Ehemalige Olympia-Orte:Es geht auch faul

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Sprung von der Innsbrucker Schanze, einer Kathedrale des Wintersports. (Foto: Bongarts/Getty Images)

An den Orten, an denen früher Winterspiele stattfanden, können Besucher heute Ski fahren oder sich Bobbahnen hinabstürzen. Man kann es dort auch gemütlich angehen lassen.

SZ-Korrespondenten berichten.

Spazieren in Garmisch

Dort, bei der Anhöhe, die jetzt unschuldig und still im Wald von Garmisch-Partenkirchen liegt - dort haben selbst die Kühnsten einst Angst kriegen können. Denn dort nahm die olympische Bobbahn von 1936 ihre schärfste Wendung. Dort verlief die Bayern-Kurve, ein Monstrum aus ruppigem Eis, das Fehler gnadenlos, manchmal auch brutal bestrafte. Die Regel hieß damals: Wer die Bayern-Kurve falsch anfährt, verliert entweder Zeit oder das Leben. Und das war nicht nur ein Spruch, wie eine Tafel an der historischen Stätte bezeugt: "Auf dieser Bobbahn verunglückten tödlich die Bobpiloten N. Oberüber 1911, L. Lang 1934, R. Odenrick 1951, F. Endrich 1953."

Ein Spaziergang durch den Wald am Rießersee erinnert an einen Sport, den es so nicht mehr gibt. Bobfahren ist immer noch eine Olympia-Disziplin, die an besonders schlechten Tagen Menschenleben fordert. Aber heute sind Bobbahnen hoch technisierte Bauwerke, mit ebenen Kunsteisrinnen und hohen Kurven, in denen das Risiko kalkulierbar ist. In den Zeiten, als in Garmisch-Partenkirchen große Bob-Rennen stattfanden, war so eine Bahn eine grobe Rinne aus Natureis-Quadern, die arbeitslose Maurer mit Schneematsch verfugten und mit Spritzwasser vollendeten. Die Gefahr kann man heute nur noch ahnen, wenn man die Wege begeht, über die einst die Schlitten rasten. Schilder im Wald erinnern an die Schlüsselstellen der Bahn, an Kilian-Looping, Waxenstein-Kurve, Bayern-Kurve. Betonfundamente sind zu sehen, die dürre Martini-Brücke, die Schienen des Bob-Aufzugs. Man lernt, dass Bobfahren früher eine Mutprobe im Naturgelände war. Und man muss ein bisschen aufpassen, dass man nicht zu sehr bedauert, dass es das heute nicht mehr ist.

Thomas Hahn

Abhängen in Oslo

Einmal im Leben eine Großschanze hinunterzuschießen und Richtung Stadion fliegen: Für diesen Adrenalinrausch braucht es am Holmenkollen nahe Oslo weder jahrelanges Fasten noch Training. Dort wird von April an wieder die Zip Line gespannt. Ein Stahlseil, das von der Schanze bis hinunter in die Auslaufzone führt.

Alle Aspiranten starten von ganz oben. Während man auf dem Balken sitzt und den 36 Grad steilen Anlauf hinunterblickt, hängt ein Helfer den Gurt in das Stahlseil ein. Nun gilt es, den inneren Schweinehund zu besiegen: Auf dem Hintern bis zur Kante rutschen, sich Richtung Tiefe beugen und wegdrücken. Dann hängt man am Seil, dann bläst einem der Wind um die Ohren, während man mit bis zu 70 Kilometern pro Stunde mit den Füßen voran auf das Stadion zurast. Erst dort bremst die flacher werdende Seilführung die Fahrt. Weiter als die Profis kommt man so allemal: 361 Meter misst die Zip Line. Der offizielle Skisprungrekord auf dieser Schanze liegt bei 141 Metern.

