Umstrittene Millionenförderung:Wissing entlässt Abteilungsleiter nach Wasserstoff-Affäre

Lesezeit: 2 min

Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) fühlt sich von einem leitenden Mitarbeiter getäuscht. (Foto: Jan Woitas/DPA)

Der Verkehrsminister entbindet seinen Mitarbeiter von dessen Aufgaben. Er soll sich in die millionenschwere Förderanfrage eines befreundeten Lobbyisten eingemischt haben.

Von Vivien Timmler, Berlin

Es ist eine regelrechte Kehrtwende: Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat mit sofortiger Wirkung einen Abteilungsleiter seines Ministeriums entlassen. Das gab Staatssekretär Stefan Schnorr am Donnerstag bekannt. Grund dafür sei, dass das "Vertrauensverhältnis des Ministers zu diesem Abteilungsleiter" nicht mehr gegeben sei. Ein weiterer Mitarbeiter, der Leiter des Referats G25, das sich mit Wasserstoff und Brennstoffzellen befasst, wurde zudem versetzt; er werde nun ein Referat in der Eisenbahnabteilung leiten.

Hintergrund ist die Vergabe einer umstrittenen Förderung in Millionenhöhe an den Deutschen Wasserstoff- und Brennstoffzellenverband (DWV) aus dem Jahr 2021, in die sich der Abteilungsleiter eingemischt haben soll. Der Ministerialbeamte hatte den Förderantrag des befreundeten DWV-Chefs, mit dem er wiederholt im Urlaub war, nicht nur intern befürwortet, sondern sich auch während des laufenden Verfahrens eingemischt, etwa indem er den Stand der Bearbeitung des Antrags erfragte.

"Ungereimtheiten und Widersprüche"

Eine interne Revision im Bundesverkehrsministerium kam im Dezember 2023 dennoch zunächst zu dem Ergebnis, dass es keine unzulässige Einflussnahme des Abteilungsleiters in dieser Sache gegeben habe. Allerdings, wie jetzt bekannt wird: auf Grundlage unvollständiger Informationen. Demnach lag der internen Revision damals zwar ein Mailverkehr zwischen dem Abteilungsleiter und dem befreundeten Unternehmer vor. Einen Teil der Mails habe das Referat G25 der zuständigen Stabsstelle jedoch vorenthalten.

Eine erste Sichtung der Dokumente im Umfang von insgesamt 14 Gigabyte habe nun ergeben, dass es "Ungereimtheiten und Widersprüche" gebe. Zwar könne man zum konkreten Inhalt noch nichts sagen. Klar sei aber bereits jetzt, dass es von Seiten des Abteilungsleiters "mehr Kontakt mit Antragsstellern" gegeben habe, als zunächst bekannt gewesen sei. Es gebe "Hinweise darauf, dass Einflussnahmen erfolgt sind".

Überdies habe die Innenrevision schon jetzt Anhaltspunkte dafür, "dass es zu Abweichungen vom üblichen Verfahren bei der Bearbeitung eines Antrags gekommen ist", so Schnorr. Üblicherweise entscheidet ein sogenannter "Projektträger" unabhängig vom Bundesverkehrsministerium, welche Projekte mit Millionen bezuschusst werden und welche nicht. Die Frage, die nun im Zentrum der Untersuchungen steht: Wurden Wasserstoff-Förderungen ermöglicht, die man nicht hätte ermöglichen sollen?

Aktuell gibt es darauf noch keine Antwort. "Wir können nicht mehr ausschließen, dass es eine Einflussnahme gab", so Schnorr. "Ich fühle mich getäuscht." Viel wichtiger sei jedoch, dass sich auch die unabhängige interne Revision getäuscht fühle - "und Herr Wissing natürlich auch, ist doch klar".

Wissing habe sein Haus "nicht im Griff", sagt ein Politiker der Union

Einer Sprecherin der Organisation Lobbycontrol zufolge ist die Entlassung des Abteilungsleiters "angemessen" und "folgerichtig". "Endlich zieht das Ministerium Konsequenzen aus den Vorwürfen der Günstlingswirtschaft", heißt es. Das Ministerium müsse nun jedoch erklären, warum die interne Revision zentrale Informationen nicht zutage gefördert habe.

Der für Verkehr zuständige stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ulrich Lange (CSU), geht noch einen Schritt weiter. "Herr Wissing hat sein Ministerium nicht im Griff", sagt er. "Im Haus des Bundesverkehrsministers herrscht Chaos."

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Staatssekretär Schnorr zufolge wird der Förderantrag des DWV-Chefs nun rechtlich überprüft. Und nicht nur der: Vier weitere Einzelförderungen in Höhe von insgesamt 25,9 Millionen Euro werden demnach ebenfalls untersucht. Es sei nicht ausgeschlossen, dass am Ende sogar Gelder zurückgezahlt werden müssten. Ein besonderes Augenmerk soll bei den Untersuchungen auch auf eine Förderung in Höhe von 290 Millionen Euro an das Innovations- und Technologiezentrum für Wasserstoff (ITZ) gelegt werden, ebenfalls aus dem Jahr 2021. Staatssekretär Schnorr zufolge habe in diesem Fall die Fachabteilung "erhebliche Zweifel" an der Förderung des Projekts geäußert, der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) habe sich jedoch "über Köpfe der eigenen Mitarbeiter hinweg" dafür entschieden - und sie "politisch überstimmt".

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