Die Bonner Staatsanwaltschaft hat am Donnerstag die Praxisräume des Kinderpsychiaters Michael Winterhoff in Bonn durchsuchen lassen sowie mehrere Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen, die mit ihm kooperierten. Nach Informationen von WDR und Süddeutscher Zeitung tauchten im Zuge der Razzia etwa 100 Kripo-Beamte bei 15 Einrichtungen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen auf.
Die Staatsanwaltschaft bestätigte auf Anfrage, dass die Durchsuchungen "im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen einen Kinderpsychiater aus Bonn wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung durch mögliche nicht fachgerechte Behandlung" stattgefunden hätten, "mit dem Ziel, Patientenakten sicherzustellen". Die Verantwortlichen der durchsuchten Einrichtungen hätten sich kooperativ verhalten und "auf Grundlage der jeweiligen Beschlüsse freiwillig die relevanten Unterlagen" herausgegeben. Das umfangreiche Material müsse nun ausgewertet werden.
Fall Winterhoff:Umstrittener Psychiater darf weiter Kinder behandeln
Trotz massiver Kritik an den Behandlungsmethoden von Michael Winterhoff arbeiten Jugendhilfe-Einrichtungen weiter mit dem Bonner Arzt zusammen. Politik und Behörden haben es mit der Aufklärung des Skandals offenbar nicht eilig.
Dem Bonner Kinderpsychiater und Bestsellerautor Michael Winterhoff wird vorgeworfen, zahlreiche Kinder- und Jugendliche mit stark sedierenden Medikamenten behandelt zu haben, viele von ihnen über Jahre hinweg. Besonders häufig verschrieb er das Mittel Pipamperon, ein Neuroleptikum mit schweren Neben- und Langzeitwirkungen, das Experten zufolge nur in Notfällen und zeitlich begrenzt eingesetzt werden sollte. Grundlage der Verschreibung waren Diagnosen, die Winterhoff selbst erfunden hatte und die in keinem offiziellen Verzeichnis oder Lehrbuch anerkannt sind.
Winterhoff beurteilt seine Arbeit als "rechtskonform"
Nach den ersten Berichten von WDR und SZ über den Fall im August vergangenen Jahres hatte mehr als ein Dutzend Betroffener, die als Kinder und Jugendliche von Winterhoff behandelt wurden, Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft Bonn wegen Körperverletzung eingereicht. Viele geben an, bis heute an den Folgewirkungen der Medikamente zu leiden. In mehreren Fällen sagen Eltern und Sorgeberechtigte aus, sie seien von Winterhoff nicht über die Behandlung und die damit verbundenen Risiken informiert worden.
Winterhoff bestreitet die Vorwürfe. Im Zusammenhang mit den Durchsuchungen verweist sein Anwalt, der ihn presserechtlich vertritt, darauf, dass für den Bonner Arzt weiter die Unschuldsvermutung gelte. Winterhoff gehe davon aus, "dass seine Behandlungen rechtskonform waren". Ende 2021 gab Winterhoff seine Praxis in Bonn auf - aus Altersgründen, wie er selbst mitteilte.