Westerwelle in Afghanistan:Zu Gast in einem Albtraum

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Er will Präsident Karsai helfen und gleichzeitig die Bundeswehr "nicht ewig" am Hindukusch lassen: Die schwierige Mission des neuen Außenministers Guido Westerwelle in Afghanistan.

Daniel Brössler, Kabul

Die Sonne geht auf über dem Hindukusch. Im Cockpit einer Transall auf ihrem Weg nach Kabul sitzt hinter den Piloten Guido Westerwelle. Sein Blick ist nach vorne gerichtet, zunächst auf die imposante Berglandschaft und irgendwie natürlich auch auf den Tag, der vor ihm liegt. Der afghanische Präsident Hamid Karsai soll für eine zweite Amtszeit vereidigt werden, und der neue Außenminister ist Teil einer respektablen internationalen Abordnung, die dabei sein wird.

Unterwegs in schwieriger Mission: Der neue Außenminister Guido Westerwelle in Kabul. (Foto: Foto: ddp)

Kurz vor der Landung spaziert der Minister im Fokus der Fotografen und Kameraleute noch einmal kurz durch die Maschine. Bilder von Westerwelle im schicken Anzug können sie keine machen. Seinen Mantel legt der Außenminister nur kurz ab, als ihm ein Sicherheitsbeamter in die schusssichere Weste hilft.

"Der Respekt gegenüber dem neuen, alten Präsidenten" führe ihn nach Kabul, sagt Westerwelle nach der Landung. Es bleibt erst einmal die einzige Höflichkeit. "Es geht uns darum", schiebt Westerwelle nach, "dass wir nicht nur Unterstützung für die Demokratie in Afghanistan zum Ausdruck bringen, sondern auch unsere Erwartung an gute Regierungsführung, zum Beispiel Korruptionsbekämpfung."

Mehrere westliche Außenminister sind nach Kabul gereist, um unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen Zeugen der Vereidigung Karsais zu werden. Die Amerikanerin Hillary Clinton ist gekommen, der Brite David Miliband und auch der Franzose Bernard Kouchner. Sie alle stehen vor einem Problem: Wie unterstützt man Karsai, ohne allzu offensichtlich Wahlfälschung zu billigen? Und wie verspricht man in Kabul weiteres Engagement und verheißt dem heimischen Publikum doch ein absehbares Ende des afghanischen Albtraums?

Im Video: Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat in Afghanistan stationierte Bundeswehrsoldaten besucht.

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Westerwelle versucht es so: In den nächsten vier Jahren wolle man "einer selbsttragenden Sicherheit so nahe kommen, dass Schritt für Schritt eine Übergangsperspektive in den Blick gerät". Und dann, weniger kompliziert: "Wir wollen in Afghanistan nicht bis zum Sankt Nimmerleinstag bleiben, auf ewig und drei Tage."

Die Bundesregierung hat gerade die Verlängerung des Mandats für den Einsatz von 4500 Bundeswehrsoldaten um ein Jahr auf den Weg gebracht. In einem Papier namens "ressortübergreifende Entscheidungsgrundlage zur Mandatsverlängerung" findet sich das alte Bekenntnis: "Mit unserem Beitrag für die Zukunft Afghanistans schützen wir die Bundesrepublik Deutschland. Von Afghanistan darf keine Gefahr für die internationale Sicherheit mehr ausgehen." Zur bisherigen Bilanz heißt es aber: "Schlechte Regierungsführung, Korruption sowie eine zunehmend verschlechterte Sicherheitslage".

Nicht einmal drei Wochen sind vergangen, seit die unabhängige Wahlkommission eine eigentlich angesetzte Stichwahl abgesagt hat - wegen Sinnlosigkeit nach dem Rückzug von Karsais Herausforderer Abdullah Abdullah. Der Westen setzt nun wieder voll und ganz auf den einzigen Mann, der zur Verfügung zu stehen scheint, auf Hamid Karsai.

Ihre geballte Anwesenheit bei der Vereidigungszeremonie wollen die Außenminister als fordernde Botschaft, nicht als bedingungslose Zustimmung verstanden wissen. Die Menschen in Afghanistan müssten Ergebnisse "sehen und fühlen", sagt Hillary Clinton nach einem Frühstück, zu dem sie ihre Kollegen aus Nato-Ländern vor der Zeremonie in die US-Botschaft geladen hat. Die internationale Gemeinschaft sei bereit, die Regierung in Kabul weiter zu unterstützen, versichert sie. Bedingung sei aber, dass Karsai die afghanischen Sicherheitskräfte entschlossener aufbaue und spürbare Verbesserungen im Alltagsleben der Bevölkerung erreiche.

Karsai und das "Gute Regieren"

Das also ist das Mindeste, was die Abgesandten des Westens von Karsai hören wollen in der Festhalle des Kabuler Präsidentenpalastes. 500 Gäste sind geladen. Die afghanischen Würdenträger nehmen auf der linken, die ausländischen auf der rechten Seite Platz. In der ersten Reihe, zwischen dem Aga Khan und dem turkmenischen Außenminister, sitzt Guido Westerwelle.

Nach dem Schwur auf den Koran und der Vereidigung seiner beiden Stellvertreter hält der oft als Oberbürgermeister von Kabul verspottete Präsident dann eine Rede, in der er fast jede Versprechung macht, die von ihm erwartet wird. "Für die Verteidigung des Landes und die Sicherheit der Nation zu sorgen, ist Pflicht aller Afghanen", sagt Karsai. In den nächsten drei Jahren würden sich die afghanischen Streitkräfte an Militäroperationen in unsicheren Gebieten beteiligen. Über Kabul hinaus müssten sie die Verantwortung in weiteren Provinzen übernehmen. Und dann folgt der Satz, den Guido Westerwelle besonders gerne hört: "Wir sind entschlossen, in den nächsten fünf Jahren die afghanischen Kräfte zu befähigen, die Führung bei der Herstellung von Sicherheit und Stabilität im ganzen Land zu übernehmen."

Danach kommt der Präsident auf das "Gute Regieren" zu sprechen, ein Schlagwort, das Karsai schon deshalb gebrauchen muss, um Hillary Clinton, die einzige Frau in der ersten Reihe, nicht zu verprellen. "Alle hochrangigen Amtsträger, insbesondere Minister, Gouverneure und Vize-Minister, müssen ihre beweglichen und unbeweglichen Güter deklarieren", verspricht der Präsident, dessen Land von den Korruptionsexperten der Organisation Transparency International zum zweitkorruptesten Land der Erde gekürt worden ist. Ein Gesetz gegen Bestechung und Vetternwirtschaft solle Beamte zwingen, ihre Einkommensquellen offenzulegen, kündigt Karsai an.

Am Ende, und da liest er nicht mehr vom Blatt ab, gelobt er, Oberhaupt aller Afghanen sein zu wollen. Das Publikum applaudiert höflich. "Das war eine Rede mit den richtigen Schwerpunkten, die unsere Erwartungen erfüllt", lobt der Gast aus Deutschland. Nun müssten den "richtigen Worten die richtigen Taten folgen".

© SZ vom 20.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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