Westerwelle, Künast und Gysi:Die Rasselbande

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Erfrischend, poetisch, nicht besonders gehaltvoll: Der "TV-Dreikampf" im ZDF mit Maybrit Illner zeigte einiges - zum Beispiel, dass "Jamaika" an Westerwelle und Künast nicht scheitern dürfte.

Alexander Kissler

Die Pubertät ist ein schwieriges Alter. Man fühlt sich erwachsen und ist es nicht, man weiß alles und hat noch wenig erlebt. Die innere Spannung macht abwechselnd wunderbar verwegen und schrecklich traurig.

Weltschmerz oder Weltraumflug, ein Drittes gibt es nicht. Gerade so verhielt es sich nun im ZDF, als die "kleinen Parteien" bei Maybrit Illner zum "Dreikampf" antraten.

Klein sind sie längst nicht mehr. Die Volksparteien implodieren während Linke, Grüne und die FDP die 18-Prozent-Marke und damit die endgültige Volljährigkeit im Blick haben. Dennoch haftete der munteren Runde etwas Putziges, Strietzihaftes an.

Salvenartig, geschleudert, fast tonlos

Es bleibt eben doch, sagte uns das ZDF, eine Rasselbande. Darum wurden Gregor Gysi, Renate Künast und Guido Westerwelle wie die Orgelpfeifen plaziert, schön der Größe nach, aufsteigend von rechts nach links.

Schnell tat der hochgeschossene Westerwelle, was von ihm offenbar erwartet wurde. Er gab den Primus. Moderatorin Illner verwaltete zu Beginn ein prall gefülltes Zeitkonto, weshalb ihr typisches salvenartig geschleudertes, fast tonloses "mh-mh" nur alle sechzig Sekunden dem Redner in die Parade fuhr.

Später, bei der Gesundheits- und der Wirtschaftspolitik, sollte sich der Takt auf zwanzig Sekunden verknappen. Da hielt nur Kurs, wer mit Schlagwörtern den Ball zurückdrosch.

Gemächlich konnte zwanzig Minuten lang über Afghanistan geplaudert werden. Dreimal punktete Westerwelle mit der "selbsttragenden Sicherheitsstruktur", die etabliert sein müsse, damit Deutschland "so schnell wie möglich" die Truppen abziehen kann. Als Renate Künast die "letzten Jahre" in Afghanistan "verlorene Jahre" nannte, zeigte die Kamera das Halbrund der drei Diskutanten.

Plötzlich explodierte über Gysis Kopf eine Wasserbombe. Was einer Rasselbande angemessen wäre, entpuppte sich dann aber nur als albernes Logo. Das ZDF ließ einen kleinen Zeichentrickwal am rechten oberen Bildrand Fontänen spritzen. Lustig sollte die begleitende Zeile sein, "Wahlwatching im Zweiten".

Illners müder Wortwitz

Schon der erste thematische Block ließ keinen Zweifel: Groß war die Abneigung Renate Künasts gegenüber Gregor Gysi, fast ebenso groß ihr Einverständnis mit Guido Westerwelle. Sollte es einmal die Chance geben auf eine Jamaika-Koalition - an diesen beiden würde sie nicht scheitern.

Dem "lieben Gregor Gysi" warf die grüne Spitzenfrau vor, in Afghanistan naiv auf die "Selbstbefreiung der Völker" zu hoffen. "Herr Westerwelle" hingegen erntete keinen Widerspruch.

Der Liberale gönnte sich daraufhin eine kurze pathetische Etüde: Mit seinem Gewissen könne er es nicht vereinbaren, die Sicherheit der Deutschen der deutschen Stimmung, die auf einen sofortigen Abzug dränge, zu opfern.

Es war also kein guter Start für Gregor Gysi. Was folgte, machte es ihm nicht leichter. Den müden Wortwitz der Moderatorin - "Sind wir veropelt worden durch die Regierung?" - durfte nicht er, sondern Rnenate Künast retournieren. Seine diffuse Forderung nach einem Supergremium, das er "Zukunftsfonds" nannte, blieb ohne Resonanz.

Eine solche Expertenkommission soll statt der Regierung entscheiden, welche Firmen welche Unterstützungsgelder erhalten. Niemand hielt den Vorschlag für diskussionswürdig. Ebenso erging es Gysis rückwärtsgewandter Prophetie, bei Nokia hätte "Belegschaftseigentum" die Abwanderung der Arbeitsplätze nach Rumänien verhindern können.

Und dann griff er zwei Mal zu dem alten rhetorischen Trick, eine Antwort mit dem Satz zu verweigern, "im Kern geht es um eine ganz andere Frage..." Einmal fuhr er fort, "ich komme gerne auf die Schulden zurück", tat es aber dann lieber nicht.

Natürlich ergaben sich spontane Bündnisse. Diese aber werden in der Pubertät immer nur auf Zeit geschlossen. Letztlich geht es um Terraingewinne auf Kosten der anderen.

Nicht zu Unrecht erregten sich die drei gemeinsam, dass sie ausgeschlossen sind vom Duell zwischen Kanzlerin und Kanzlerkandidat am kommenden Sonntag. Eine schnarchlangweilige Versammlung, hieß es unisono, könne das nur werden, ohne sie, ohne die Opposition.

Erfrischend, wenn auch nicht besonders gehaltvoll war der Dreiergipfel allemal. Es gab eine fortgesetzte Liaison zwischen FDP und Grünen in der Sozialpolitik - Ulla Schmidts Gesundheitsfonds sei ein "bürokratisches Monstrum" (Westerwelle), ein "Kropf" (Künast).

Das Steuersystem sei ungerecht, besonders für den Mittelstand und die Angestellten, denn "die Erzieherin ist die wahre Leistungsträgerin" (Künast), "da haben Sie recht" (Westerwelle).

Es gab auch unvermutete poetische Aufschwünge. Die Moderatorin sah "alle Sozialkassen über die rote Uhr laufen". Westerwelle kleidete die Ermahnung zu mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen in ein feuchtes Bild, "gibt's keine Hechte mehr, werden die Karpfen fett und faul".

Am schönsten aber sprach Gysi, und er bezahlte dafür teuer. Nur eine gesamtgesellschaftliche Umverteilung, dichtete er plötzlich, könne für "mehr Gerechtigkeit in unserer Seele" sorgen.

Fingertrommeln und Fingerfuchteln

Ob er fortan über seine Poesie nachsann, ob er sich ärgerte, mit seinem Fingertrommeln und Fingerfuchteln nicht mehr durchzudringen? Auf jeden Fall vollzog sich in den restlichen 18 Minuten der traurige Übergang von der Verwegenheit in den Weltschmerz.

Gysi wollte "nur einen Grundsatz erklären" zum Bundeshaushalt im Unterschied zum Privathaushalt, wurde aber nicht verstanden. Westerwelle scherzte, Künast lachte, Gysi schloss die Augen beim Reden und blickte bitter gen Boden.

Kein Glück war mehr da, kein Gespür, kein Geist. So blieb es bis zum von Maybrit Illner pünktlich angekündigten "Ende der Sendung mitten in der Arbeit".

Es ist nicht leicht, erwachsen zu werden.

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