Kolumne: Hin und weg:Vom Alpenblick zum Bergaway

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Irgendwie so könnte "My Alpworld" doch aussehen: Berggetier an Hangkante vor Sonnenuntergang. (Foto: M. Woike/imago images/blickwinkel)

Idyllisch, schlaraffenländlich und unbedingt denglisch klingen die Namen der neuen Traumziele: über den aktuellen Hot Shit des Alpentourismus.

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Würde man bedenkenlos im Gasthaus Killer übernachten? Kann man im Hotel Kummer Spaß haben? Im Gästehaus Unruh? Lieber nicht. Wie großartig klingt da im Vergleich "La Posch - Dein Bergaway"! Das Chaletdorf in Biberwier ist laut Eigenwerbung ein "Treffpunkt für altbewährte Traditionen und neu entdeckte Moderne"; die Adults-Only-Luxushütten sind mit Sauna, Whirlpool und allem erdenklichen Pi-Pa-Posch ausgestattet.

Aber "Bergaway"? Das heißt wörtlich übersetzt: Berg weg. Man fährt doch nicht in die Berge, um dann ohne Berge rumzusitzen, so schick die Unterkunft auch sein mag. Dann vielleicht doch besser direkt ins Puradies. So heißt ein Vier-Sterne-Superior-Haus in Leogang mit "Heaven-Spa" und dem Restaurant "ESS:ENZ". Der Name suggeriert: Hier ist alles idyllisch und schlaraffenländlich - obwohl es sich um ein ziemlich großes Luxushotel mit 76 Zimmern, Suiten und 14 Hütten mitten in einem der größten Skigebiete Österreichs handelt.

Wie viel Money die Owner wohl für dieses Wording flüssig gemacht haben?

Nachdem ein paar Jahre lang grammatikalisch fragwürdige Hotels mit Namen wie "Das Salzburgblick" und "Das Tegernsee" als modern galten, sind nun denglische Kunstwörter der letzte Hot Shit. Der frühere Alpengasthof Kröll in Königsleiten heißt jetzt: "My Alpenwelt". Wieso nicht "Meine Alpenwelt" oder "My Alpworld"? Oder auf gut Bairisch: "Mei, Alpenwelt". Das "Seemount", ein "Active Nature Resort" im Ort See im Paznauntal, hieß früher mal "Hotel Holiday", aber wer bei Google die Worte "Hotel", "Holiday" und "See" eingibt, bekommt Zigtausende Vorschläge. Eine Consultingagentur kreierte deshalb die unverwechselbare Marke "Seemount"; wie viel Money die Owner für dieses Wording flüssig gemacht haben, ist nicht bekannt.

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Als Johann Wolfgang von Goethe mit der Postkutsche über die Alpen zuckelte, gab es noch keine Tourismusberater, nur literarisches Geraune über südliche Länder, in denen Zitronen blühen. Gasthäuser entlang der Postkutschen-Routen hießen meistens "Zur Post", manchmal auch "Zum Adler", "Zur Krone" oder "Zum Hirschen". Reisende hatten früher keine andere Wahl, als am Ende einer Tagesetappe in das örtliche Gasthaus einzukehren, wie auch immer es hieß. Heutzutage ist die Auswahl unüberschaubar, da muss man irgendwie auffallen, am besten schon namenstechnisch.

Die Transformation vom Alpenblick zum Bergaway ist in Tirol vielerorts weit vorangeschritten. Das ehemalige Hotel "Zu den drei Mohren" in Lermoos legte sich schon vor einiger Zeit den halb-woken Namen "Mohr Life Resort" zu. Die Metamorphose eines Hotels in Ried verlief dreistufig: Was früher einmal "Zillertaler Grillhof" hieß und temporär als "Pop Down Hotel" genutzt wurde, firmiert nun als "Mari Pop Hotel". Und das "Auracher Löchl" bei Kufstein wurde umgetauft in "Träumerei #8". Das klingt nicht mehr nach einem Loch, sondern nach einem nummernbehafteten Traum. Ob das besser ist?

Das "Coolnest" im Zillertal ist schon einen Schritt weiter und lässt keine Missverständnisse aufkommen, dass es sich um ein hippes Hideaway handelt. Hideaway ist immer gut, auch wenn es sich direkt neben Tankstelle, Schnellstraße und Skilift befindet. Apparently heißt das Restaurant dort nicht Zirbelstube, sondern "Coolinarium", und der Saunabereich "Wellnest". Heiliges Cool, beziehungsweise holy Kuh! Da sehnt man sich doch glatt nach einer Old-School-Hütte, die einfach so heißt wie der Mountain, auf dem sie steht.

Der Autor ist schon auf dem Amazonas von Starnberg gepaddelt, der Würm. Den echten Amazonas kennt er nur aus Filmen und Comics. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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