Zugverkehr:Die Bahn lässt keine Gelegenheit aus, zum Problem zu werden

Deutsche Bahn im Winter

Es liegt nicht am Geld, dass es bei der Bahn nicht läuft. Dem Konzern fehlt ein nachhaltiges Konzept.

(Foto: dpa)

Kann man Tickets verteuern, wenn die Qualität sinkt? Na sicher, findet man bei der Bahn. Jetzt drohen auch noch Zugausfälle, weil die Forderungen der größten Gewerkschaft nicht erfüllt werden.

Kommentar von Markus Balser

Wer in diesen Tagen pünktlich ans Ziel kommen will, wer im ICE schnell noch etwas per Handy klären muss, wer sich darauf verlässt, dass das Zugrestaurant schon am Morgen einen Kaffee verkauft, der weiß: Eine Fahrkarte für die Deutsche Bahn ist 2018 viel zu oft ein Fahrschein in die Welt vor dem modernen Reisen - Verspätung inklusive. Mitgebucht werden so tiefe Einblicke in die Mangelwirtschaft eines Weltkonzerns, dass dies längst nicht mehr nur Passagiere, sondern auch Behörden alarmiert. Am Donnerstag hat der Bundesrechnungshof ein verheerendes Urteil über die Deutsche Bahn gefällt. Fazit der Kontrolleure: Die Bahn ist außer Kontrolle geraten. In der nächsten Woche könnte es für Fahrgäste nun noch schlimmer kommen. Die größte Bahngewerkschaft EVG drohte am Samstag mit Warnstreiks, weil sie sich mit der Bahn bei den Tarifverhandlungen nicht einigen konnte. Von erheblichen Zugausfällen schon in den nächsten Tagen ist die Rede.

Die Eskalation des Tarifstreits ist nicht allein dem Konzern-Management anzulasten. Doch was sich da gerade auf Deutschlands Schienen abspielt, ist ein Debakel der höchsten Stufe. Die Bahn hätte große Chancen, das Land im besten Sinne zu bewegen. Mit sicherer, bequemer und umweltfreundlicher Mobilität zu einem fairen Preis. Der Reisemarkt boomt, der Gütertransport auch. Nie waren mehr Menschen und Waren in Deutschland unterwegs. Und noch nie war der Druck zum Umsteuern wegen Verkehrsproblemen auf den Straßen, schlechter Luft in den Städten und wachsenden Klimaproblemen so groß wie heute.

Die Realität aberist eine ganz andere. Die Bahn lässt kaum eine Gelegenheit aus, zum Problem zu werden, statt zur Lösung. Dem Konzern entgleitet nicht nur das richtige Timing bei den eigenen Fahrten auf der Schiene. Auch bei Unternehmensentscheidungen macht der Konzern keine glückliche Figur. Kann man Tickets verteuern, wenn die Qualität sinkt? Na sicher, findet man bei der Bahn. Während also die Verspätungen wieder zunehmen, erhöht die Bahn am Sonntag zum Fahrplanwechsel mal wieder ihre Preise. Fast zwei Prozent mehr kostet dann ein normales Ticket. Dabei machen Großbaustellen das Bahnfahren demnächst noch beschwerlicher: Allein auf der ICE-Hauptstrecke Hannover-Würzburg werden sie 2019 monatelang Fahrten um bis zu 45 Minuten verzögern. Zugausfälle durch Streiks wären wohl nur noch der Tropfen auf den heißen Stein.

Seit Jahren zahlt der Staat seinem größten Konzern Milliarden, um endlich wieder in die richtige Spur zu kommen. Genauso lange aber misslingt das. Zwar ist inzwischen aus der behäbigen Beamtenbahn ein komplexes, global agierendes Unternehmen geworden, das Güter von Rio nach Shanghai bringt, das Buslinien in ganz Europa betreibt. Deutsche Bahnfahrer haben abseits der Paradestrecken davon bislang wenig. Entstanden ist ein Unternehmen, das es immer seltener schafft, Pendler pünktlich von A nach B zu bringen.

Die Bahn bekommt eigentlich genug Geld

Nicht jede Kritik ist fair. Auch auf der Straße legen Unwetter den Verkehr lahm. Auch Autofahrer kommen nicht immer pünktlich ans Ziel. Wer aber, wie die Bahn im Güterverkehr, zuerst Tausende Stellen abbauen will, um wenige Wochen später festzustellen, dass dann Personal für die bereits gebuchten Züge fehlt, wer bei Wartung von Schienen und Loks zuerst massiv spart, um zwei Jahre später genau dort über fehlendes Personal zu klagen, der macht klar: Es liegt nicht in erster Linie am Geld, dass es bei der Bahn nicht läuft. Dem Konzern fehlt vor allem ein nachhaltiges Konzept.

Wenn Bahn und Bund in den nächsten Wochen über die Finanzierung des Staatskonzerns bis 2024 verhandeln, muss die Bundesregierung das Chaos auf deutschen Schienen auflösen. Wenn die Bahn mehr Passagiere befördern soll, braucht sie dafür mehr Geld von der Regierung für die Infrastruktur. Im Gegenzug muss der Konzern noch schärfer kontrolliert werden. Es geht vor allem um klare Vorgaben. Die Politik muss definieren, welche Erwartungen das Land an die Bahn hat. Und sie muss sicherstellen, dass der Konzern die auch einhält - pünktlich.

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