Privatdetektiv Josef Matula, gespielt von Claus Theo Gärtner, parkte seinen Alfa Romeo regelmäßig vor dem markanten Glaspalast am Frankfurter Nibelungenplatz, um dann lockeren Schrittes in die Empfangshalle zu gehen. Mit dem Aufzug fuhr er ganz nach oben in die 27. Etage. Dort wartete sein ständiger Auftraggeber, ein Rechtsanwalt, der in den 30 Jahren, in denen die ZDF-Krimiserie "Ein Fall für zwei" gedreht wurde, von vier verschiedenen Schauspielern dargestellt wurde. Die beiden Verbrecherjäger genossen immer mal wieder den herrlichen Blick auf die Frankfurter City, manchmal verließen sie auch die Rotunde und kletterten über die Stahltreppe aufs Dach, um im Wind zu feixen.
Das 90 Meter hohe Büro Center im Nordend der Stadt hat eine lange Geschichte. Es wurde 1966 eröffnet und war damals das höchste weltliche Haus der Stadt, nur der Frankfurter Dom maß fünf Meter mehr - erst der 1972 fertiggestellte und im Februar 2014 gesprengte AfE-Turm sollte den gotischen Domturm erstmals überragen. Das Büro Center, das früher Shell-Hochhaus hieß, stand in den Achtzigerjahren leer, insbesondere neue Brandschutzreglungen machten es nicht mehr vermietbar. Im Jahr 1993 kam es zum Komplettumbau; mit der neuen Rotunde auf dem Dach erreicht das Gebäude nun 110 Meter. Doch damals hatte das Hochhaus seinen vorderen Rang schon längst verloren.
Frankfurt trägt den Spitznamen Mainhattan, und das völlig zu Recht. Doch man sollte auch nicht unterschlagen, dass die Skyline eine relativ neue Entwicklung ist. Noch im Jahr 1966, als das Shell-Hochhaus bezogen wurde, gab es in der Innenstadt keinen einzigen Wolkenkratzer. Frankfurts erste Hochhäuser vor dem Zweiten Weltkrieg, etwa das DGB-Haus (31 Meter) oder das IG-Farbenhaus (35 Meter), waren deutlich niedriger als das Ullsteinhaus in Berlin mit 76 Metern (1925), das Hansahaus in Köln mit 65 Metern (1925) und der Tagblatt-Turm in Stuttgart mit 61 Metern (1928). Erst in den 1960er-Jahren begann die Mainmetropole mit dem Verdichtungsprozess in der Innenstadt. Da Platz fehlte, baute man nach oben. Es begann nahe der Alten Oper. Dort stand ab 1962 das heute nicht mehr existente Zürich-Haus, es erreichte eine Höhe von 68 Metern.
"Der moderne Hochhausbau in Frankfurt begann nach dem Krieg in den Sechziger- und Siebzigerjahren. Früher hatte man schon Wohngebäude mit vier bis fünf Stockwerken bei einer Höhe von rund 20 Metern als Hochhaus bezeichnet", sagt Thomas Beyerle, Direktor der Immobilienfirma Catella. Der Kampf um neue Bauflächen führte zu gewaltsamen Protesten, besonders im Stadtteil Westend, wo alte Villen abgerissen wurden, um modernen Hochhäusern Platz zu machen. In Frankfurt gab es damals die bundesweit ersten Hausbesetzungen, es kam zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei. Der spätere Bundesaußenminister Joschka Fischer wohnte seinerzeit in der Stadt und war einer der Mitstreiter. Die Häuserkämpfe gehörten zum Straßenbild, es waren unruhige Jahre, als Demonstranten von "Bankfurt", "Krankfurt" und "Junkfurt" sprachen.
In diese aufgeladene Stimmung platzten die Pläne für das City-Haus I, das auch nach dem Bauherren Ali Selmi als "Selmi-Hochhaus" bekannt ist. Mit 142 Metern überragte der Bau Anfang der 1970er-Jahre alles andere. Die Fans waren von der Höhe begeistert, die Gegner deuteten den dunklen Klotz als Indiz für architektonische Geschmacksverirrung. Während der Bauzeit brach auch noch ein Feuer aus, im 40. Stock, was die Feuerwehrleute an den Rand ihrer Möglichkeiten brachte, da sie damals für solche Einsätze noch nicht ausgerüstet waren. Es dauerte acht Stunden, bis der Brand gelöscht war. Viele Schaulustige sammelten sich währenddessen auf dem umliegenden Platz der Republik, manche bejubelten sogar das Feuer, was zunächst den Verdacht der Brandstiftung nährte. Später kam heraus, dass ein defektes Schweißgerät die Holzverschalung des 40. und 41. Stockwerkes in Brand gesetzt hatte. Dieser Großbrand zeigte den Verantwortlichen, dass der Feuerschutz für Hochbauten neu durchdacht werden musste.
