Neues Kreuzfahrtschiff "Aida Nova":Frische Brise auf hoher See

Lesezeit: 4 Min.

Platz für 6000 Passagiere: Die Aida Nova ist eines der größten Kreuzfahrtschiffe der Welt. (Foto: dpa)

Die "Aida Nova" ist das erste Kreuzfahrtschiff, das mit Flüssiggas betrieben wird. Diese Technik reduziert die Emissionen deutlich - aber ein Problem bleibt.

Von Ingrid Brunner

Kapitän Boris Becker ist sichtlich zufrieden. Die erste Fahrt der Aida Nova von Eemshaven in den Niederlanden nach Lissabon ist reibungslos verlaufen. "Im Golf von Biskaya war es ziemlich hügelig, Windstärke 9", scherzt er, "auf der Brücke merkt man das schon ein bisschen." Auch das erste Anlegen im Hafen von Lissabon war gleich mit ordentlich Wind. Aber das sei normal in den Wintermonaten. Und genau solche Bedingungen müsse man beherrschen, wissen, wie das neue Schiff reagiert.

Das neue Schiff: Die Aida Nova ist das größte Kreuzfahrtschiff, das bislang in Deutschland gebaut wurde. Es ist 337 Meter lang, 65 Meter hoch, 42 Meter breit und bietet in 2626 Kabinen Platz für gut 6000 Passagiere. Doch die größte Neuheit ist etwas ganz anderes: Die Aida Nova ist weltweit das erste Schiff, das mit LNG fährt und so auch im Hafen betrieben wird. Das Schiff braucht keine Landstromversorgung. Während der Schiffsrumpf in der Meyer Werft in Papenburg montiert wurde, kommt das Kraftwerk des Schiffes - die Motoren und die drei gigantischen LNG-Tanks - von der Neptun Werft in Rostock. Der Vorrat der drei Gastanks soll für eine 14-tägige Kreuzfahrt reichen.

Die Abkürzung LNG steht für Liquified Natural Gas: Flüssigerdgas, auf minus 162 Grad gekühlt. Zur Sicherheit hat das Schiff auch Marinediesel gebunkert. Die Dual-Fuel-Motoren können bei Lastspitzen, etwa bei sehr schwerer See oder beim Starten und Anlegen, zusätzlich darauf zugreifen. Doch Kapitän Becker betont: "Beim ersten Lauf von Pier zu Pier sind wir trotz heftigen Seegangs mit hundert Prozent LNG gefahren."

1 / 7
(Foto: Alexander Rudolph)

Umweltfreundlich: Die Aida Nova fährt mit Flüssiggas: Ruß, Feinstaub und giftiges Schwefeloxid kommen dadurch nicht mehr aus den Schloten.

2 / 7
(Foto: Alexander Rudolph)

17 Restaurants gibt es auf dem Schiff, darunter das Fischlokal "Ocean".

3 / 7
(Foto: Alexander Rudolph)

Auf der Showbühne "Theatrium" wird Elektropop, Akrobatik und Tanz geboten.

4 / 7
(Foto: Alexander Rudolph)

Das japanische Sushi-Restaurant an Bord.

5 / 7
(Foto: Alexander Rudolph)

Zum Entspannen: die Lounge -Zone.

6 / 7
(Foto: Alexander Rudolph)

Alles unter Kontrolle: Boris Becker, Kapitän der Aida Nova.

7 / 7
(Foto: Ingrid Brunner)

In der Bordwäscherei versucht man, mit möglichst wenig Wasser auszukommen.

Nach einer Bauzeit von drei Jahren, einigen technischen Verzögerungen und einem Brand ist die Aida Nova nun seit 19. Dezember erstmalig mit Gästen in den Gewässern um die Kanarischen Inseln und Madeira unterwegs. Im Sommer 2019 wird sie im Mittelmeer fahren. Ist nun eine neue Ära in der Kreuzfahrt angebrochen? Auf jeden Fall ist es eine wichtige Etappe in Richtung umweltfreundlichere Kreuzfahrt. Die Aida Nova ist das erste Schiff der neuen Helios-Klasse, an deren Entwicklung die Meyer Werft in Papenburg einen entscheidenden Anteil hatte. Zehn Jahre Forschung und Entwicklung stecken in der Baureihe. Für insgesamt neun Helios-Schiffe hat die Meyer Werft Aufträge oder Absichtserklärungen, zwei weitere für Aida Cruises (Auslieferung 2021 und 2023), weitere sechs sind für andere Töchter der finanzstarken Carnival-Gruppe bestimmt, zu der Aida gehört.

Flüssigerdgas gilt derzeit als sauberster fossiler Brennstoff, weil bei dessen Verbrennung weder Schwefeldioxide noch Rußpartikel oder Feinstaub entstehen und der Ausstoß von Stickoxiden um bis zu 80 Prozent, der von CO₂ um circa 20 Prozent reduziert wird. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) hat die Aida Nova noch vor ihrer Indienststellung in seinem Kreuzfahrtranking 2018 auf Platz eins gesetzt. "Wer eine Kreuzfahrt machen möchte, sollte aus unserer Sicht auf die Aida Nova gehen", sagt Dietmar Oeliger, der beim Nabu die Abteilung Verkehrspolitik leitet. Doch für die Nachhaltigkeitsbilanz müsse man die Gesamtlieferkette betrachten, etwa, woher das Erdgas komme. Frackinggas zum Beispiel würde die Nachhaltigkeit im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen deutlich mindern. Ein anderes Thema ist der Methanschlupf, das sind Methanentweichungen, die bei laufenden Gasmotoren auftreten können. Methan ist 25 mal klimaschädlicher als Kohlendioxid. Schon klar: Die Kreuzfahrtbranche und die Naturschützer werden wohl nie Brüder im Geiste werden. Doch Dietmar Oeliger vom Nabu räumt ein: "Beim Thema Feinstaub, dem gefährlichsten und am stärksten krebserregenden Verbrennungsprodukt, sehe ich einen Fortschritt."

