Hotel Werdenfelserei:Smart Casual für die Alpen

Lesezeit: 3 Min.

In Garmisch-Partenkirchen hat mit der Werdenfelserei das erste große Hotel seit Jahrzehnten eröffnet. Im Ort, der touristisch gerne Designer-Tracht wäre, aber mehr wie ein abgewetzter Cord-Anzug daherkommt, ist das ein echtes Ereignis.

Von Dominik Prantl

Neulich hat sich die CSU-Ortsgruppe Garmisch-Partenkirchen für einen Besuch im Hotel Werdenfelserei angekündigt, und da hat sich Barbara Erhardt doch ein bisschen gewundert. Etwa 15 Leute, das sagte ihr jedenfalls der CSU-Ortsvorsitzende, würden sich für solche Veranstaltungen erfahrungsgemäß interessieren, eine kleine Gruppe, nicht allzu wild. "Es war dann aber mehr eine CSU-Überrumpelung", sagt Erhardt und lacht. Zur Besichtigungstour kamen 84 Gäste.

Barbara Erhardt, Juniorchefin des Hauses mit dem Herz auf der Zunge, ist das Interesse an dem neuen Hotel ihrer Familie natürlich ganz recht. Da stört es auch nicht, dass ein Einkauf manchmal "drei Stunden dauert, weil jeder fragt, wie es läuft", und sich in Garmisch-Partenkirchen trotz der 27 000 Einwohner die Fake News über Gründe für den verzögerten Baufortschritt noch durch ausgiebiges Tratschen beim Bäcker ausbreiten. Unübersehbar ist freilich die Tatsache, dass die Werdenfelserei zur Eröffnung Anfang Mai nicht ganz fertig geworden ist. Vor der Holzfassade standen vergangene Woche noch Kran und Gerüst. Es kann zudem passieren, dass man beim Blick in Kaminzimmer oder Tagungsraum in eine Baustelle und nicht in eine Business- oder Skatsitzung platzt. Ansonsten dürften die sieben Dutzend Vertreter der CSU ziemlich zufrieden wieder abgerückt sein.

Im Grunde gleicht es einem Jahrhundertereignis

Würde man die Werdenfelserei mit einem Dresscode vergleichen, dann wohl mit Smart Casual, diesem Spagat zwischen lässig und schick, der je nach Interpretation eigentlich jede Menge Freiräume zulässt. So wahnsinnig viel kann man dabei also nicht falsch machen. Die Architektur wirkt denn auch zeitgemäß, ohne zu polarisieren; der Wellnessbereich ist opulent, aber nicht überdimensioniert, die Zimmer haben Anmut, ohne ungemütlich zu sein. Nur wird in Garmisch-Partenkirchen, das touristisch zwar gerne Designer-Trachtenmode wäre, aber mehr wie ein abgewetzter Cord-Anzug daherkommt, ganz besonders kritisch darauf geachtet, wie sich das Hotel im Ortsbild macht. Denn im Grunde gleicht es einem Jahrhundertereignis, dass überhaupt wieder ein Hotel im Ort entsteht. Ist doch die Werdenfelserei der erste Hotel-Neubau dieser Größenordnung seit Jahrzehnten.

Wichtiger Punkt, gerade für Freunde des Konservatismus: Die Erhardts sind nicht als Fremde heuschreckenhaft über das Areal am Michael-Ende-Kurpark hergefallen, wo vor der Werdenfelserei die abbruchreife Kureinrichtung Bichlerhof ihre letzten Jahre verbracht hatte. Die Familie hat mit ihren Ferienwohnungen im Fiakerhof drüben in Partenkirchen schon seit Generationen bewiesen, dass sie Urlaub ganz gut kann. Barbara Erhardt sagt: "Es war immer Muttis Traum, dass sie ein richtiges Hotel hat." Und auch wenn sie dafür nun in den anderen Teil der dualen Marktgemeinde wechselten und vielleicht noch nicht ganz als Eingeborene durchgehen, kann man sie als einheimische Investoren gerade noch akzeptieren.

Muttis Traum hat nun 51 Zimmer, 124 Betten und 15 Millionen Euro gekostet. Gibt ja auch ein paar Besonderheiten zu berücksichtigen, wenn man in diese Zeit von Natursehnsucht und demonstrativer Offenheit passen will. Schon gleich gegenüber der Rezeption wird in der MiniBibliothek der Ton vorgegeben. "Die schönsten Gärten im Alpenraum" stehen dort im Regal mit "Trends und Lifestyle in Oberbayern" und "Die sanfte Medizin der Bäume". Holz hat hier auch seine uralte Bestimmung als Baustoff wiedergefunden, nur mit aufpoliertem Image. "Das höchste Hotel Deutschlands, das noch als Vollholzhotel durchgeht", erzählt Erhardt stolz und weiß natürlich genau, welche Bereiche aus hygienischen oder statischen Gründen dennoch betoniert sein müssen - zum Beispiel die Küche.

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:Paläste in Hüttenform

Der Trend, sich in Luxusresorts abzuschotten, funktioniert auch in den Alpen: Die nur scheinbar schlichten Chaletdörfer werden immer öfter gebaut - Österreicher zieren sich da weniger als Deutsche.

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In die lässt sich vom Speisezimmer aus durch ein großes Fenster blicken. "So herrscht da drin Ruhe", sagt Erhardt, und während man sich noch fragt, ob sie das als Witz meint oder ernst, geht es ihr noch um eine weitere Botschaft: "Sie können uns auf die Finger schauen!" Es soll nichts zu verbergen geben, während das Sechs-Gang-Menü mit gegrilltem Bachsaibling und Werdenfelser Rehrücken zubereitet wird. Allerdings muss man sich bei dem hochdekorierten 25-jährigen Küchenchef Johannes Wäger wohl ohnehin wenig Sorgen machen, auch wenn dessen Alter die Tratschfrequenz in Garmischs Bäckereien laut Erhardt hochschnellen ließ.

Wissend, dass der Begriff "Nachhaltigkeit" bei Smart-Casual-Gästen nur noch heftige Müdigkeitsattacken auslöst, ist Erhardt auch abseits von Maibock und Saibling ein Wort ganz wichtig: "Natürlichkeit". Darunter subsumiert sie die Tischbeine aus alten Heuständern, die Lampenschirme aus gepresstem Heu, die Betten aus Zirbe. Oder dass jedes Zimmer mit einem Trinkwasserbrunnen statt einer Minibar ausgestattet wurde. Zu welcher Kategorie das angeblich so belebende Granderwasser zählt, ist nicht ganz klar, aber wahrscheinlich verträgt Natürlichkeit in der heutigen Zeit auch einen Schuss Esoterik.

Und wer auf dem Weg vom Bahnhof an C&A, H&M und Deichmann vorbeikommt, erwischt sich womöglich ohnehin bei der Freude darüber, dass die Werdenfelserei kein Best Western geworden ist.

Werdenfelserei, Alleestraße 28, 82467 Garmisch-Partenkirchen. ÜN mit Frühstück pro Person ab 113 Euro, bis 31. Mai ab 98 Euro, Tel.: 088 21/68 69 39, www.werdenfelserei.de

© SZ vom 17.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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