Das Plaza-Hotel und Plaza Büro Center und das ehemalige Dresdner-Bank-Hochhaus waren Ende der 1970er-Jahre die ersten Wolkenkratzer mit über 150 Metern Höhe. Die ältesten Hochhäuser in Frankfurt sind jetzt 40 bis 50 Jahre alt, die meisten davon haben schon eine Sanierungswelle hinter sich. Doch es gibt Ausnahmen. "Der letzte Wolkenkratzer aus der Anfangszeit ist das FBC, ein Bürocenter mit vielen unterirdischen Stellplätzen", sagt Beyerle. "Dort findet man noch Großraumbüros mit geringen Raumhöhen von 2,10 Meter. So etwas zu bauen, wäre heute gar nicht mehr vorstellbar, weil sich die Leute dort bedrückt fühlen würden."
Die bis heute erkennbare Struktur von Mainhattan entstand erst in den vergangenen 25 Jahren. 1991 öffnete der Messeturm (257 Meter) für zahlungskräftige Mieter seine Büros, zwei Jahre später der DZ-Bank-Turm (208 Meter) mit Strahlenkranz. Grüne Sky-Gärten gaben 1997 dem Commerzbank-Tower (259 Meter - inklusive Pinne 300 Meter) ein ökologisches Flair. Das Bankgebäude war lange Jahre Europas höchster Wolkenkratzer. Im Jahr 2015 eröffnete der 180 Meter hohe EZB-Turm - architektonisch einzigartig.
"Doch nun erleben wir etwas Neues. Erstmalig werden keine reinen Bürotürme mehr gebaut, es geht um Mischnutzung: Shopping, Wohnen und Büro", sagt Experte Beyerle. "Früher sind die Menschen aus der Stadt aufs Land gezogen, jetzt ziehen sie in die Stadt zurück. Das ist ein Paradigmenwechsel, der auch Ausdruck bei der Konzeption der Hochhäuser findet." In anderen internationalen Metropolen wie New York und Singapur seien Wohntürme etwas ganz Normales. Frankfurt ziehe da jetzt nach, weil die Stadt eine Sonderstellung habe. "Das Publikum hier ist so international wie nirgends sonst in Deutschland, die Menschen haben das Geld und den Willen, in der Stadt zu arbeiten und in Hochhäusern zu wohnen", sagt Beyerle.
In Frankfurt gibt es inzwischen 30 Hochhäuser, die mindestens 100 Meter Höhe messen. Wer mit dem Flugzeug landet oder mit dem Auto auf der A 5 anreist, der spürt, dass diese Skyline die Stadt mit ihren 700 000 Einwohnern größer wirken lässt als sie ist.
Nach den Kämpfen früherer Jahrzehnte sind die Hochhäuser Teil der Identität Frankfurts und seiner Bürger geworden. In den vergangenen 20 Jahren kam im Schnitt ein Hochhaus pro Jahr dazu.
Martin Hunscher leitet das Stadtplanungsamt und führt gerade die ersten Gespräche über den neuen Hochhausentwicklungsplan, der im kommenden Jahr fertig sein soll, dann aber noch von der Politik abgesegnet werden muss. Zu seinem Job gehört es auch, darüber nachzudenken, wie sich damit jeweils die Skyline aus verschiedenen Blickwinkeln der Stadt verändert. "Wir haben immer standortgenau geplant, und das werden wir auch weiter tun", sagt Hunscher. "Jedes Hochhausprojekt ist einzigartig, die maximale Bauhöhe wird vorher je nach Standort festgelegt", sagt der Experte. "Die Wolkenkratzer sollen die Krone der Stadt bilden, im Kontrast zum eigentlich eher flach bebauten Frankfurt. Sechs bis sieben Geschosse sind hier immer noch die Regel."
In diesem und im vergangenen Jahr sind einige neue Hochhäuser fertig geworden, mit denen die Skyline größer wurde und sich das Stadtbild erneut verändert hat. In den kommenden Jahren werden einige neue entstehen, darunter als Teil des Projekts "Four" das dann zweithöchste Gebäude Frankfurts. "Manchmal fragt man sich ja, woher überhaupt noch der Platz kommt, auf dem Hochhäuser gebaut werden", sagt Hunscher. Mindestens vier Flächen seien noch übrig, an denen neue Wolkenkratzer entstehen dürfen, und möglicherweise kämen mit dem neuen Hochhausentwicklungsplan weitere hinzu.
Solche Pläne sind politisch häufig umstritten, sowohl zwischen den Parteien als auch in der Gesellschaft. Schließlich geht es um viel Geld, das mit diesen Projekten verdient werden kann. Gleichzeitig steht die Stadt unter Druck, bezahlbaren Wohnraum in der Innenstadt zu schaffen.
Dieses Mal dürfen auch die Stadtbewohner beim Hochhausentwicklungsplan mitreden, anders noch als vor zwölf Jahren. Für Mitte Mai ist das erste Bürgerforum geplant - ein Thema wird auch sein, wie sich neue Türme in das öffentliche Leben integrieren lassen. Es ist auch eine Geschmacksfrage, wie Hochhäuser aussehen sollen. Auch bei Immobilien gebe es Moden, sagt Experte Beyerle: "Die Frage: 'Wie konnte man nur dieses Haus bauen', wird man sich in 20 Jahren auch bei den Immobilien stellen, die heute als modern gelten."