Aida-Präsident Felix Eichhorn gibt sich gelassen. "Wir fühlen uns nicht getrieben, wir selbst sind die Innovationstreiber." Aktuell haben die Rostocker die Messlatte für die gesamte Branche ein Stück höher gelegt. Doch ob LNG die Kreuzfahrtbranche umkrempeln wird oder nur eine Brückentechnologie ist, vermag auch Aida-Chef Eichhorn nicht vorherzusagen. "Was ist in zehn, 15 Jahren? Werden wir mit Batterien, synthetischem Gas, Brennstoffzellen fahren?" Auf der Aida Nova habe man bereits einen Raum für Brennstoffzellen oder Batterien eingeplant.

Die Infrastruktur für Flüssiggas ist noch mangelhaft. Nur in Frankreich, Spanien, Italien, den Niederlanden, in England, Skandinavien, im Baltikum und in Nordamerika gibt es LNG-Lager. In Deutschland nicht, hier fehlt selbst die rechtliche Grundlage dafür. LNG-Schiffe werden hierzulande per Lkw betankt, die aus Rotterdam anfahren. Was überall fehlt, ist quasi das letzte Stück Schlauch: Zwischen Lagern und Schiffen klafft eine Versorgungslücke, die erst nach und nach geschlossen wird. Durch LNG-Tankwagen, schwimmende Tankstellen und Feederschiffe. Außer in Rotterdam gibt es noch keine LNG-Tanks in den Häfen, von denen aus man die Schiffe direkt bebunkern könnte. Im Hafen von Teneriffa wird die Aida Nova erstmalig von Schiff zu Schiff betankt: Das Feederschiff Cardissa aus Antwerpen pumpt über Nacht in acht Stunden 2100 Kubikmeter LNG in die Tanks der Aida Nova. Die Sicherheitsvorkehrungen dabei sind enorm. Passagiere und Crew dürfen währenddessen auf der Seite des Decks, an der das Tankschiff festgemacht hat, weder rauchen noch mit dem Handy telefonieren. Darauf weisen immer wieder strenge Durchsagen von der Brücke hin.

Kreuzfahrt
:Reedereien müssen etwas gegen Overtourismus tun

Kreuzfahrt-Tourismus presst Tausende Urlauber für kürzeste Zeit in Städte und erstickt dort das Alltagsleben. Das darf Veranstaltern nicht mehr egal sein.

Kommentar von Katja Schnitzler

Auch wenn sich das Management in Rostock beharrlich über den Preis ausschweigt, kursiert in der Branche die Summe von circa einer Milliarde Euro - pro Schiff. "Wir wachsen kontinuierlich weiter, und um weiter wachsen zu können, brauchen wir neue Schiffe", sagt Hansjörg Kunze, der Pressesprecher von Aida. "Die Aida Nova ist für 2019 schon fast ausgebucht", sagt Kunze. Lediglich Restplätze seien noch verfügbar. Seit dem Gründungsjahr wachse das Unternehmen, zum Teil im zweistelligen Bereich. Im deutschsprachigen Raum sei Aida Marktführer, sagt Kunze. Längst habe man sich auch vom Partyschiff-Image verabschiedet. "Wir wollen Vielfalt bieten, Angebote für den Mehr-Generationen-Urlaub."

Deshalb, betont Eichhorn, biete das neue Schiff mehr als nur technologische Innovation. Neu sind beispielsweise 21 Kabinenkategorien von der Penthouse-Suite bis zur Single-Kabine. Das kulinarische Angebot umfasst 17 Restaurants und 23 Bars. In Sachen Nachhaltigkeit passiert vieles hinter den Kulissen - auch auf anderen Schiffen: Neuartige Anstriche sollen die Aquadynamik verbessern und so den Treibstoffverbrauch der Schiffe verringern. Abwassermanagement, Recycling und Energieeffizienz, LED-Beleuchtung und Wärmerückgewinnung sorgen nach Berechnungen des Branchenverbandes Clia dafür, dass der Ressourcenverbrauch pro Passagier und Woche geringer ist als der von deutschen Verbrauchern an Land. In der Wäscherei der Aida Nova werden täglich bis zu 10,5 Tonnen Wäsche gewaschen. Pro Kilo werden dafür 2,5 Liter Wasser verbraucht. An Land sind es laut Aida durchschnittlich acht Liter. Und auch das ist neu: Jedes Kleidungsstück der Crew trägt einen Chip, mit dem es seinem Träger zugeordnet werden kann. Auch Kapitän Beckers Gala-Uniform findet so garantiert zu seinem Besitzer zurück.

© SZ vom 27.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusDubrovnik in Kroatien
:Die erstickte Stadt

Dubrovnik ist wunderschön - und total überlaufen. Der Besucherandrang ist so groß, dass ein normales Leben für die Bewohner kaum noch möglich ist. Nun soll den Touristen Einhalt geboten werden.

Von Jochen Temsch

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: