Orientierung auf Flugreisen:Verrückte Welt

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Man darf sich wundern, wenn man die Karte mit der Flugstrecke genauer betrachtet. (Foto: twitter.com/TerribleMaps)

Chicago am Mittelmeer und Bukarest in Island: Wie Turkish Airlines das Fliegen wieder zu einem Abenteuer werden lässt.

Glosse von Stefan Fischer

Woran liegt es? Daran, dass die türkische Perspektive auf die Welt mitunter eine recht spezielle ist? Oder daran, dass es ganz global gesehen neben den tatsächlichen längst auch alternative Fakten gibt? Oder aber, dritte These: Hat die Menschheit, gebannt, ja gelähmt von der Sorge um den rasant fortschreitenden Klimawandel, darüber nicht mitbekommen, dass sich auch die Kontinentaldrift massiv beschleunigt hat?

Wer in der globalen Geografie ein wenig bewandert ist, wird sich unlängst an Bord einer Maschine von Turkish Airlines jedenfalls gehörig gewundert haben beim Blick auf die Bildschirme für das Unterhaltungsprogramm. Als dort keine Filme liefen, sondern die Flugstrecke dargestellt worden ist, war das nämlich trotzdem beste Science Fiction.

Der Nabel dieser Welt, das Turkish-Airlines-Drehkreuz Istanbul, war auf der Karte zwar richtig eingezeichnet. Und das galt auch für einige Städte an der Peripherie: Helsinki und Stockholm etwa, auch Glasgow und Lissabon. Aber sonst passte wenig mit dem zusammen, was man bislang für die territoriale Realität gehalten hatte: Bukarest mutierte an Bord dieses Fluges von Bangkok nach Istanbul nämlich zur Hauptstadt Islands, Barcelona lag plötzlich in Jemen, Chicago in Israel und Ho-Chi-Minh-Stadt an der türkischen Rivera.

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Ebenfalls in der Türkei, im Inland gelegen: Osaka. Neuerdings nicht weit entfernt von Chicago, nämlich im Libanon: Billund. Genua? Weiterhin eine Hafenstadt, aber jetzt am Schwarzen Meer. Los Angeles: Nach wie vor die zweitgrößte Metropolregion, aber nicht mehr der USA, sondern Westeuropas. Am besten mutmaßlich erreichbar über den Flughafen Amsterdam-Schiphol. Eine recht subtile Migration hingegen: Die rumänische Stadt Konstanza nimmt den Platz von Konstanz am Bodensee ein.

Es gibt bei derlei weitreichenden Veränderungen natürlich immer Sieger und Verlierer. Billund: mehr Sonne. Barcelona: mutmaßlich das Overtourism-Problem gelöst. Edinburgh dagegen: Steht nun, unweit der nordkoreanischen und der russischen Grenze, unter chinesischer Kontrolle, was noch fataler ist als ein Dasein unter der britischen Fuchtel.

Wobei die Karten nichts darüber aussagen, ob eventuell auch die zugehörigen Länder ihre Plätze getauscht haben. Ganz Schottland also auf maximale Distanz gegangen ist zu England und Rumänien endlich einmal so cool sein möchte im Ansehen der Europäer wie Island. Für Passagiere jedenfalls gilt: Endlich wird das Reisen wieder zu einem Abenteuer mit ungewissem Ziel.

Stefan Fischer ist kein Freund von Heldenverehrung. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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