Warnstreiks bei der Deutschen Bahn:Wie Bahnreisende an Entschädigungen kommen

Lesezeit: 3 Min.

  • Wegen Warnstreiks der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) fiel am Montagvormittag der komplette Fernverkehr in Deutschland aus.
  • Die Bahn empfahl, Reisen auf den Dienstag zu verschieben. Alle Tickets behalten ihre Gültigkeit, Zugbindungen sind aufgehoben - auch für den Dienstag. Die Tickets im Fernverkehr blieben bis einschließlich Sonntag gültig.
  • Je nach Dauer der Verspätung haben Kunden Anspruch auf Entschädigung.

Welche Rechte haben Bahnreisende? Welche Entschädigungen stehen ihnen beim Streik zu? Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was tun, wenn der Zug nicht fährt?

Fällt ein Zug wegen des Streiks aus oder verpasst der Reisende seinen Anschluss, kann er ohne Aufpreis auf einen beliebigen anderen Zug ausweichen - wenn wieder einer fährt. Bei Angeboten wie einem Sparpreis-Ticket wird die Zugbindung aufgehoben. Auf einen anderen Zug dürfen Bahnreisende auch umsteigen, wenn sie damit rechnen müssen, dass ihr Zug sein Ziel mit einer Verspätung von mehr als 20 Minuten erreichen wird. Nimmt der Fahrgast dann stattdessen einen teureren Zug, also zum Beispiel einen ICE anstelle eines Nahverkehrszugs, muss er zwar zunächst den Aufpreis entrichten, kann sich das Geld anschließend aber in einem DB-Reisezentrum erstatten lassen. Länder-Tickets, das Schöne-Wochenende-Ticket und das Quer-durchs-Land-Ticket sind davon ausgenommen.

Und wenn ich gar nicht mehr reisen will?

Wer vom Streik betroffen ist, kann sich sein Zugticket samt Sitzplatz-Reservierung in einem DB-Reisezentrum oder einem Reisebüro mit DB-Lizenz kostenlos erstatten lassen. Für Online-Tickets gibt es auf der Webseite der Bahn ein Antragsformular.

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Zahlt die Bahn eine Entschädigung für Verspätungen?

Bei Verspätungen besteht ein rechtlicher Anspruch auf Entschädigung, unabhängig von der Ursache. Auch im Falle eines Streiks ist die Bahn dazu verpflichtet - im Gegensatz zu Airlines, die sich auf höhere Gewalt berufen können. Kommt ein Fahrgast mindestens eine Stunde zu spät am Ziel an, muss die Bahn ihm 25 Prozent des Fahrpreises erstatten. Bei zwei Stunden Verspätung sind es 50 Prozent. Der Aufpreis für den ICE-Sprinter wird schon ab 30 Minuten Verspätung zurückgezahlt.

Wie entschädigt die Bahn Pendler mit Zeitkarten?

Ab einer Verspätung von 60 Minuten bekommen Fahrgäste mit Zeitkarte eine pauschale Entschädigung pro Fahrt. Für Zeitkarten der zweiten Klasse im Fernverkehr gibt es fünf Euro, in der ersten Klasse 7,50 Euro. BahnCard-100-Besitzer bekommen in der zweiten Klasse zehn und in der ersten Klasse 15 Euro.

Häufig sind bei Streiks auch die von der Deutschen Bahn betriebenen S-Bahnen betroffen. Doch im Nahverkehr können Bahnfahrer nicht mit nennenswerten Entschädigungen rechnen. Ab 60 Minuten Verspätung gibt es in der zweiten Klasse pauschal 1,50 Euro, in der ersten 2,25 Euro. Allerdings werden erst Beträge ab vier Euro ausgezahlt. Nahverkehrskunden erhalten also erst ab der zweiten beziehungsweise dritten Verspätung innerhalb der Gültigkeitsdauer des Zeit-Tickets Geld.

Wie mache ich meine Entschädigung geltend?

Mit dem Fahrgastrechte-Formular. Dieses Beschwerdeformular wird im Verspätungsfall häufig bereits vom Zugpersonal ausgeteilt. Es ist aber auch in den Servicezentren der Deutschen Bahn oder online erhältlich.

In das Formular werden geplanter und tatsächlicher Reiseverlauf eingetragen. Originalfahrkarten, Kopien von Zeitkarten und andere Originalbelege müssen beigelegt werden. Wer sich durch die Formalien gekämpft hat, kann direkt am Bahnhof im Reisezentrum oder in der DB-Agentur seine Entschädigung bekommen.

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Andernfalls ist eine Entschädigung nur möglich, wenn Formular, Fahrkarte oder Kopie der Fahrkarte an das Servicecenter Fahrgastrechte in 60647 Frankfurt/Main geschickt werden.

Entschädigungen muss die Bahn auf Wunsch bar auszahlen, ansonsten erfolgen diese als Gutschein oder per Überweisung.

Ich habe nur ein Handy-Ticket - was muss ich tun?

In diesem Fall muss der Reisende die Buchungsbestätigung, die er per E-Mail erhalten hat, ausdrucken und mit dem Fahrgastrechte-Formular nach Frankfurt schicken.

Zahlt die Bahn ein Taxi oder ein Hotelzimmer?

Zunächst einmal müssen Reisende schauen, ob die Bahn eine alternative Verbindung anbietet, zum Beispiel einen Schienenersatzverkehr. Ist dies der Fall, hat das Angebot der Bahn immer Vorrang.

Gibt es keine von der Bahn organisierte Alternative, liegt die planmäßige Ankunftszeit zwischen 0 und 5 Uhr und hat der Zug mindestens eine Stunde Verspätung, dann erstattet die Bahn Kosten für ein anderes Verkehrsmittel bis maximal 80 Euro. Dies gilt auch, wenn die letzte planmäßig Verbindung des Tages ausfällt und bis Mitternacht der Zielbahnhof anders nicht mehr erreicht werden kann. Wird eine Übernachtung nötig, muss die Bahn die Kosten für ein Hotelzimmer tragen.

Diese Sonderkosten kann man sich nur beim Servicecenter Fahrgastrechte (siehe "Wie mache ich meine Entschädigung geltend?") erstatten lassen. Hierfür müssen neben Fahrkarte oder Kopie der Fahrkarte die Originalbelege für die entstandenen Kosten eingesendet werden.

Doch auch wer außerhalb der genannten Zeit ein Taxi nutzt, kann versuchen, sich die Kosten erstatten zu lassen. In Einzelfällen zeigt sich das Servicecenter möglicherweise kulant.

Und wenn ich wegen des Bahnstreiks meinen Flug verpasst habe?

Wer keine Pauschalreise gebucht hatte oder wenigstens ein Rail&Fly-Ticket, bleibt wohl auf den Kosten sitzen. Denn die Bahn muss nur für das ausgefallene Zugticket entschädigen und nicht für den Flug. Bleibt den Passagieren nur, auf die Kulanz der Airlines beim Umbuchen zu hoffen.

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