Westbalkan-Staaten:Einreise unerwünscht

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Flüchtlinge auf dem Weg in den Westen, auf diesem Foto an der Grenze zwischen Belarus und Polen. (Foto: Oksana Manchuk/AP)

Die EU heißt Ukrainer willkommen, versucht andere Fluchtrouten aber zu schließen. Auch Bundesinnenministerin Faeser betont beim Treffen mit den Westbalkan-Staaten das Thema illegale Migration.

Von Nina von Hardenberg

Ein Sonntagnachmittag im September: Fünf Syrer wandern nahe des bayerischen Grenzorts Furth im Wald eine Straße entlang, die von Tschechien nach Deutschland führt. Eine Streife der Bundespolizei "schnappt" sie, wie es in der Pressemitteilung heißt, und schickt sie zurück.

Einsätze wie diesen hat die Bundespolizeiinspektion Waldmünchen, die an einem 89 Kilometer langen Grenzstück zu Tschechien für verstärkte Binnenfahndung zuständig ist, in diesen Wochen öfter. Und sie sind von der Bundesregierung sehr erwünscht. Denn zwar fliehen auch Syrer vor dem Krieg in ihrer Heimat und haben somit grundsätzlich Anspruch auf Schutz. Deutschland aber und die EU insgesamt bemühen sich gerade, die Fluchtrouten, auf denen auch diese Menschen kommen, zu schließen.

Die steigende Zahl von illegalen Migranten, die zuletzt über die Balkanroute kamen, mache ihr Sorge, sagte Innenministerin Nancy Faeser (SPD) zuletzt mehrmals. An diesem Mittwoch traf Faeser zusammen mit europäischen Kollegen die Innenminister der Westbalkan-Staaten. Das Thema illegale Migration stand ganz oben auf der Tagesordnung.

An der Grenze zu Tschechien wird jetzt intensiver kontrolliert

Bis Ende August kamen über die Balkanroute nach EU-Angaben mehr als 86 000 Menschen in die EU - dreimal so viele wie im selben Vorjahreszeitraum. Deshalb soll nun die EU-Grenzschutzagentur Frontex verstärkt in der Region Präsenz zeigen, wie Faeser gemeinsam mit der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson nach den Beratungen ankündigte. Bei dem Treffen sei außerdem vereinbart worden, dass Serbien seine Visapolitik ändern werde.

Denn neben der Türkei, die im aufziehenden Wahlkampf derzeit rabiat gegen Geflüchtete im eigenen Land vorgeht und diese so zur Weiterflucht zwingt, hat die EU Serbien als Schuldigen für den Druck auf Europas Grenzen ausgemacht. Aufgrund von zum Teil alten Visaabkommen können Menschen etwa aus Indien und Tunesien visumfrei nach Serbien einreisen. Ein Teil schlug sich von dort offenbar weiter nach Europa durch. Man habe vermehrt Menschen aus Indien, Kuba, Tunesien und Burundi an den EU-Außengrenzen registriert, sagte Johansson.

Dass die langjährigen Visa-Abkommen das Hauptproblem der irregulären Migration nach Europa sind, glaubt man in Serbien nicht. Trotzdem hatte das Land schon vor dem Treffen eingelenkt und die Einreisebedingungen für Menschen aus Indien, Burundi, Kuba und Tunesien verschärft. Wer von dort kommt, muss jetzt etwa ein bezahltes Rückflugticket mit festem Abreisedatum vorweisen.

Man wolle Menschen schützen, die vor Krieg und politischer Verfolgung fliehen, sagte Faeser. Kein Mensch sollte sich aber "auf gefährlichen Fluchtrouten in Lebensgefahr bringen müssen", um dann in Europa keine Bleibeperspektive haben, sagte sie.

An der Grenze zu Bayern hielt die Polizei tatsächlich bereits Tunesier und Inder auf. Die allermeisten illegalen Migranten aber kamen aus Syrien und Afghanistan. Schaffen es diese Geflüchteten bis in die EU, haben sie grundsätzlich gute Chancen auf einen Schutzstatus. Das Verfahren aber müssen sie nach den geltenden Verteilungsregeln in den Staaten durchführen, in denen sie zuerst registriert wurden. Dass das nicht zu oft Deutschland ist, regelt die Ministerin auf dem praktischen Weg, indem sie die Fahndung an der Grenze zu Tschechien intensiviert und auch die Grenzkontrollen zu Österreich verlängert hat. Viele Menschen werden so an der Einreise nach Deutschland gehindert.

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Bei der Bundespolizeiinspektion Waldmünchen hat man allein im Augst insgesamt 325 unerlaubt eingereiste Personen festgestellt, der Großteil von ihnen Syrer. Bei drei Viertel von ihnen habe man die Einreise verhindert. Die Menschen wurden zurück nach Tschechien geschickt, etwa auch die fünf Syrer. In dem konkreten Fall hätten die Menschen kein Asylgesuch geäußert, heißt es zur Erklärung aus dem Bundesinnenministerium.

Wer nämlich dezidiert um Asyl bittet, muss zumindest zunächst in eine Flüchtlingsunterkunft gebracht werden. Dann wird geprüft, wo er zuerst registriert wurde und welches Land für das Verfahren zuständig ist. In Waldkirchen war das bei 18 Prozent der Menschen der Fall. "Was an den Grenzen passiert, findet letztlich in einer Black Box statt", sagt dazu Gisela Seidler, Vorsitzende des Ausschusses für Migrationsrecht beim Deutschen Anwaltverein. Ob die Syrer zum Ausdruck gebracht haben, dass sie in Deutschland einen Asylantrag stellen wollen, werde sich nicht herausfinden lassen. Die Anwältin fordert ein Ende der europarechtswidrigen Grenzkontrollen.

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