cours Julien. Nachtroute: Wer nachts nicht mehr weit laufen möchte, findet südlich des Hafens ausreichend Bars und Restaurants - oder bleibt oben am Cours Julien. Stadtführung: z.B. individuell mit Capcult, je nach Wunsch zeigen Carina Curta und Pia Leydolt-Fuchs, was Marseille kulturell und architektonisch geprägt hat und noch immer verändert. Anreise: mit der Bahn mit dem ICE oder TGV bis Marseille, buchbar zum Beispiel über oui.sncf (für Frühbucher gibt es die Fahrt zum Beispiel von Frankfurt nach Marseille ab 39 Euro) oder über die Deutsche Bahn, Europaticket ebenfalls ab 39,90 Euro, oft aber ab 65 Euro (Dauer Frankfurt-Marseille als Direktverbindung knapp acht Stunden); wer es vorher angibt und an die Sitzreservierung im TGV denkt, kann auch Zwischenstationen machen etwa in Straßburg, Avignon oder Aix-en-Provence. Wer nicht selbst suchen und buchen will: Es gibt auch Bahnagenturen, die gegen einen Aufpreis Bahnreisen (oft auch Bus- und Fährverbindungen) möglichst günstig zusammenstellen, zum Beispiel auf die-bahnprofis.de Mit dem Fernbus von Frankfurt nach Marseille ab 29 Euro, mit Umstieg in Lyon 20 Stunden Mit dem Flugzeug von Frankfurt nach Marseille ab 89 Euro (nur Hinflug), reine Flugdauer ohne Anreise und Check-in/Sicherheitskontrolle ab 1,5 Stunden. Mit dem Auto von Frankfurt nach Marseille etwa 9,5 bis 10 Stunden (Mautkosten von Straßburg bis Marseille knapp 60 Euro; dazu Benzinkosten etwa 100 Euro) Hinweis: Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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