Franz Güntner

Fotos anschauen in St. Moritz

Am nächsten dran ist Oskar Moser. An seinem Küchenfenster donnern die Bobs vorbei, aber er schaut gar nicht mehr hin. "Bobfahren interessiert mich nicht besonders", sagt er. Moser ist der Koch des 15-köpfigen Arbeitertrupps, der die Olympia-Bobbahn in St. Moritz aus Schnee und Wasser baut. Es ist die letzte noch aus Natureis bestehende Bobbahn der Welt und die älteste sowieso. Ein seit 1904 jedes Jahr wieder neu errichtetes Museumsstück, nur dass es in Gebrauch ist. Früher, als die Kurve "Sunny Corner" noch keine Bretter-Überdachung hatte, versammelten sich die Zuschauer an der Bar des Sunny House und verfolgten das Renngeschehen durch ein großes Fenster. Heute wird das Gebäude von den Bahnerbauern als Kantine genützt. Die Bobbahn führt entlang der alten Straße von St. Moritz hinunter nach Celerina. Winters ist sie gesperrt, weswegen man sie bequem abwandern kann. Unten angekommen, sieht man im Bobmuseum von Celerina auf alten Fotos, dass sich die Bahn kaum verändert hat, seit hier die Winterspiele von 1928 und 1948 stattfanden. "Damals ging alles einige Nummern kleiner", sagt Donald Holstein, ehemaliger Bob-Rennfahrer und heute Museumsleiter. Er bedauert, dass die Bündner eine erneute Olympia-Kandidatur für 2022 abgelehnt haben. Für das Museum trug Holstein Exponate aus der ganzen Schweiz zusammen. Etwa ein hölzernes Gefährt aus den 1920er-Jahren, welches eher an einen Ochsenkarren erinnert als an die Hightech-Konstruktionen unserer Zeit.

Helmut Luther

Schlemmen über Innsbruck

Die Münchner haben ihr Olympiastadion, die Wiener ihren Stephansdom - und die Innsbrucker ihre Bergisel-Schanze. Das kommt jetzt vielleicht ein wenig provinziell rüber, sagt aber mehr über den Stellenwert des Skispringens in Österreich aus als über den Charakter der Stadt. Schließlich hat den kobraähnlichen Bau in seiner derzeitigen Form nicht irgendein Architekt entworfen, sondern Zaha Hadid. Außerdem ist die Schanze gewissermaßen die Kathedrale des Wintersports; Papst Johannes Paul II. hat hier sogar einmal eine Messe gefeiert.

Das Beste ist freilich, dass der Turm auch im Winter nicht allein den Skispringern vorbehalten bleibt, sondern ein Restaurant beherbergt. So kann sich dort jeder Sportmuffel während eines Frühstücks beim Blick aus den Fensterfronten zumindest vorstellen, wie das so wäre: auf zwei langen Brettern der kleinen Stadt im Kessel da unten entgegenzufliegen.

Dominik Prantl

Staunen in Grenoble

Ihren Namen durfte die olympische Eissporthalle in Grenoble nicht behalten, denn nach den Olympischen Winterspielen 1968 wurde das Stade de Glace in Palais des Sports umgetauft. Aber auch wenn die fünf Ringe in der 12 000 Menschen fassenden Halle mit den zwei sich kreuzenden zylindrischen Gewölben nicht mehr dominieren, bekommen Gäste dort noch immer etwas zu sehen und zu hören.

Wo einst die Abschlussfeier stattfand, residiert in diesem Jahr für vier Vorstellungen das Musical "Robin des Bois" (Robin Hood) und spielen Musiker wie Pascal Obispo und Patrick Bruel auf ihren Tourneen. Wo die amerikanische Eiskunstläuferin Peggy Fleming sich einst zu Gold tanzte, feiern im November Artisten das Internationale Zirkusfestival. Und wo Eishockeyspieler 1968 für Action sorgten, lockt im Dezember eine Supercross-Show, bei der waghalsige Motorradfahrer ihre besten Stunts und Sprünge zeigen.

Franz Güntner

Baden in Sotschi

Zum Olympia-Start am Samstag werden für Sotschi-Stadt zehn Grad plus vorhergesagt. Das ist für die im Eisbaden weltweit führenden Russen natürlich eine viel zu hohe Temperatur, um sich ins Schwarze Meer zu stürzen. Für den Gast, der sich zwischen den in Hallen am Meer stattfindenden Eiskunstlauf- und Eishockeybewerben aufwärmen möchte, ist es eine Überlegung wert: ein bisschen Entspannen an der Kaukasischen Riviera? Vielleicht barfuß auf den groben Kieselstränden promenieren, Blickrichtung Istanbul, schräg an den Yachten vorbei gelinst keine 800 Kilometer Luftlinie entfernt? Die Wassertemperatur sinkt selbst im Winter nicht unter sechs Grad Celsius, schließlich ist man hier in der einzigen subtropischen Gegend Russlands. Wem das trotzdem zu frisch ist, der kann im Vorort Macesta Heilbäder im schwefelhaltigen Mineralwasser nehmen. Es soll gegen mindestens 150 Krankheiten helfen.

Hans Gasser

© SZ vom 06.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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