Jewgenij Prigoschins Wagner-Gruppe:Wagners Hauptquartier in Afrika

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Ein russischer Wächter (Mitte) bei der vergangenen Präsidentschaftswahl 2020 in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. (Foto: Alexis Huguet/AFP)

Der Präsident der Zentralafrikanischen Republik lässt über eine neue Verfassung abstimmen, die seiner Amtszeit keine Grenzen mehr setzt. Bewacht wird das Referendum von Wagner-Söldnern. Welche Rolle spielt die Gruppe in Afrika?

Von Paul Munzinger, Kapstadt

Am 7. März 2022 erhielt Danièle Darlan, damals Präsidentin des Verfassungsgerichts der Zentralafrikanischen Republik, Besuch von einem russischen Diplomaten. Der Mann drängte Darlan, so berichtete sie später der New York Times , bei einer Änderung der Verfassung behilflich zu sein. Moskau wünsche, dass Präsident Faustin-Archange Touadéra auf unbegrenzte Zeit regieren könne. Darlan weigerte sich. Sieben Monate später war sie ihren Job los.

An diesem Sonntag sind die Einwohner der Zentralafrikanischen Republik aufgerufen, ihre Stimme in einem Referendum abzugeben. Es geht um eine Verfassungsänderung, die die Obergrenze von zwei Amtszeiten für den Präsidenten abschaffen und eine Amtszeit von fünf auf sieben Jahre verlängern würde. Die Regierung beteuert, das entspreche dem Willen des Volkes. Die Opposition wirft Touadéra vor, sich zum Herrscher auf Lebenszeit machen zu wollen.

Menschenrechtsbeauftragter wirft Wagner die Beteiligung an Massakern und sexuelle Gewalt vor

Moskau hat dieses Referendum nicht nur mutmaßlich mit erfunden, freundliche Unterstützung aus Russland gibt es nun auch bei dessen Durchführung. Wagner-Söldner sollen am Sonntag sicherstellen, dass alles seine Ordnung hat. Die Zentralafrikanische Republik ist so etwas wie ihr afrikanisches Hauptquartier. Für die Zivilbevölkerung ist ihre Art, für Ordnung zu sorgen, lebensgefährlich. Der jüngste Bericht des UN-Menschenrechtsbeauftragten Yao Agbetse wirft Wagner unter anderem die Beteiligung an Massakern, sexuelle Gewalt und Folter vor.

Das Ergebnis der Abstimmung soll Ende August vorliegen. Dass es dem Wunsch Touadéras - und Moskaus - entspricht, ist anzunehmen. Der Wortlaut der Verfassungsänderungen wurde erst drei Wochen vor der Abstimmung veröffentlicht, "das reicht für eine echte Debatte nicht aus", kritisiert Agbetse. Die Opposition klagte über Schikanen im Wahlkampf und rief zum Boykott des Referendums auf.

Spannender ist die Frage, was die Zentralafrikanische Republik über die Zukunft von Wagner in Afrika verrät. Die war ja mehr als ungewiss, nachdem ihr Chef Jewgenij Prigoschin Ende Juni zum Marsch auf Moskau angesetzt hatte - um seine Rebellion dann auf halbem Weg wieder abzublasen. Eine der vielen Fragen, die damals diskutiert wurden, lautete: Wird Russlands Präsident Wladimir Putin Wagners Operationen in Afrika verstaatlichen?

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Wagner unterstützt Regimes militärisch oder mit Desinformationskampagnen

Wagner agiert in Mali, Libyen, der Zentralafrikanischen Republik und anderen afrikanischen Ländern auf unterschiedliche Art - je nachdem, was der Auftraggeber bestellt und was dem Kreml nützt. Vereinfacht gesagt, bewirtschaftet das Netzwerk laut Experten drei Geschäftszweige: Es unterstützt Regimes militärisch gegen Terroristen, Rebellen und andere echte oder angebliche Feinde. Es liefert Desinformationskampagnen. Es baut Gold oder Diamanten ab oder sorgt anderweitig dafür, dass sich der Einsatz bezahlt macht.

In kein Land hat sich Wagner so tief eingegraben wie in die Zentralafrikanische Republik, wo vor zehn Jahren ein Bürgerkrieg ausbrach, der bis heute schwelt. 2018 rief der damals von Rebellen arg bedrängte Präsident Touadéra Wagner zur Hilfe. Seitdem sieht man ihn kaum noch ohne seine schwer bewaffnete und vermummte russische Leibgarde. Politisch ist Wagner dem Präsidenten ebenfalls nah, immer wieder tritt er öffentlich mit Dimitri Sytyi auf, dem Leiter des "Russischen Hauses" in der Hauptstadt Bangui. Und auch wirtschaftlich sind die Russen breit aufgestellt - vom Goldhandel über Holzwirtschaft bis zum Verkauf von Wodka.

"Wagners Einfluss in der Wirtschaft, im Militär und auf die politische Elite ist nirgendwo in Afrika größer als hier", sagt Julia Stanyard, Analystin der Global Initiative Against Transnational Organized Crime, einer in Genf ansässigen Nichtregierungsorganisation. Oppositionspolitiker sprechen gar davon, dass das Land Wagners "Geisel" sei.

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Wagner-Chef Prigoschin will das Engagement in Afrika ausbauen

Nach dem gescheiterten Aufstand gab es zunächst Hinweise, dass es damit vorbei sein könnte. 500 bis 600 der insgesamt geschätzt 1500 Söldner verließen das Land, aus den nördlichen Landesteilen zogen sie sich vollständig zurück. Doch Mitte Juli stockte Wagner seine Truppen wieder auf. Ob genauso viele gekommen sind, wie zuvor gegangen waren, kann Julia Stanyard nicht sagen. Doch sie hält es ohnehin für möglich, dass der Abzug nichts mit Prigoschins Rebellion zu tun hatte. Sondern dass die Söldner, wie von Wagner behauptet, auf Heimaturlaub gingen, um danach mit einer neuen Mission zurückzukehren: der Bewachung des Referendums.

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Wagner-Chef Prigoschin hatte zuletzt betont, dass seine Kämpfer sich nicht aus Afrika zurückziehen, sondern ihr Engagement ausbauen würden. Julia Stanyard warnt zwar davor, solche Aussagen einfach zu übernehmen - "unser Bild von Wagner wird zu einem großen Teil von Wagner selbst geprägt." Doch die Entwicklungen in der Zentralafrikanischen Republik wiesen darauf hin, dass Prigoschins Kampfansagen in diesem Fall zutreffen - und Wagner in Afrika künftig mindestens so eine große Rolle spielen dürfte wie bisher. Ob das daran liegt, dass Putin diese Arbeitsteilung nicht aufkündigen will oder kann, ist eine andere Frage.

Jewgenij Prigoschin jedenfalls hat am Freitag seine Freude über den Putsch in Niger kundgetan, wo sich ihm ein neues Einsatzgebiet eröffnen könnte. Tags zuvor war er erstmals nach dem Aufstand wieder in Russland gesichtet worden, ein Foto zeigte ihn am Rande des Russland-Afrika-Gipfels in Sankt Petersburg. Veröffentlicht wurde das Bild auf Facebook - von einem gewissen Dimitri Sytyi.

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